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# taz.de -- Wohnraum in München: Polizei für bedrohtes Haus
> In München-Schwabing stellt die Stadt ein Haus unter Polizeischutz – um
> es vor seinem Eigentümer zu schützen. Der will es abreißen lassen. Aus
> Gier.
Bild: Hat man ein freies Grundstück in München, kommt das einer Lizenz zum Ge…
München taz | Holztreppen, knarzende Dielen, hohe Decken, vielleicht sogar
Stuck – solche Altbauten finden sich in München nicht mehr viele, die
meisten dieser Jugendstilhäuser fielen im Zweiten Weltkrieg den Bomben zum
Opfer. Doch einige gibt es noch. Und umso glücklicher wähnt sich, wer heute
noch in solch einem Haus wohnen darf.
Die Vermieterperspektive freilich ist eine andere: Die Gebäude bieten wenig
Wohnfläche im Verhältnis zur Größe des Grundstücks, auf dem sie stehen. Oft
sitzen darin auch noch widerspenstige alte Mieter mit vergleichsweise
günstigen Mietverträgen. Und wenn es ganz blöd läuft, wird das Haus
irgendwann auch noch unter Denkmalschutz gestellt. Kurzum: Ein solches Haus
ist eine einzige Altlast, die es schnell loszuwerden gilt. Denn hat man
erst mal ein [1][freies Grundstück in München], kommt das einer Lizenz zum
Gelddrucken schon verdächtig nahe.
Beispiel Agnesstraße. Allerbeste Münchner Gegend. Schwabing. Hier hat
Helmut Dietls Filmfigur Franz Münchinger, besser bekannt als „Monaco
Franze“, gewohnt – oder vielmehr seine Gattin, eine wohlsituierte
Antiquitätenhändlerin. Ein paar Blocks weiter ist die Hausnummer 48. Ein
Eckhaus, ganz früher war hier unten mal ein Tante-Emma-Laden drin.
Dieses schöne Haus wird nun von der Polizei bewacht. Wohlgemerkt das Haus,
nicht seine Bewohner. Denn die sind alle schon ausgezogen. Jetzt geht es
nur noch darum, das verwaiste Gebäude vor seinem Eigentümer zu schützen,
sprich: vor der Abrissbirne. Denn nachdem der Eigentümer seine Mieter in
klassischer Manier davon überzeugt hatte, dass sie woanders doch wesentlich
günstiger und ungestörter wohnen könnten, beantragte er den Abbruch des
Hauses.
## Abriss bei Nacht und Nebel
Doch bei diesem Spiel wollten das Landesamt für Denkmalpflege und das
Referat für Stadtplanung und Bauordnung nicht mitmachen. Ersteres trug das
Haus prompt in die Bayerische Denkmalliste ein, Zweiteres untersagte in der
Folge den Abriss. Für jede bauliche Veränderung ist nun die Erlaubnis des
Referats vonnöten.
Man habe jetzt, so teilte die Stadtverwaltung mit, die örtliche
Polizeidienststelle um Amtshilfe gebeten, ungenehmigte Abbrucharbeiten zu
verhindern. Dass dies keine übertriebene Vorbeugungsmaßnahme ist, zeigt ein
[2][Beispiel aus dem Stadtteil Giesing]. Dort wurde vor zwei Jahren quasi
über Nacht widerrechtlich das Uhrmacherhäusl abgerissen. Eines der letzten
Gebäude seiner Art – schon fast 180 Jahre alt und ebenfalls unter
Denkmalschutz.
## Münchner wandten sich an die Stadt
SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter zeigte sich sichtlich erfreut über die
Rettung des Hauses in der Agnesstraße und sprach von einem „Stück
Schwabinger Geschichte“, das nun erhalten bleibe. Viele Münchner hatten
sich in den letzten Tagen an das Stadtoberhaupt mit der Bitte gewandt, den
Abriss des Hauses zu verhindern.
Den bisherigen Mietern bringt das allerdings nichts mehr. Letzte Woche sind
die letzten von ihnen, die Familie Sajko, ausgezogen. Der [3][Münchner
Abendzeitung hatten sie zuvor noch ihre Geschichte erzählt]. Über vier
Generationen wohnten die Sajkos schon in dem Haus. Doch vor zwei Jahren
starb die Vermieterin, die Tochter verkaufte das Haus.
Der neue Eigentümer hob die Mieten an, soll die Bewohner des Hauses mit
unnötigen Baumaßnahmen schikaniert haben. Familie Sajko weigerte sich bis
zum Schluss, das Haus zu verlassen. Doch irgendwann wohnten sie allein in
einem Geisterhaus. „Einmal standen plötzlich alle Wohnungstüren offen“,
erzählte Julia Sajko der Zeitung. Das sei ganz schön unheimlich gewesen.
Schließlich waren auch sie mürbe. Das Haus steht seitdem leer.
8 Nov 2019
## LINKS
[1] /Anders-wohnen-in-Muenchen/!5613229
[2] /Abriss-eines-historischen-Hauses/!5442522
[3] https://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.chancen-stehen-5050-ueber-100-j…
## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
Wohnraum
München
Abriss
Polizei
Mietenprotest
München
Mietendeckel
Selbstverwaltete Wohnprojekte
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