| # taz.de -- Zulassung von Pestiziden wie Glyphosat: Bayer gegen mehr Transparenz | |
| > Der Konzern bekämpft einen Plan der EU-Kommission. Dieser sieht vor, dass | |
| > kritische Forscher Pestizidstudien rechtzeitig überprüfen können. | |
| Bild: Manche Pestizide stehen unter dem Verdacht, Krebs zu verursachen | |
| Berlin taz | Der Chemiekonzern Bayer kämpft gegen einen Plan der | |
| EU-Kommission für mehr Transparenz bei der umstrittenen Zulassung von | |
| Pestiziden und Gentechnik-Pflanzen. Der von dem deutschen Unternehmen | |
| maßgeblich gesteuerte Verband der europäischen Pestizidhersteller Ecpa | |
| lehnt in einem Positionspapier die wichtigsten Punkte eines entsprechenden | |
| [1][Verordnungsentwurfs] ab. | |
| Das Papier sieht zum Beispiel vor, dass die EU-Lebensmittelbehörde (Efsa) | |
| künftig Studien über die Gefährlichkeit eines Wirkstoffes sofort | |
| veröffentlicht, wenn sie diese erhalten hat. Bisher geben die Behörden die | |
| Untersuchungen aus den Zulassungsverfahren nur nach langwierigen Antrags- | |
| oder Gerichtsverfahren heraus. Am Dienstag will der Umweltausschuss des | |
| EU-Parlaments über die Verordnung entscheiden. | |
| Mit dem Entwurf hat die Europäische Kommission auf die Kritik an der | |
| Neuzulassung des meistgenutzten Pestizidwirkstoffs, Glyphosat, im | |
| vergangenen Jahr reagiert. Damals erlaubten die EU-Staaten den | |
| Unkrautvernichter für weitere fünf Jahre, denn die EU-Chemikalienbehörde | |
| Echa und die Efsa hatten den Einsatz von Glyphosat für weitgehend | |
| unbedenklich erklärt. | |
| Sie stützen sich dabei vor allem auf Tierversuchsstudien, die Hersteller | |
| wie die jetzige Bayer-Tochter Monsanto in Auftrag gegeben hatten und der | |
| Öffentlichkeit gegenüber geheim hielten. Die Krebsforschungsagentur der | |
| Weltgesundheitsorganisation dagegen stufte den Wirkstoff als | |
| „wahrscheinlich krebserregend“ ein. | |
| ## Kommission soll selbst Studien beauftragen dürfen | |
| Sie berief sich nur auf öffentlich zugängliche Studienauswertungen, die | |
| auch von unabhängigen Forschern überprüft werden können. All das führte | |
| dazu, dass manche Bürger das Vertrauen in die EU-Zulassungsbehörden | |
| verloren. Mehr als eine Million Menschen unterschrieben deshalb eine | |
| Petition der EU-[2][Bürgerinitiative gegen Glyphosat] für ein neues | |
| Zulassungsverfahren. | |
| Deshalb schlug die Kommission im April vor, dass die Efsa künftig die | |
| Studien ohne Aufforderung frei zugänglich ins Internet stellt. | |
| Umweltorganisationen wie die österreichische Global 2000 [3][begrüßen] das, | |
| auch wenn sie die Ausnahmen im Entwurf etwa für urheberrechtlich | |
| geschütztes Material oder für Geschäftsgeheimnisse wie zum Beispiel | |
| Herstellungsmethoden für zu vage formuliert halten. | |
| Dass die Studien veröffentlicht werden müssen, belegt den Aktivisten | |
| zufolge das Beispiel Glyphosat: Als ein kritischer Wissenschaftler die | |
| Rohdaten für die Einschätzung der EU-Behörden nach langem Hin und Her | |
| endlich einsehen konnte, fand er nach eigenen Angaben mehrere Hinweise auf | |
| ein Krebspotenzial, die die Efsa unterschlagen habe. Doch da hatte diese | |
| ihre Einschätzung schon lange festgelegt und dementierte alles. | |
| Positiv finden viele Umweltschützer an dem Entwurf für die Offenlegung | |
| zudem, dass die EU-Kommission auch selbst Studien beauftragen dürfen soll, | |
| um umstrittene Untersuchungen der Industrie überprüfen zu lassen. | |
| ## Konzerne befürchten politischen Druck | |
| Genau das stößt bei Bayer und seinen Wettbewerbern auf Widerstand. „Die | |
| Verantwortung für die Beauftragung und die Finanzierung von Studien sollte | |
| vollständig bei den Firmen bleiben“, hatte der Konzern in einer | |
| [4][Stellungnahme] schon im März geschrieben, wenige Tage bevor die | |
| Kommission ihren in Grundsätzen bereits bekannten Entwurf offiziell | |
| veröffentlichte. Bayers Verband Ecpa begründet das mit dem Tierschutz, denn | |
| für weitere Tests müssten noch mehr Ratten und Mäuse im Labor sterben. | |
| Die Konzerne fordern auch, dass die Efsa die Studien erst offenlegt, wenn | |
| das erste Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff zugelassen ist. Vorher | |
| befürchten sie „unangemessenen politischen Druck“, der die Unabhängigkeit | |
| der Efsa bedrohe. | |
| Außerdem verlangt der Industrieverband, dass Unternehmen leichter | |
| Informationen zu Geschäftsgeheimnissen erklären können, die die Efsa nicht | |
| veröffentlichen dürfte. Und sie sind nicht damit einverstanden, dass die | |
| Efsa die Studien für jedermann ins Internet stellt. | |
| Sie sollten nicht „veröffentlicht“, sondern nur „kontrolliert offengeleg… | |
| werden, so die Lobbyorganisation. Begründung: Konkurrenten könnten die | |
| teuer erstellten Daten nutzen, um eigene Produkte zuzulassen. | |
| ## Bundesregierung noch unentschieden | |
| Die Greenpeace-Expertin Franziska Achterberg warnt: „Mit so einer Kontrolle | |
| könnten auch unabhängige Wissenschaftler davon abgehalten werden, die | |
| Studien zu verwenden“. Würde die EU alle Wünsche der Industrie erfüllen, | |
| könnten die Unternehmen weiter wichtige Informationen unter Verschluss | |
| halten. | |
| Doch die Koordinatorin des EU-Parlaments für das Thema, die CDU-Abgeordnete | |
| Renate Sommer, hat [5][Änderungsanträge] eingebracht, die der Industrie | |
| entgegenkommen. Ein Beispiel: Wenn die Industrie etwas zum | |
| Geschäftsgeheimnis erklärt, muss sich die Efsa nach dem Willen Sommers so | |
| lange daran halten, bis sie das Gegenteil bewiesen hat. Die Kommission | |
| dagegen will, dass die Beweislast bei den Herstellern liegt. | |
| Wie die Abstimmung im Umweltausschuss am Dienstag ausgeht, ist offen. | |
| Danach entscheidet erst das Plenum, bevor das Parlament mit der Kommission | |
| und dem Rat der Mitgliedsstaaten verhandelt. | |
| Die deutsche Regierung hat sich nach eigenen Angaben noch nicht | |
| entschieden, ob sie für die frühe Veröffentlichung der Studien und die | |
| Beweislast bei den Herstellern ist oder nicht. | |
| ## Fragen der taz blieben unbeantwortet | |
| Kein gutes Zeichen, meint der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Ebner: | |
| „Wenn die Bundesregierung nach über einem Jahr angeblich ihre ‚Beratungen | |
| noch nicht abgeschlossen‘ hat, gehört sie eindeutig zu den Bremsern in | |
| diesem Prozess.“ Und Bayer wird weiter lobbyieren, um dem Projekt die Zähne | |
| zu ziehen. | |
| Dabei gibt sich der Konzern in seiner Öffentlichkeitsarbeit transparent. | |
| „Als führendes Life-Science-Unternehmen nimmt Bayer seine Verantwortung | |
| wahr, transparent über die Sicherheit von Pflanzenschutzmitteln zu | |
| kommunizieren“, lobt sich der Konzern selbst. | |
| „Im Umgang mit der Öffentlichkeit setzen wir auf Dialog, Transparenz und | |
| Zusammenarbeit“, heißt es in der „[6][Ethik-Charta]“ des Unternehmens. | |
| Fragen der taz zum Thema ließ es allerdings unbeantwortet. Auch die, wie | |
| sich die Transparenz-Äußerungen mit dem Lobbying gegen den Vorschlag der | |
| EU-Kommission vereinbaren ließen. | |
| „Wir machen unsere Sicherheitsdaten, die bislang nur von Behörden | |
| eingesehen werden konnten, öffentlich zugänglich“, teilte der Konzern im | |
| Dezember 2017 mit, als er seine „Transparenz-Website“ startete. Nun | |
| kündigte er an, auf der Internetseite auch seine Studien zu Glyphosat zu | |
| veröffentlichen. Aber natürlich nur zu den Bedingungen, die er selbst | |
| festlegt – und sehr spät, denn Glyphosat ist ja schon lange zugelassen. | |
| 23 Nov 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/initiative/1519/publication… | |
| [2] https://ec.europa.eu/germany/news/20171009-buergerinitiative-stop-glyphosat… | |
| [3] /!5495964/ | |
| [4] https://www.cropscience-transparency.bayer.com/-/media/BCS-INTER/WS_Prisma/… | |
| [5] http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FNONSGML… | |
| [6] https://www.bayer.de/de/unsere-werte.aspx | |
| ## AUTOREN | |
| Jost Maurin | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Bayer AG | |
| Schwerpunkt Glyphosat | |
| Schwerpunkt Pestizide | |
| EU-Kommission | |
| Bundesinstitut für Risikobewertung BfR | |
| Schwerpunkt Glyphosat | |
| Schwerpunkt Pestizide | |
| Schwerpunkt Bayer AG | |
| Schwerpunkt Bayer AG | |
| Schwerpunkt Glyphosat | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Plagiatsvorwürfe bei Glyphosat-Zulassung: Bei Monsanto abgeschrieben | |
| Hat das Bundesinstitut für Risikobewertung Angaben von Monsanto bei der | |
| Glyphosat-Zulassung übernommen? Das kritisieren EU-Abgeordnete. | |
| Stellenabbau nach Kauf von Monsanto: Bayer streicht 12.000 Arbeitsplätze | |
| Der größte Teil der Streichungen soll das Geschäft mit dem Pflanzenschutz | |
| und Konzernfunktionen betreffen. Mit dem Betriebsrat gibt es eine | |
| Vereinbarung. | |
| Transparenz bei Pestizidzulassung: Niederlage für Chemiekonzerne | |
| EU-Umweltausschuss will, dass Studien von Pestizid-Herstellern über die | |
| Gefährlichkeit eines Wirkstoffs sofort nach Einreichen öffentlich werden. | |
| Nach taz-Recherche über Pflanzengift: Bayer ändert Aussage zu Glyphosat | |
| Dass 800 Studien ein Krebsrisiko bestreiten, behauptet der Chemiekonzern | |
| jetzt nicht mehr. Die Zahl der Klagen von Glyphosat-Geschädigten steigt | |
| weiter. | |
| Kommentar Bayers Glyphosat-Studien: Gift für Pflanzen und Fakten | |
| Im Umgang mit der Wahrheit erinnert Bayer an Trump. Der Konzern führt mit | |
| seinen Krebsstudien in die Irre und zeigt damit, wie ängstlich er ist. | |
| Glyphosat-Studien und Krebs: Die Tricks der Bayer-AG | |
| Mehr als 800 Studien würden bestätigen, dass das Pestizid nicht Krebs | |
| verursache, behauptet Bayer. Doch nur rund 50 Analysen beschäftigen sich | |
| mit der Frage. |