| # taz.de -- Kommentar Deutsche Nichtwähler: Erosion der Demokratie | |
| > Die sinkende Wahlbeteiligung ist ein Warnsignal: Denn wenn die Politik | |
| > die Wähler nicht mehr mitnimmt, dann entsteht ein gefährliches Gemenge. | |
| Bild: Schon die Bremer Stadtmusikanten meuterten, weil sie schlecht behandelt w… | |
| Eine wirkliche Wahl hat nur, wer aus unterschiedlichen Angeboten aussuchen | |
| kann. In einer politischen Landschaft, in der relevante Unterschiede | |
| zwischen Parteien kaum noch auszumachen sind, gibt es diesen | |
| Begründungszusammenhang nicht mehr. Und es wundert kaum, dass immer weniger | |
| Menschen von ihrem Recht, frei und geheim zu wählen, Gebrauch machen. | |
| Seitdem CDU, SPD und Teile der Grünen immer ununterscheidbarer in die Mitte | |
| rücken, scheint es, als wäre Demokratie ein Geschäft geworden, bei dem in | |
| erster Linie Marktpotenziale über die Programme entscheiden. Schwerpunkte | |
| werden so gesetzt, dass möglichst viele jener Menschen erreicht werden, die | |
| sich von ihrer demokratischen Pflichtübung noch etwas versprechen. | |
| So entsteht eine gefährliche Spirale. Die Schichten, die traditionell | |
| sowieso eher politikfern sind, fühlen sich noch weniger repräsentiert und | |
| immer weiter abgekoppelt. Mit dem Effekt, dass sich noch weniger Politiker | |
| um die Armen, die Ausgegrenzten, die Unterprivilegierten bemühen. | |
| Theoretisch muss diese Entwicklung alle demokratischen Parteien | |
| beunruhigen. Denn die explosive Gemengelage, die entsteht, wenn sich weite | |
| Teile der Bevölkerung aus dem demokratischen Gefüge verabschieden, liegt | |
| auf der Hand: So entstehen Parallelgesellschaften, die ihren eigenen Regeln | |
| folgen, weil sie in den Regierungen und Parlamenten ja in der Tat keine | |
| Repräsentanten mehr haben. | |
| Praktisch ist natürlich besonders die SPD betroffen. Seit spürbar wird, | |
| welche Auswirkungen die Agenda 2010 hat und dass diese Reform dafür | |
| verantwortlich ist, dass es für die Unterschicht kaum mehr eine Möglichkeit | |
| gibt, einen gesellschaftlichen Aufstieg zu erreichen, hat sich ein | |
| wichtiger Teil der ehemals verlässlichen Stammwählerschaft endgültig | |
| verabschiedet. Diese ehemaligen Sozialdemokraten sind zu den Nichtwählern | |
| abgewandert, zu den Linken oder extremen Parteien wie der AfD. | |
| Es wird für die Sozialdemokratie existenziell sein, ob sie die Frage | |
| beantworten kann, warum man eigentlich noch SPD wählen soll. Allemal, wo es | |
| mittlerweile eine CDU gibt, die in den Merkel-Jahren viel Gutes von den | |
| Sozialdemokraten gelernt, kopiert und schließlich auch umgesetzt hat. Dabei | |
| geht es nicht nur um das Überleben einer Partei, sondern darum, wie | |
| repräsentativ unsere Demokratie tatsächlich noch ist. | |
| 11 May 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Ines Pohl | |
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