# taz.de -- Zlatan Ibrahimović beendet Profikarriere: Gottes Rolle | |
> Kein Fußballprofi konnte sich so aufplustern, ohne Häme zu ernten wie | |
> Zlatan Ibrahimović. Er bezeichnete sich als Gott und wurde gefeiert. Zu | |
> Recht? | |
Bild: Fallrückzieher-Tor aus 30 Metern: Ibrahimović am 14. November 2012 gege… | |
Es war ein Tor, so wunderbar, so schön und so verrückt. Ein Tor, wie es die | |
Welt vielleicht nie mehr sehen wird, wie es vielleicht nie mehr eines geben | |
wird. Gott hat es geschossen. Bevor er zu diesem unfassbaren Schuss | |
angesetzt hat, stand er 30 Meter vor dem Tor in halbrechter Position, wie | |
es in der Fußballsprache heißt, an einem Ort auf dem Platz, von dem aus es | |
schier unmöglich ist, ein Tor zu erzielen. Für [1][gewöhnliche Fußballer] | |
jedenfalls. Nicht für Gott. Der hob ab, schwang seine Füße in die Lüfte und | |
katapultierte den Ball ins Tor. | |
Am 14. November 2012 war das. Vier Tore hat Gott in diesem Spiel für | |
Schweden erzielt. Am Ende hieß es in diesem Qualifikationsspiel für die | |
[2][Fußball]-WM 2014 gegen England 4:2 für [3][Schweden]. Das ist längst | |
vergessen. Unvergessen jedoch ist Gottes Tor für die Ewigkeit. Als Zlatan | |
Ibrahimović in diesen Tagen das Ende seiner Karriere als Fußballer | |
verkündet hat, erinnerte sich die Glaubensgemeinschaft des Fußballs an | |
jenen Treffer. Denn das ist Gottes Name: Zlatan Ibrahimović. | |
Jenes Tor, es war echt. Es wird sich auch niemand finden, der abstreiten | |
würde, dass sich hinter der Figur des Zlatan Ibrahimović eine reale Person | |
verbirgt, dass es diesen Fußballer wirklich gegeben hat und dass der heute | |
41 Jahre alte Schwede nun als Fußballpensionär weiterleben wird. | |
Es wird auch Menschen geben, die wissen, wie dieser Mensch hinter der Figur | |
Ibrahimović wirklich ist. Alle anderen kennen die Rolle, die dieser | |
hochbegabte Fußballer gespielt hat. Die Rolle des Egomanen mit dem Hang zu | |
sozialem Engagement, die des Mannschaftssportlers, der auf dem Feld immer | |
wie der Chef auftritt, und die des notorischen Angebers mit jugoslawischen | |
Wurzeln, der es aus einfachsten Verhältnissen in Malmö stammend zu Weltruhm | |
und Reichtum gebracht hat, die Rolle als Gott. | |
## „Ich glaube nur an mich“ | |
Zum Gott hat er sich selbst erklärt. Nicht nur einmal. Da war jener | |
Reporter, der aus Ibrahimović’ Einlassung, nachdem nur der Fußballgott | |
wissen könne, wie das Spiel ausgeht, meinte, dass man den ja schlecht | |
fragen könnte. Was für eine Vorlage für Ibrahimović! „Warum nicht“, soll | |
der gesagt haben, “er steht doch vor Ihnen.“ Ober jener Reporter, der | |
wissen wollte, ob der Stürmer wohl an Gott glaube. | |
Darauf konnte es nur eine Antwort geben: „Ich glaube nur an mich.“ Ja, es | |
wurde gelacht darüber. Aber es war ein anerkennendes Lachen. Es gibt gewiss | |
nur wenige Fußballer, die sich derart aufführen, sich derart aufplustern | |
können, ohne Häme zu ernten. Vielleicht gab es nur den einen, Zlatan | |
Ibrahimović, der von sich sowieso immer nur in der dritten Person | |
gesprochen hat. | |
Als Fußballer sind seine Verdienste unbestritten. Er hat für Ajax | |
Amsterdam, für Juventus Turin, für Inter Mailand, für den FC Barcelona, für | |
Manchester United, Paris Saint-Germain und den AC Mailand gespielt, holte | |
nationale Meistertitel noch und nöcher, hat für sechs verschiedene Klubs in | |
der Champions League Tore geschossen, was außer ihm keinem anderen gelungen | |
ist und hat sogar bei seinem Gastspiel in den fußballerisch noch | |
unterentwickelten USA, wo er für Los Angeles Galaxy aufgelaufen ist, für | |
Schlagzeilen gesorgt. | |
Aber gewonnen hat er die Champions League nie und Weltmeister ist er als | |
Schwede natürlich auch nicht gewesen. Und doch inszenierte er sich Zeit | |
seiner Karriere als Größter aller Zeiten mit einer Attitüde, wie sie einst | |
der Boxer Muhammad Ali an den Tag gelegt hatte. Ihm mag sie zugestanden | |
haben. Aber ihm? | |
Seine Fans mögen im vermittelt haben, dass sie genau das wollten. Sie | |
verehrten nicht nur den Fußball, sie verehrten die Type, als die er sich | |
präsentiert hat, den Gegenentwurf zu all den braven Fußballtypen. Sie | |
mochten, wie er mit seinen Luxuskarossen vor das Trainingsgelände gefahren | |
ist, feierten mit ihm das Geschenk, das er sich selbst zu seinem 40. | |
Geburtstag gemacht hat, einen für ihn persönlich angefertigten Ferrari SF90 | |
Spider im Wert von bescheidenen 465.000 Euro. „Happy Birthday, Zlatan!“, | |
schrieb er dazu auf Instagram und tat dabei so, als würde er sich selbst | |
auch in der dritten Person ansprechen. Statt Verachtung erntete er Liebe | |
für derartige Posts. | |
## Verrückte Aufsteigergeschichte | |
Und den gestandenen Männer, die geweint haben, als er in Mailand seinen | |
Rücktritt erklärt hat, macht es offensichtlich nichts aus, dass sie für | |
einen wie Zlatan Ibrahimović unwürdige Kreaturen sein müssen. Sie stören | |
sich nicht an seinem Luxusgehabe und freuen sich vielleicht sogar an | |
Bildern, die zeigen, wie er sich auf seiner 34 Meter langen Superyacht in | |
der Sonne aalt. Dass sich Ibrahimović im vergangenen Wahlkampf in Italien | |
für Silvio Berlusconis Tiktok-Kampagne hat einspannen lassen, sorgt auch | |
für keinen Aufschrei. Gott und Bunga Bunga? Passt schon. | |
Natürlich ist sie verrückt, diese Aufsteigergeschichte. Mutter Putzfrau, | |
Vater Alkoholiker, Sohn Superstar. Vielleicht ist es diese Biografie, wegen | |
der ihm seine Selbstsucht, sein Machotum, seine ewige Aufschneiderei nicht | |
nur verziehen, warum sie regelrecht gefeiert wird. Jedes Jahr zu | |
Weihnachten über Social Media seinen Fans den Stinkefinger zu zeigen, das | |
kann sich wahrlich nicht jeder erlauben. „Merry ChrizmaZ!“, lautete die | |
Botschaft 2018 auf Instagram zum Bild eines roten Gartenzwergs, der den | |
geneigten Fans den Mittelfinger entgegenstreckte. Das Z, logisch, es steht | |
für Gott. | |
Es ist ein rebellischer Gott. Einer, der macht, was er will, der sich sogar | |
gegen den großen Fußballweisen Pep Guardiola, unter dem er in Barcelona | |
trainiert hat, zur Wehr gesetzt hat. Der sich gewundert hat, wie angepasst | |
seine Kollegen beim ruhmreichen katalonischen Klub waren. „Keiner von den | |
Jungs führte sich auf wie ein Superstar, und das war komisch. Messi, Xavi, | |
Iniesta, die ganze Bande, sie benahmen sich wie Schuljungen“, heißt es in | |
seiner Autobiografie „Ich bin Zlatan“. | |
Ist es das? Ein Superstar muss sich benehmen wie ein Superstar, zeigen, was | |
er hat, der Öffentlichkeit vorspielen, wie geil Reichtum ist, weil geil er | |
selbst seinen Körper findet. Und das kommt an? Und wie! Jetzt ist erst mal | |
Schluss damit. Schluss mit Gott. Gut so. | |
8 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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