| # taz.de -- Wohnungsnot und Gegenmaßnahmen: Sinnloses Steuergeschenk | |
| > Die steuerliche Förderung des Baus von Mietwohnungen allein bringt noch | |
| > keine bezahlbaren Mieten. Dazu ist auch eine Mietpreisgrenze notwendig. | |
| Bild: Sozialer oder asozialer Wohnungsbau? Das ist die Frage. | |
| Berlin taz | Wer erleben wollte, wie hilflos Gesetzgebung bei den | |
| wichtigsten sozialen Fragen sein kann, der musste am Montag nur zur | |
| Anhörung der Sachverständigen im Finanzausschuss des Bundestages gehen. | |
| Thema: die geplante steuerliche Förderung für den Mietwohnungsbau. Der | |
| [1][Gesetzentwurf der Großen Koalition] wurde von den Sachverständigen in | |
| der Luft zerfetzt. | |
| Das Gesetz sehe verbesserte Abschreibungsbedingungen beim Mietwohnungsbau | |
| „im bezahlbaren Mietsegment“ vor, heißt es im Entwurf. Doch Kai Warnecke, | |
| Präsident des Eigentümerverbandes Haus & Grund, räumte ein, dass durch die | |
| vorgesehenen steuerlichen Erleichterungen „keine Wohnung unter zehn Euro“ | |
| Quadratmetermiete nettokalt zusätzlich gebaut werden würde. | |
| Der Entwurf sieht vor, beim Neubau von Mietwohnungen eine auf vier Jahre | |
| befristete steuerliche Sonderabschreibung von jährlich fünf Prozent auf die | |
| Anschaffungs- und Herstellungskosten zu gewähren. Als Grundlage dafür | |
| sollen Baukosten mit maximal 2.000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche geltend | |
| gemacht werden können. Um Luxusbauten zu vermeiden dürfen die Baukosten | |
| zudem 3.000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche nicht übersteigen. Die | |
| Grundstückskosten zählen bei dieser Grenze nicht mit. | |
| Der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, rügte, dass | |
| der Gesetzentwurf keine Mietobergrenze für die steuerlich geförderten | |
| Wohnungen enthalte. Solche Grenzen seien aber „zwingend“ für ein solches | |
| Gesetz, sagte Siebenkotten. Ansonsten würden Investoren in Ballungsgebieten | |
| die hohen marktüblichen Mieten für ihre Neubauwohnungen nehmen. In | |
| [2][Berlin] liegen die Angebotsmieten derzeit im Schnitt bei zehn Euro, in | |
| München bei 16 Euro nettokalt. | |
| ## Besser direkte Zulagen | |
| Bauwirtschaftsexperte Claus Michelsen vom Deutschen Institut für | |
| Wirtschaftsforschung (DIW) warnte vor den „Mitnahmeeffekten“ der | |
| Steuererleichterungen. Auch der Bundesrechnungshof hatte das Gesetz in | |
| einer Stellungnahme kritisiert und davon abgeraten, die Gesetzesinitiative | |
| „weiter zu verfolgen“, wenn sie nicht nachgebessert werde. | |
| Siebenkotten forderte, Mietobergrenzen festzuschreiben, die sich am | |
| sozialen Wohnungsbau oder an der ortsüblichen Vergleichsmiete plus einem | |
| Zuschlag orientieren. Mit solchen Grenzen wäre das Modell für Investoren | |
| aber gänzlich „unattraktiv“, sagten VertreterInnen der | |
| Immobilienwirtschaft. Die Neubaukosten erforderten heutzutage mindestens | |
| eine Nettokaltmiete von zehn Euro, rechnete Warnecke vor. Es sei | |
| „wolkenkuckucksartig“, die Mietpreise im Neubau an die ortsübliche | |
| Vergleichsmiete binden zu wollen, die etwa in Berlin viel niedriger ist. | |
| Der Bundesrechnungshof und Michelsen favorisieren Investitionszulagen | |
| anstelle steuerlicher Erleichterungen. Um direkte, gebundene Finanzhilfen | |
| des Bundes für den sozialen Wohnungsbau in den Ländern zu ermöglichen, ist | |
| eine Grundgesetzänderung erforderlich und auch geplant. Ein Gesetzentwurf | |
| nur zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsbaus war in der vergangenen | |
| Legislaturperiode schon mal gescheitert. | |
| 20 Nov 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/049/1904949.pdf | |
| [2] /Neuer-Bericht-zu-Wohnungsnot/!5423311 | |
| ## AUTOREN | |
| Barbara Dribbusch | |
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