# taz.de -- Zurück auf der Bühne: „Alles, was ich mache, ist Gewalt“ | |
> Patrick Wagner war mal erfolgreich mit der Band Surrogat und dem Label | |
> Kitty-Yo, dann war er lange weg. Nun ist er mit der Band Gewalt zurück | |
> und spricht über Scheitern, Angst und Verweigerung. | |
Bild: Noch sitzen sie zivilisiert am Tisch, bald wird's animalisch: Patrick Gru… | |
taz: Herr Wagner, Sie haben sich selbst an die taz gewandt, weil Sie gerne | |
mal über Verweigerung und Depression in der Kunst reden wollten. Warum? | |
Patrick Wagner: Das sind die Dinge, mit denen ich mich mein Leben lang | |
beschäftige. Deshalb gibt es die Band, und deshalb heißt sie „Gewalt“. Die | |
Band könnte aber genauso gut „Angst“ heißen. | |
Mit Ihrer Noiserock-Band Surrogat waren Sie in den 1990ern erfolgreich und | |
mit dem Indie-Label Kitty-Yo noch viel erfolgreicher. Dann gab es plötzlich | |
beide nicht mehr. Woran sind Sie gescheitert? | |
Kitty-Yo habe ich im Streit mit meinem Partner aufgelöst und Surrogat sind | |
einfach verglüht. Ich hab die Musik aus meinem Leben herausgeext, als hätte | |
es sie nie gegeben. Wenn mich jemand danach gefragt hat, bin ich dem | |
ausgewichen. Das hat auch keine Wunde gerissen. Es war, als wäre ich ein | |
anderer Mensch. | |
Ihre Plattenfirma Louisville Records ist dann auch noch den Bach | |
runtergangen. | |
Und mit ihr meine Ehe. Auch das habe ich irgendwie verdrängt. Es hört sich | |
vielleicht plakativ an, aber ich saß dann fünf Jahre lang in meinem Zimmer | |
und habe die Decke angeguckt. Ich habe nichts mehr wirklich versucht. Ich | |
wollte mir mein Versagen selbst bestätigen. | |
Das klingt tatsächlich nach Depression. | |
Unglücklich war ich nicht und habe viel Zeit mit meinem Sohn verbracht. | |
Aber ich hatte immer Jochen Distelmeyer von Blumfeld vor Augen. Der war | |
immer relevant, aber als er Vater wurde, hatte er auf einmal nichts mehr zu | |
sagen. Das wollte ich nie. Ich hatte immer Angst, dass meine Musik nicht | |
gut ist. Ich wollte Wucht haben, nicht selbstreferenziell sein. Wenn es | |
einen selbst durchdringt, durchdringt es auch andere. | |
Haben Sie deshalb dann den Loser-Slam „FuckUp Nights“ nach Berlin geholt, | |
bei dem Unternehmer von ihrem Scheitern erzählen? | |
Da stand ich das erste Mal wieder auf einer Bühne und habe gemerkt, dass | |
ich etwas zu geben habe, auch, wenn es erst einmal nichts mit Musik zu tun | |
hat. | |
Wie sind Sie dann doch wieder zur Musik gekommen? | |
Zuerst habe ich Helen Henfling getroffen. Und weil ich keine Schlagzeuger | |
mochte, habe ich mir für 3,90 Euro eine Drumcomputer-App fürs iPad gekauft. | |
Und dann habe ich nach zwölf Jahren zum ersten Mal den Verstärker wieder | |
aufgedreht und habe einen Schauer gekriegt. Am nächsten Tag habe ich Yelka | |
Wehmeier angerufen. | |
Dahinter steckt also ein klares Konzept? | |
Ich habe immer gesagt: wenn ich wieder eine Band mache, muss die Gewalt | |
heißen. Um mich selbst vor Mittelmäßigkeit zu schützen. Man kann nirgendwo | |
hinschielen, unter dem Namen kann man kein mediokres Stück machen. Es ist | |
von einer gewissen Entschlossenheit durchdrungen, auch bei den Texten. Das | |
ist ein Filter für uns selbst. Wir sind eine Casting-Band, weil ich es | |
unbedingt mit Frauen machen wollte. Wenn eine Band Gewalt heißt, und dann | |
sind das ein paar tätowierte Typen, ist mir das zu klischeebehaftet. Wir | |
kommen in einen Laden und die Leute lachen: „Soso, ihr seid also Gewalt?“ | |
Und dann machen wir Soundcheck, und dann kriegen sie Angst. Wirkliche | |
Angst. Das ist ein toller Moment. | |
Trotzdem sagen Sie, Sie hätten nicht vor, ein Album aufzunehmen. Wollen Sie | |
sich damit den üblichen Verwertungszyklen verweigern? | |
Ich kenne kaum noch jemanden im Pop-Business. Es ist uns auch relativ egal, | |
wie viele Leute zu den Konzerten kommen oder ob es jemand mag. Wir haben | |
nicht den Anspruch, dass das funktionieren soll. Die Tour hat sich von | |
selbst gebucht, weil die Leute das interessant finden. Das ist eher | |
Kunstmäzenatentum. | |
Noiserock hat aber auch gerade Hochkonjunktur, Beispiele sind Friends of | |
Gas, Karies, Human Abfall oder Die Nerven. | |
Mit Surrogat waren wir komplett alleine. Es gab kaum andere Bands, die | |
deutsch gesungen haben und heftig waren. Mir geht es um Heftigkeit, | |
Kompromisslosigkeit, Emotionalität. Damit sind wir nun nicht mehr alleine. | |
Diese jungen Bands kommen ganz vorbehaltlos auf uns zu. Deswegen spielt der | |
Schlagzeuger von Die Nerven bei uns Bongos – obwohl ich Bongo-Hasser bin. | |
Und Max Gruber alias Drangsal hat in unserem letzten Video mitgemacht. | |
Aber Angst haben Sie trotzdem noch? | |
Uns ist wichtig, beim Spielen eine Unsicherheit zu haben. Die Angst soll | |
bleiben, damit keine Routine aufkommt. Die Leute machen sich manchmal | |
richtig Sorgen um mich. Die Leute tanzen, und dann hören sie diese Texte. | |
Und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Kann man das Elend tanzen? | |
Apropos tanzen. Sie sind sonst Sport- und Medienberater. Ist das nicht ein | |
enormer Spagat? | |
Das ist total absurd. Ich mache inzwischen auch Unternehmensberatung. Wenn | |
ich von der Tour zurückkomme, berate ich die Management-Ebene von Audi. | |
Ohne mich zu verstellen! Das ist alles Gewalt, was ich da mache. Die | |
brauchen ein scharfes Schwert. Und das kann ich. | |
Und woher holen Sie all diese Energie? | |
Es gibt die Legende aus der Kitty-Yo-Zeit, dass ich immer ein Päckchen Koks | |
dabei hätte. Das finde ich lustig, denn ich habe mit Drogen so gar nichts | |
am Hut. Meine Energie? Das ist einfach genetisch. | |
25 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Jan Paersch | |
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