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# taz.de -- Berliner Erfolgsevent: Scheitern könnte so schön sein
> Die Berliner Fuckup Night ist auf Tournee und findet erstmals ohne
> Zuschauer und nur im Livestream statt. Sie ist kein Loser-Slam mehr.
Bild: Ist gerade im Moment wieder ein brandaktuelles Thema: Die Firmenpleite
Eine gute Viertelstunde lang sieht man nur ein Fernsehtestbild,
entsprechend überschlagen sich die hämischen Kommentare. Als der Livestream
der [1][Berliner Fuckup Night], die 2014 zum ersten Mal stattfand, sich
daher die Mutter aller Fuckup Nights nennt und am Samstagabend
Corona-bedingt erstmals ohne Publikum aus der Kartoffelhalle in Düsseldorf
sendet, endlich doch beginnt, wird schnell klar: Die technischen Probleme
am Anfang stellen fast noch den charmantesten Moment dieser Veranstaltung
dar.
Die drei gescheiterten Unternehmer, die wie immer zuerst reden und
schließlich miteinander diskutieren, kommen toppräpariert und wohlsortiert
daher. Man gewinnt den Eindruck, hier geht es längst nicht mehr – wie
anfänglich intendiert – um ein Loser-Slam, um Katharsis oder die Schönheit
des Scheiterns an sich, sondern um die glanzvollen Möglichkeiten des
Neustarts, beispielsweise als Unternehmensberater in Sachen Fehlererkennung
und -behebung.
Ins Leben gerufen wurde die Berliner Fuckup Night unter anderem vom Musiker
und Musikmanager Patrick Wagner, der in [2][zwei Bands] mit extremer
Großspurigkeit auffiel und darum breit durch die Medien ging, als er zuerst
mit seiner Plattenfirma [3][Kitty-Yo] und dann mit seiner [4][Plattenfirma
Louisville] an die Wand fuhr. Eine Zeitlang galt Wagner als eine Art
Posterboy der Berliner Coolness, als Prototyp des aus Westdeutschland nach
Berlin geflüchteten Bürgersöhnchens, das hier erstmal nichts als
Möglichkeiten sah.
## Gegen die Arbeitsmoral
Viele Berliner schauten daher genau hin, als er die erste Fuckup Night
initiierte. Sie hofften, dass es ihm um Grundsätzliches gehen möge, um die
Infragestellung unserer Arbeitsmoral beispielsweise oder die lästige
Aufforderung unserer Zeit, allzeit kreativ und flexibel zu sein.
Am Anfang, so hört man, leistete die Fuckup Night das ganz gut. Inzwischen
haben von Commerzbank bis Otto Versand zahlreiche deutsche Unternehmen „My
Fail“ oder „Fall 'n Fail Nights“ installiert; Christian Lindner hat bei
einer Fuckup Night von der Pleite seiner Internetklitsche berichtet. Und
jetzt auch noch die Corona-Krise, nach der sich endgültig kein Mensch mehr
für seine Pleite wird schämen müssen.
Der noch immer grundsympathische Wagner begegnet seinen Gästen am
Samstagabend zwar so einfühlsam wie charmant. Aber er weiß wenig darauf zu
erwidern, als eine der Rednerinnen erzählt, sie sei durch die Krise
leistungsstärker und belastbarer geworden. Wahrscheinlich ist es Zeit, dass
Wagner nun auch seine Fuckup Night für gescheitert erklärt. Und was Neues
anfängt.
26 Apr 2020
## LINKS
[1] /FuckUp-Nights-in-Berlin/!5200640&s=Patrick+Wagner+Louisville/
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[4] /Archiv-Suche/!5146545&s=Patrick+Wagner+Louisville/
## AUTOREN
Susanne Messmer
## TAGS
Scheitern
Insolvenz
Pleite
wochentaz
Rockmusik
Berlin
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