# taz.de -- „Welcome Center“ für reiche Einwanderer: Migranten erster und … | |
> Hamburg empfängt gut bezahlte Zuwanderer in einem „Welcome Center“. Arme | |
> und Flüchtlinge müssen weiterhin zur zentralen Ausländerbehörde. | |
Bild: Für die einen wird der rote Teppich in Form eines Welcome Centers ausger… | |
HAMBURG taz | Die Weltkarte im Rücken, sitzt eine junge Frau auf einem | |
weichen Sofa und liest mit leiser Stimme aus einem Kinderbuch vor. Ihr | |
Sohn, vielleicht zwei Jahre alt, hat den Kopf auf ihren Oberschenkel gelegt | |
und lauscht. Bewusst hat sich Behördenleiterin Birte Steller für diese | |
Bücherecke entschieden. „Der Behördencharakter“, flüstert Birte Steller, | |
„soll hier ganz in den Hintergrund treten.“ | |
Steller, 42 Jahre alt und Juristin, leitet das Hamburger „Welcome Center“, | |
das der Stadtstaat vor fünf Jahren eröffnet hat. Die Räume mit ihren | |
schneeweißen Säulen und gläsernen Türen wurden genau dort eingerichtet, wo | |
sich Rathaus und Handelskammer treffen. Nicht nur der schwarz-gelben | |
Bundesregierung gilt die Behörde in Hamburg heute als Aushängeschild | |
deutscher Willkommenskultur. | |
Das Welcome Center ist im Grunde nur eine Ausländerbehörde. Doch anders als | |
bei den anderen, größeren Zweigstellen in der Stadt steht hier niemand um | |
fünf Uhr morgens in der Schlange. Hier zieht kein Besucher eine Nummer. Die | |
Gäste nehmen in blauen Sesseln Platz, bis ein Sachbearbeiter wie Christian | |
Steimker an ihre Seite tritt. | |
Steimker ist ein großer Mann in plüschigem Pulli. Er fragt: „What can I do | |
for you?“ Neben der Aufenthaltsgenehmigung vermittelt er Wohnungen, | |
Schulen, Sportkurse. Seine Kundschaft kommt aus aller Welt, aus allen | |
Berufsgruppen. Nur eines hat sie gemeinsam: ein Jahreseinkommen über 30.000 | |
Euro. | |
## Bundesweites Modellprojekt | |
Als die Migrationsbeauftragte der Regierung, Maria Böhmer (CDU), im | |
vergangenen Sommer Hamburg besuchte, lobte sie das Konzept in den höchsten | |
Tönen. Dass sich hoch qualifizierte Migranten in Hamburg nicht mehr an | |
herkömmliche Ausländerämter wenden müssen, zeige, dass Deutschland „jeden | |
willkommen heißt, der sich bei uns einbringen möchte“. | |
Die Hamburger Behörde gilt mittlerweile bundesweit als Modellprojekt. | |
Städte wie Greifswald, Köln oder Dresden haben ihre Ämter in den | |
vergangenen Jahren ebenfalls stärker auf hoch qualifizierte Zuwanderer | |
ausgerichtet, Essen eröffnet im Herbst sein eigenes „Welcome Service“ | |
Center. Dort war Birte Steller im Juni, um ihr Konzept zu erklären. | |
Essens englischsprachige Mitarbeiter sollen zwar auch den | |
„Integrationsengagierten und noch nicht Integrationsengagierten“ erklären, | |
an welche Behörde sie sich wenden müssen, sagt Sprecher Stefan Schulze. Um | |
Flüchtlinge und Asylbewerber aber kümmert sich hier, wie in Hamburg, | |
weiterhin die zentrale Ausländerbehörde. | |
Diese Häuser seien allerdings „Ordnungsbehörden, deren Aufgabenverständnis | |
sich lange Zeit an den Vorgaben der Zuwanderungsbegrenzung auszurichten | |
hatte“, kritisiert der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für | |
Integration und Migration. Er hat 2009 untersucht, wie sich Hamburg, Berlin | |
und Frankfurt um ausländische Fachkräfte bemühen. Überall setzten die | |
Städte auf das Rezept der „Trennung zwischen verschiedenen | |
Zuwanderergruppen“, so das Gremium. Migranten, die nicht in den Genuss | |
eines Welcome Centers kamen, klagen deshalb noch immer über die „nahezu | |
ausschließliche Verwendung der deutschen Sprache in den Ausländerbehörden“. | |
## „Nützliche und unnütze Einwanderer“ | |
Die Idee der deutschen Welcome Center entstand im Integrationsbeirat der | |
Bundesregierung. Verantwortlich dafür war Heinrich Alt aus dem Vorstand der | |
Bundesagentur für Arbeit. Heute beobachtet er die Komfortzonen für gut | |
qualifizierter Ausländer mit Sorge: Er sehe „die Gefahr einer | |
Zwei-Klassen-Willkommenskultur“, sagt Alt. | |
Diese Bedenken teilt die Opposition. Die innenpolitische Sprecherin der | |
Linken, Ulla Jelpke, lehnt die „Unterteilung in nützliche und unnütze | |
Zuwanderer“ ab, „auch Flüchtlinge bringen Qualifikationen mit“. | |
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) entgegnet, die Aufnahme | |
beider Gruppen erfolge „nach völlig unterschiedlichen Verfahren, die | |
miteinander nicht vergleichbar sind“. | |
Die Stadt Wuppertal sieht das anders. Dort wurde die Ausländerbehörde schon | |
vor vielen Jahren von einem Ordnungsamt zur „Integrationsbehörde“ | |
umgewandelt, die mit Migrantenverbänden und dem Jobcenter zusammenarbeitet. | |
Sie vermittelt Sprachkurse und Freizeitangebote, sogar Wohnungen an | |
Flüchtlinge. „Rundum-Betreuung“, nennt das ihr Leiter Hans-Jürgen Lemmer. | |
Welcome Center nur für Fachkräfte findet er trotzdem gut. „Jeder Schritt, | |
bei dem sich eine Ausländerbehörde öffnet, ist der richtige.“ | |
25 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Kristiana Ludwig | |
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Berlin | |
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