# taz.de -- Springers Ausverkauf: Rumms! | |
> Mehr Geld für die digitale Offensive: Axel Springer trennt sich eilig von | |
> diversen Blättern und Heften, die man eh nicht mehr für Siegpferde hält. | |
Bild: Die Reihen hinter ihm werden sich lichten: Matthias Döpfner. | |
BERLIN taz | Um 9.41 Uhr ging die Mail von Mathias Döpfner raus: „Wir haben | |
heute einen rechtsverbindlichen Vorvertrag mit der Funke Mediengruppe | |
(FMG), ehemals WAZ-Gruppe, zur Übernahme unserer Regionalzeitungen Berliner | |
Morgenpost und Hamburger Abendblatt inklusive der Tochtergesellschaften | |
sowie unserer Programm- und Frauentitel Hörzu, TV Digital, Funk Uhr, | |
Bildwoche, TV Neu, Bild der Frau und Frau von heute geschlossen“, schreibt | |
darin der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG an seine Mitarbeiter. | |
Rumms. Guten Morgen, Berlin! Guten Morgen, Hamburg! | |
920 Millionen Euro zahlt Funke für die Zeitungen und Zeitschriften, die | |
laut Springer im vergangenen Jahr 512 Millionen Euro Umsatz | |
erwirtschafteten und einen Vorsteuergewinn von 94 Millionen erzielten. Doch | |
das scheint nicht mehr lukrativ genug zu sein im großen Springer-Reich. | |
Und deshalb kappt die Aktiengesellschaft ihre Wurzeln: 1946 hatte Axel | |
Cäsar Springer eine Programmzeitschrift, die bald in Hörzu umbenannt wurde, | |
auf den Markt geworfen – nach zähem Ringen mit den britischen Besatzern. | |
Doch Springer wollte mehr als ein bisschen Radio- und Fernsehhinweise | |
abdrucken. Er wollte eine Tageszeitung. Er schuf das Hamburger Abendblatt. | |
1948 erstmals gedruckt, war das Abendblatt die erste Tageszeitung in | |
Deutschland, die nicht mehr von den Alliierten lizenziert worden war. Der | |
junge Verleger Springer warb im zerstörten Hamburg mit dem Postulat „Seid | |
nett zueinander“. | |
Jetzt ist keiner mehr nett zu seinem Erbe. „Die Entscheidung, uns von | |
einigen der traditionsreichsten Marken unseres Hauses zu trennen“, sei ihm | |
nicht leicht gefallen, schreibt Döpfner an seine Mitarbeiter, von denen 900 | |
vom Verkauf betroffen sind. „Wir tun dies mit schwerem Herzen.“ Und wohl | |
mit dem Segen von Friede Springer, der letzten Frau des 1985 verstorbenen | |
Axel und Mehrheitsgesellschafterin der AG. Sie kontrolliert mehr als 51 | |
Prozent der Anteile. Sie hätte eingreifen können, wenn ihr die Geschichte | |
des Hause näher wäre als dessen Zukunft. Doch das ist sie offenbar nicht. | |
## Eiliger Verkauf | |
Döpfner strebt jedenfalls den Umbau des Hauses zum „führenden | |
Digitalkonzern“ in Europa an. Es gibt keinen öffentlichen Auftritt, bei dem | |
der Chef nicht dieses Ziel ausgibt. Dafür sollte in Technologien investiert | |
werden, ließ Springer noch bei der Verkündung der ersten Quartalszahlen | |
2013 wissen, und dafür sollte das Printgeschäft umgebaut werden. Nun wird | |
es nicht umgebaut, sondern zu großen Teilen gleich verkauft. | |
Wie eilig Springer seine Blätter und Hefte loswerden wollte, zeigt die | |
Ad-hoc-Mitteilung, zu der eine AG laut Wertpapierhandelsgesetz verpflichtet | |
ist. Darin heißt es, dass der 920 Millionen Euro teure Verkauf, der zum 1. | |
1. 2014 wirksam wird und dem die Kartellbehörden noch zustimmen müssen, nur | |
zum Teil direkt bezahlt wird. 660 Millionen sollen bis zum 30. Juni | |
beglichen werden. Die fehlenden 260 Millionen leiht sich die Funke-Gruppe – | |
bei der Axel Springer AG. Springer, das Funke ein Darlehen mit mehrjähriger | |
Laufzeit gewährt, will also nicht nur verzweifelt veräußern, Funke ist auf | |
der anderen Seite auch recht finanzschwach. | |
Dennoch ist die Funke Mediengruppe für Döpfner ein „idealer Käufer und | |
Partner“, wie er seinen Mitarbeitern versichert. Diese Meinung dürfte er | |
relativ exklusiv haben. Funke zeigt bei seinen Blättern einen eisernen | |
Sparwillen. Anfang des Jahres schloss das Medienhaus die 120 Personen große | |
Redaktion der Westfälischen Rundschau, vertreibt die Zeitung allerdings bis | |
heute weiter – jetzt halt mit von außen eingekauften Inhalten. | |
## „Ziemlich katastrophal“ | |
Nicht ohne Grund bezeichnete also Stefan Endter, der Geschäftsführer des | |
Deutschen Journalistenverbands (DJV) in Hamburg, den Verkauf der | |
Springer-Blätter an Funke als „ziemlich katastrophal“. Die Sorge um die | |
Sicherheit der Arbeitsplätze bei den Medienobjekten sei berechtigt. Auch | |
wenn Döpfner betont: „Die FMG will alle Mitarbeiter übernehmen, inklusive | |
der Geschäftsführungen und der Chefredaktionen.“ | |
Doch was – außer Synergien und weiteren Sparmöglichkeiten (bei Optimierung | |
von Umsatz und Gewinn) – soll ein solcher Kauf dann bringen für Funke? „F�… | |
unser Haus eröffnen sich neue Perspektiven: im Print- und im | |
Onlinebereich“, gibt Funke-Geschäftsführer Thomas Ziegler ziemlich vage zu | |
den Beweggründen bekannt. „Hiermit erschließt sich für uns ein großes | |
Potenzial, um neue Wege, etwa in der intelligenten Verzahnung beider | |
Welten, zu gehen.“ Aha. „Gemeinsam mit den zu uns kommenden Kolleginnen und | |
Kollegen bauen wir ein nationales Medienhaus auf.“ Na dann: viel Erfolg! | |
## Der Gaul siegt nicht mehr | |
Die angesprochenen Kolleginnen und Kollegen, die nun von Funke übernommen | |
werden, traf die Nachricht aus heiterem Himmel. Keine Gerüchte, keine | |
Andeutungen, nichts war vorab durchgesickert. Erst im Herbst vergangenen | |
Jahres hatte Springer Abendblatt, Morgenpost und Welt in einer | |
Redaktionsgemeinschaft zusammengeschlossen. Die Morgenpost lieferte die | |
Inhalte für den Berliner Regionalteil der Welt, das Abendblatt die aus | |
Hamburg. „Diese Vernetzung der Redaktionen bleibt bestehen“, verspricht | |
Springer-Sprecher Tobias Fröhlich. | |
Das Abstoßen der Printtitel birgt aus Springer-Sicht durchaus einen Sinn. | |
Man trennt sich von einem Gaul, den man eh nicht mehr für ein Siegpferd | |
hält. Die Werbeerlöse sanken im Printbereich der Springer AG in zwei Jahren | |
von 197 auf 159 Millionen Euro. | |
Die verkaufte Auflage des Abendblatts purzelte in den vergangenen 15 Jahren | |
von mehr als 300.000 auf weniger als 200.000 im zweiten Quartal 2013. Die | |
Morgenpost-Auflage schrumpfte im gleichen Zeitraum von 180.000 auf 118.000. | |
Bei den Zeitschriften sieht es nicht viel besser aus. Und nun, da die | |
Zusammenlegung der Bild mit der Berliner Boulevardzeitung B.Z. näher rückt, | |
könnte außerdem Platz geschaffen werden im großen Verlagshaus an der Ecke | |
Rudi-Dutschke-/ Axel-Springer-Straße in Berlin. | |
Übrig bleiben am Ende noch die Bild und die Welt mit ihren diversen | |
Ablegern. Und für Döpfner viel Geld, um in den digitalen Wandel zu | |
investieren. | |
25 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
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