Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gernot Erler über Sowjet-Entschädigung: „Eine Geste der Anerken…
> Millionen Sowjetsoldaten starben in Lagern der Wehrmacht. Der
> Russland-Beauftragte Erler (SPD) fordert, die Union müsse sich bewegen.
Bild: Statue eines Sowjetsoldaten, Gedenkstätte Seelower Höhen in Brandenburg.
taz: Die Opposition fordert, ehemalige sowjetische Kriegsgefangene als
NS-Opfer anzuerkennen. 2013 hatten die Grünen das schon mal beantragt –
wortgleich und zusammen mit der SPD. Weil Ihr Koalitionspartner dagegen
ist, können Sie jetzt aber nicht zustimmen. Eine blöde Situation?
Gernot Erler: Das ist in der Tat eine schwierige Situation. Ich stehe noch
immer hundertprozentig hinter dem Antrag, aber eine Mehrheitsentscheidung
gegen CDU und CSU ist in der Koalition nicht möglich. Wir müssen die Union
also überzeugen.
Was fordern Sie genau?
Die Bundesregierung muss die Verbrechen an den sowjetischen
Kriegsgefangenen endlich als nationalsozialistisches Unrecht anerkennen und
den noch lebenden Betroffenen einen Anerkennungsbetrag zahlen. Damit
schaffen wir keinen Präzedenzfall für andere Opfergruppen, die Union muss
sich also keine Sorgen machen. Und wir müssen die Erinnerungskultur
ausbauen: Bei der Vielzahl an Gedenkstätten dürfen wir die Kriegsgefangenen
nicht länger außen vor lassen.
Der CSU-Abgeordnete Stephan Mayer hat als Kompromiss eine Gesamtlösung
angeboten: Entschädigung nur, wenn auch Deutsche etwas bekommen, die nach
dem Krieg in der Sowjetunion Zwangsarbeit leisteten.
Ob diese Position in der Union eine Mehrheit hat, weiß ich nicht. Außerdem
klingt eine Gesamtlösung immer nach großem Aufwand und einer langen
Bearbeitungsdauer. Von den Kriegsgefangenen leben aber nur noch rund 2.000.
Wir stehen also vor einer tickenden biologischen Uhr und müssen uns
entscheiden: Stellen wir uns der Verantwortung oder sind wir tatsächlich
unfähig, wenigstens gegenüber einigen hundert Überlebenden eine Geste der
Anerkennung zu machen?
Können Sie der Union einen anderen Kompromiss anbieten?
Bei der Höhe der Zahlungen kann man sich verständigen. Der ursprüngliche
rot-grüne Antrag sieht 2.500 Euro für jeden Überlebenden vor, aber da sind
wir flexibel. Bei der Kernfrage gibt es jedoch keine Kompromisse. Die Union
sagt, dass aus Kriegsgefangenschaft juristisch kein Anspruch auf
Entschädigung folge und wir deshalb nichts machen sollten. Ich halte das
für vollkommen falsch, weil die Wehrmacht ihre sowjetischen
Kriegsgefangenen schlimmer behandelte als alle anderen Kriegsgefangenen.
Von 5,7 Millionen hat sie über 60 Prozent vernichtet, ihnen erging es wie
KZ-Häftlingen. Es führt also in die Irre, sie als normale Kriegsgefangene
darzustellen.
Was erwarten Sie sich von der Sitzung des Haushaltsausschusses am Montag?
Dass die geladenen Experten unsere Argumentation unterstützen und der
öffentliche Erwartungsdruck auf die Union wächst. Letztendlich können wir
nur Erfolg haben, wenn wir die Fraktionsführung von CDU und CSU überzeugen.
Mit Unterstützung aus der SPD-Führung stünden Ihre Chancen besser.
Diese Unterstützung kann ich sofort organisieren. Noch ist es dafür zu
früh, denn der nächste Schritt ist die Anhörung im Ausschuss. Aber wenn
eine Entscheidung ansteht, könnten wir unsere Parteispitze noch brauchen,
um das Thema notfalls in den Koalitionsausschuss zu bringen.
14 May 2015
## AUTOREN
Tobias Schulze
## TAGS
Rote Armee
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg
Sowjetunion
SS
Wladimir Putin
70 Jahre Befreiung
Gedenken
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg
Schwerpunkt Nationalsozialismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Entschädigung von Sowjetsoldaten: Das Geld kommt zu spät
Mehr als fünf Millionen Sowjetsoldaten litten in deutscher Gefangenschaft.
Nur noch 1.175 von ihnen bekamen die 2.500 Euro Entschädigung ausgezahlt.
Auschwitz-Prozess in Lüneburg: „Der Terror hat mich aufgefressen“
Die 84 Jahre alte Susan Pollack berichtet vor dem Landgericht von ihren
Qualen in Auschwitz. Sie überlebte, weil sie an der Rampe log.
70 Jahre Kriegsende in Russland: Merkel und Putin legen Kränze nieder
Gemeinsam haben die Bundeskanzlerin und der russische Präsident der
sowjetischen Opfer gedacht. Die offizielle Feier zum Sieg der Sowjetunion
hatte Merkel boykottiert.
Historiker über 70 Jahre Kriegsende: „Stalin hasste die Frontkämpfer“
Der „Tag des Sieges“ war nicht immer der wichtigste Feiertag Russlands.
Historiker Nikita Sokolow über die Kultur des Erinnerns, Glanz von Paraden
und Stalins Ängste.
Ukraine begeht 70 Jahre Kriegsende: Noch einmal wehen rote Fahnen
Tausende gedenken in Kiew der im Zweiten Weltkrieg gefallenen Ukrainer.
Darunter viele Veteranen der Sowjetarmee. Provokationen gibt es kaum.
70 Jahre nach dem Tag der Befreiung: 8. Mai – Die Rückkehr zur Wahrheit
Die Ukraine verabschiedet sich von den sowjetischen Erinnerungsritualen.
Das Sieges- und Versöhnungsfest bleibt – nur ohne verlogenen Pathos.
70 Jahre nach dem Tag der Befreiung: „Wir sind versöhnt! Weiter geht’s!“
Eine polnische und eine deutsche Abiturientin sprechen über das Schweigen
ihrer Großeltern, Geschichtsunterricht – und den besten Wodka.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.