# taz.de -- taz-Serie „Was macht eigentlich…?“ (3): Sonntags ins Museum | |
> Am ersten Sonntag im Monat ist der Eintritt in die meisten Berliner | |
> Museen frei. Der Senat wollte damit kulturelle Teilhabe erleichtern. | |
> Klappt das? | |
Bild: Einmal im Monat kostenlos zu besichtigen: Das Ischtar-Tor im Pergamonmuse… | |
BERLIN taz | Fürs Pergamonmuseum muss man besonders schnell sein. Wer an | |
einem Berliner Museumssonntag das wohl bekannteste Museum der Hauptstadt | |
mit dem berühmten Ischtar-Tor und vielen prähistorischen | |
Ausgrabungsstücken kostenlos besuchen möchte, der sollte in der Nacht | |
zwischen dem letzten Samstag und Sonntag im Monat bereits wenige Minuten | |
nach Mitternacht online ein kostenloses Zeitfensterticket buchen. Versucht | |
man das erst am Nachmittag des ersten möglichen Buchungstages, also des | |
letzten Sonntags im Monat, könnten schon alle Tickets vergeben sein. | |
Seit Juli ist am ersten Sonntag im Monat in den [1][meisten Berliner Museen | |
der Eintritt frei]. Und dieses Angebot wird extrem gut angenommen. Zahlen | |
dazu will die Senatsverwaltung für Kultur teilweise im Januar, teilweise | |
erst im kommenden Sommer vorstellen, wenn die Ergebnisse einer | |
sozialwissenschaftlichen Studie zum Museumssonntag ausgewertet sind. | |
Aber so viel steht für das Haus von Kultursenator Klaus Lederer (Linke) | |
schon nach sechs eintrittsfreien Sonntagen fest: Die Nachfrage nach den | |
kostenlosen Zeitfenstertickets ist riesig, besonders im Pergamonmuseum, dem | |
Neuen Museum, der Neuen Nationalgalerie, dem Deutschen Technikmuseum, dem | |
Museum für Naturkunde und dem Deutschen Historischen Museum. | |
Doch auch kleinere Häuser, die man an diesen Tagen spontan ohne | |
Zeitfensterbuchung gratis besuchen kann, profitieren von der großen | |
Nachfrage. Die Senatsverwaltung nennt als Beispiele das Museumsdorf Düppel, | |
das am ersten Museumssonntag im Juli zu den am besten besuchten Angeboten | |
zählte, aber auch das Werkbundarchiv – Museum der Dinge in Kreuzberg und | |
das Schwule Museum am Tiergarten. | |
Erfahrungen der taz können das bestätigen. Ob die Autorin dieser Zeilen am | |
Museumssonntag mit der [2][Alten Nationalgalerie] ein großes Haus mit | |
Werken von Adolph von Menzel und Caspar David Friedrich besuchte oder das | |
kleine, etwas versteckte [3][Museum Treptow], das auch sonst keine | |
Eintrittsgelder erhebt – voll war es immer. Rappelvoll. Und sehenswert. | |
Im Heimatmuseum Treptow setzt sich eine Dauerausstellung kritisch mit der | |
[4][Ersten Deutschen Kolonialausstellung 1896] auseinander, bei der 106 | |
Menschen aus den deutschen Kolonien im Treptower Park „ausgestellt“ wurden, | |
um begafft zu werden. HistorikerInnen haben viele ihrer Biografien | |
rekonstruiert. Mehrere sind in Berlin verstorben. Anderen fehlte das Geld | |
für die Rückfahrt. Einige haben hier Berlin Familien gegründet oder | |
Handwerksbetriebe geführt. Einer von ihnen hatte im Treptower Park den | |
Spieß umgedreht und sich ein Opernglas gekauft, um damit auf die Menge | |
zurückzugaffen. | |
Im [5][Museum für Kommunikation], für das kein Zeitfensterticket vorab | |
gebucht werden konnte, musste die Autorin an einem Museumssonntag 40 | |
Minuten anstehen. Denn coronabedingt war der Zutritt zu dem Gebäude des | |
früheren Reichspostmuseums wie in allen Museen begrenzt. In dem | |
denkmalgeschützten Gebäude an der Leipziger Straße gab es historische | |
Telekommunikationstechnik zu sehen und Informatives über den Rundfunk in | |
der NS-Zeit zu erfahren. | |
Mit dem eintrittsfreien Museumssonntag wollte Rot-Rot-Grün ein Vorhaben der | |
Koalitionsvereinbarung von 2017 umsetzen: Mehr Menschen sollte die | |
kulturelle Teilhabe ermöglicht werden. Für Familien mit schmalem | |
Einkommen, Studierende oder einkommensschwache FreiberuflerInnen sollte | |
einmal im Monat die finanzielle Hürde für den Besuch eines Museums | |
entfallen. BezieherInnen von bestimmten Transferleistungen können ohnehin | |
den ganzen Monat über einige Museen kostenlos oder zu ermäßigten Preisen | |
besuchen. | |
„Mit niederschwelligen Angeboten, einer verbesserten Aufenthaltsqualität | |
und Willkommenskultur möchten die Häuser NichtbesucherInnen gewinnen und | |
so aktiv gesellschaftliche Teilhabe mitgestalten“, schrieb Kultursenator | |
Klaus Lederer, als das Angebot im Juli startete. Ob aber tatsächlich | |
Menschen erreicht wurden, die sonst mit Museen fremdeln, oder ob eher | |
diejenigen kamen, die ohnehin kulturelle Angebote nutzen, weiß man erst, | |
wenn die Ergebnisse der sozialwissenschaftlichen Studie vorliegen. | |
Den landeseigenen Museen kompensiert das Land an diesen Tagen ausbleibende | |
Eintrittsgelder in Höhe von 1,3 Millionen Euro pro Jahr. Hinzu kommen | |
700.000 Euro für besondere Angebote an den Museumssonntagen: Vorträge von | |
Wissenschaftlern oder Bastelangebote für Kinder. Bundeseigene Museen und | |
Gedenkstätten werden vom Bund dafür unterstützt. | |
Für private Museen gibt es den finanziellen Ausgleich nicht, sodass einige | |
wie die [6][Liebermann-Villa am Wannsee] auch nicht daran teilnehmen. Wer | |
dennoch mit dabei ist wie das [7][Schwule Museum], profitiert vielleicht | |
ein wenig von der Werbung des Senats. Und [8][Gedenkstätten] wie das Haus | |
der Wannseekonferenz oder die Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen stünden | |
nicht auf der Liste des Museumssonntags, weil sie ohnehin gratis besucht | |
werden könnten, heißt es aus der Senatsverwaltung für Kultur. | |
## Humboldt-Forum ab Januar dabei | |
Der neue Senat will die Angebote fortführen. Ab Januar sind auch die | |
Ausstellungen im [9][Humboldt Forum], das erst im Sommer eröffnet wurde, | |
mit dabei. Die [10][Zitadelle Spandau] steht nach einer zweimonatigen Pause | |
auch wieder auf der Angebotsliste, allerdings halbherzig: Eine Führung | |
durch die historische Festungsanlage ist kostenpflichtig. Will man die gut | |
erhaltene Zitadelle im äußersten Westen der Stadt auf eigene Faust | |
erkunden, geht das ohne Eintrittsgeld. Auch Bastelworkshops für Kinder und | |
Familien sind gratis. | |
Auch wenn die Ergebnisse der sozialwissenschaftlichen Studie noch fehlen, | |
fest steht: Es sind überwiegend Berlinerinnen und Berliner, die sich in | |
großer Zahl an den jeweiligen Sonntagen in den Museen tummeln. Große | |
Reisebusse, die Touristen zu den Gratis-Angeboten fahren, stehen kaum vor | |
den Häusern. | |
Das liegt ganz sicher an Corona: Die Touristenströme in die Hauptstadt | |
waren in den vergangenen zwei Jahren deutlich kleiner als bis 2019. | |
Hingegen waren für die HauptstädterInnen die Freizeit- und Kulturangebote | |
in der Stadt im Coronajahr 2021 besonders wertvoll. Und sofern ein neuer | |
Lockdown die Museen nicht zwingt, ihre Türen zu schließen, bleibt gerade in | |
Coronazeiten der Museumssonntag ein wichtiges Freizeitangebot. | |
1 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Erfahrungen-am-freien-Museumssonntag/!5780427 | |
[2] https://www.smb.museum/museen-einrichtungen/alte-nationalgalerie/home/ | |
[3] https://www.museumsportal-berlin.de/de/museen/museum-treptow/ | |
[4] /Ausstellung-zur-Kolonialgeschichte/!5807261 | |
[5] https://www.mfk-berlin.de/ | |
[6] https://liebermann-villa.de/ | |
[7] https://www.schwulesmuseum.de/ | |
[8] https://www.berlin.de/museum/thema/gedenkstaette/ | |
[9] https://www.humboldtforum.org/de?gclid=EAIaIQobChMI-oam2IeJ9QIVB813Ch1-YgQT… | |
[10] https://www.zitadelle-berlin.de/ | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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