# taz.de -- Anders wohnen in München: Kampfansage an die hohen Mieten | |
> Immer mehr Menschen zieht es nach München und immer teurer wird der | |
> Wohnraum. Auswege aus der Misere bieten alternative Wohnformen. | |
Bild: Zum Feierabend treffen sich Freunde und Bewohner vor dem Haus in der Ligs… | |
MÜNCHEN Brot, wohin man sieht. Große runde Laibe. Auf dem Hocker, auf dem | |
Tresen, auf der Fensterbank. Übrig geblieben vom „offenen Mittagstopf der | |
freien Soliküche München“, die jeden Donnerstag gerettete Lebensmittel zu | |
veganen Menüs aufbereitet. Die Biobäcker der Hofpfisterei unterstützen das | |
Projekt großzügig. Ansonsten steht hier noch ein Klavier, eine | |
Espressomaschine für Profis und Gemüsekisten mit der wöchentlichen Ernte | |
der Solidarischen Landwirtschaft Donihof. | |
„Laden“ nennen sie diesen Raum, der hier vorne zur Straße rausgeht, obwohl | |
es natürlich nicht wirklich einer ist – mehr so eine Mischung aus | |
Veranstaltungsort und offenem Wohnzimmer. Sie, das sind Leute wie die | |
Informatikerin Sabine Herrmann, die Restauratorin Margaretha Eisenhofer und | |
die Ethnologin Maria Beimborn. Zwölf Erwachsene und ein Kind insgesamt. | |
Leute, die in diesem etwas ungewöhnlichen Haus im Münchner Westend wohnen. | |
Das Haus gehört ihnen und doch wieder nicht. Denn was ist schon Besitz? Die | |
Ligsalz8 ist das einzige Haus des Mietshäuser Syndikats in München. | |
München. Wohlgemerkt: Wir reden von einer Stadt, in der die Mieten | |
explodieren, in der die Leute auf die Straße gehen, um für bezahlbaren | |
Wohnraum zu demonstrieren. In der, wie es Natalie Schaller von der | |
Mitbauzentrale formuliert, diejenigen, die in der Stadt wohnen wollen, es | |
sich nicht leisten könnten, aber die, die den Wohnraum nur als reine | |
Geldanlage erwerben, sehr wohl. | |
München sei ein sehr attraktiver Markt, sagt sie, und Wohnen seit der | |
Wirtschaftskrise 2009 eine der wichtigsten Geldanlagen. Der Anstieg der | |
Mieten hat sich jetzt verlangsamt, verkündete erst vergangene Woche der | |
Immobilienverband Deutschland. So was gilt hier schon als frohe Botschaft. | |
Die Mieten steigen zwar noch, aber nicht mehr so schnell. In Zahlen heißt | |
das: Neubauwohnungen werden für durchschnittlich 19 Euro vermietet, | |
Bestandswohnungen für 17 Euro. | |
Immobilienverband vermeldet langsameren Mietanstieg | |
Von einem „Sensatiönchen“ schrieb die Süddeutsche Zeitung mittelprächtig | |
begeistert. Auch Immobilien sind in Bayern so teuer wie noch nie. Wer heute | |
ein Haus, eine Wohnung oder Baugrund erwirbt, zahlt dafür doppelt so viel | |
wie noch vor zehn Jahren, also etwa zu dem Zeitpunkt, als Sabine Herrmann & | |
Co. das Haus in der Ligsalzstraße gekauft haben.Ligsalz – ausgerechnet. | |
Nach einer alten Münchner Patrizierfamilie ist die Straße benannt. | |
Schon das kunterbunte Wandbild unterscheidet die Fassade von Haus Nummer 8 | |
von den Nachbarn. Viel ist allerdings schon nicht mehr von ihm zu sehen. | |
Der Blauregen fordert seinen Tribut. Seit 2008 sind die drei WGs in der | |
Ligsalz8 bewohnt. Davor haben die künftigen Bewohner das altersschwache | |
Häuschen für 510.000 Euro gekauft, ein Jahr lang saniert und noch zwei | |
Stockwerke obendrauf setzen lassen. | |
Der Clou an der Sache: Die Gruppe hat zwar viel Enthusiasmus und | |
Eigeninitiative mitgebracht – aber kein Geld. Eigenkapital? Total | |
Achtziger. Wohnen, Leben, Gemeinschaft, das muss sowieso alles anders | |
werden, dachten sie und machten den Anfang. „Wir wollten halt ein Haus, das | |
auch sicher als Wohnprojekt erhalten bleibt“, erklärt Herrmann, die schon | |
in der Gründungsphase dabei war. „Deshalb fanden wir das Mietshäuser | |
Syndikat vom Konzept her sehr gut.“ | |
Das Konzept der Freiburger Initiative sieht vor, Häuser aus dem freien | |
Wohnungsmarkt herauszukaufen. Auf der einen Seite ist dann der Hausverein, | |
in dem sich die Bewohner zusammengeschlossen haben, auf der anderen Seite | |
das Syndikat. Gemeinsam gründen sie eine GmbH, der wiederum das Haus | |
gehört. Das Syndikat, das seinerseits der Gesamtheit der Hausvereine | |
gehört, hält sich zwar aus den meisten Entscheidungen raus, verhindert | |
allerdings durch sein Veto, dass ein Haus wieder verkauft wird. | |
Hauskauf mit Krediten von der Bank und des Syndikats | |
144 Projekte hat das Syndikat deutschlandweit bereits realisiert. Gekauft | |
wird ein Haus dabei immer auf Pump – zum einen mit Direktkrediten von | |
Sympathisanten der Idee, zum anderen mit einem klassischen Bankdarlehen. | |
Dieses abzubezahlen und den privaten Kreditgebern eine Dividende zukommen | |
zu lassen, dazu dient die Miete der Hausbewohner. In der Ligsalz8 sind es | |
im Schnitt 365 Euro für ein WG-Zimmer von rund 15 Quadratmetern. | |
Doch die Miete ist solidarisch, jeder zahlt so viel, wie er kann und will. | |
Hauptsache, am Ende kommt der nötige Gesamtbetrag zusammen. Herrmann sitzt | |
mit ein paar ihrer Mitbewohner im kleinen Hinterhof des Hauses. Dort haben | |
sie sich einen Tisch aufgestellt, einen runden. „Die Idee ist, dass es | |
keinen Besitz mehr gibt“, sagt die 54-Jährige. „Dass niemand sagt, mir | |
gehört das Haus. Sondern: Uns gehört das Haus, solange wir da drin wohnen.“ | |
Die Direktkredite aufzutreiben ist dabei gar nicht so schwierig. 46 private | |
Geldgeber haben sich an dem Projekt beteiligt; wenn einer aussteigt, wird | |
umgeschuldet. „Im Grunde haben wir mehr Angebote als wir brauchen“, sagt | |
Margaretha Eisenhofer, mit 58 die älteste Bewohnerin. „Für viele ist das | |
eine interessante Anlage, weil sie wissen, was mit dem Geld passiert. Wenn | |
sie es der Bank geben, wissen sie nicht, was damit alles finanziert wird.“ | |
Es sind Projekte wie diese, die auf originelle Art bezahlbaren Wohnraum in | |
München schaffen wollen. Braucht es nur ein bisschen Mut und Kreativität, | |
um der Wohnmisere zu trotzen? Oder bleibt das Wohnen in dieser Stadt | |
künftig denen vorbehalten, die das unverschämte Glück eines alten | |
Mietvertrags oder einer geerbten Eigentumswohnung haben? Oder ein prall | |
gefülltes Bankkonto. | |
Mehr Angebote privater Geldgeber als nötig | |
Vielleicht muss man es einfach so machen wie Tommy Schmidt – sich mit vier | |
Quadratmeter Wohnfläche begnügen und alles andere auslagern: Zu Hause | |
schläft man, für den Rest geht man nach draußen: Auswärts essen, im | |
Fitnessstudio duschen. Mit der eingesparten Miete ist das alles drin, | |
bewies Schmidt im Eigenversuch vor ein paar Jahren. Der Trend geht | |
tatsächlich zur Reduktion, Tiny Houses heißt das dann. | |
Obersendling. Ein Kiesplatz. Lkws, Bauwagen, Anhänger, Container – alles | |
steht hier kreuz und quer herum – und wird bewohnt. Auch so eine Art Tiny | |
Houses, bloß auf Rädern. Mitten auf de Platz ein Trampolin, daneben ein | |
Swimmingpool. Außerdem jede Menge An-, Auf- und Umbauten, Terrassen, | |
Veranden, Wintergärten. Ein bisschen Freiluftrumpelkammer, ein bisschen | |
romantische Hippie-Idylle. Martin Lidl hat seinen alten Zirkuswagen mittels | |
einer Holzkonstruktion mit dem Wagen seiner Frau verbunden. | |
Daneben hat der Musiker auch gleich noch ein Türmchen errichtet und sich | |
dort oben ein Studio eingerichtet. Lidl ist einer von 20 Erwachsenen und | |
ein paar Kindern, die hier wohnen. Eine recht bunte Mischung: Ein Tischler, | |
eine Lehrerin, ein Tontechniker, eine Sprachtherapeutin, ein Goldschmied, | |
eine Kindergärtnerin, ein Stadtführer und, und, und … Stattpark Olga nennen | |
sie ihre Wagenburg im Süden Münchens. | |
Wagenburg? Nein, das Wort hört man hier gar nicht gern. Schließlich wollen | |
sich die Olga-Bewohner nicht abschotten, sondern öffnen, in Kontakt mit dem | |
Stadtviertel treten. So begrüßt denn auch Besucher wie Passanten gleich an | |
der Straße ein „Umsonstladen“, aus dem man nimmt, was man braucht, in den | |
man tut, was man nicht mehr braucht. Henning Mankell, Karl May, Stefan | |
Zweig warten hier auf neue Leser, eine alte Brotschneidemaschine auf | |
bessere Zeiten. | |
Leben ohne fließend Wasser und in steter Ungewissheit | |
„Um die Frage gleich vorwegzunehmen“, sagt Jens und öffnet die Tür eines | |
kleinen Bauwagens: „Hier duschen wir. Das ist unser Sani-Wagen.“ Denn das, | |
erzählt Jens, sei immer die erste Frage der Besucher. Der Menschen, die | |
sich nicht vorstellen können, wie jemand freiwillig in einem Bauwagen lebt | |
– wo doch das Klo in den eigenen vier Wänden zu den größten | |
Errungenschaften unserer Zivilisation gehört. | |
Ihnen zeigt Jens dann alles, den Saniwagen, das Kompostklo, die | |
Wassertanks, die alle paar Tage aus einem nahegelegenen Hydranten befüllt | |
werden müssen, die Kanister mit dem Trinkwasser … Jens, 41, ist studierter | |
Fahrzeugingenieur, zurzeit macht er einen Bürojob, 30 Stunden die Woche. | |
Mit vollem Namen will er nicht genannt werden, es gebe immer noch viele | |
Klischees, Vorbehalte gegen die Wagenszene. Er selbst vermisse den Luxus | |
nicht. | |
„Ich stehe total auf diesen direkten Bezug zum Leben. Ich schlepp’ mein | |
Wasser, ich muss mit meinem Holzofen einheizen. Wenn ich mal längere Zeit | |
in einer Wohnung bin, hab’ ich das Gefühl, mir ist ein Sinn abgeschnitten | |
worden.“ 2007 ist Olga gegründet worden. Jens ist seit Anfang an dabei, | |
wohnt mit seinen drei Kindern auf dem Platz, die beiden jüngeren kennen das | |
Leben nur im Wagen. Olga ist einer von zwei Münchner Wagenparks auf | |
städtischem Grund. | |
Aber die Bewohner müssen immer wieder zittern; viermal schon musste der | |
Park umziehen, nie ist sicher, dass die Gruppe einen neuen Platz angeboten | |
bekommt. Auch wenn ihnen zuletzt sogar Oberbürgermeister Dieter Reiter | |
höchstpersönlich versicherte: „Euch muss es genauso selbstverständlich | |
geben wie denjenigen, der sich für 20.000 Euro pro Quadratmeter eine | |
Dachgeschosswohnung kauft.“ | |
„Geld spielt bei uns eine untergeordnete Rolle“ | |
Dennoch: Monatelange Verhandlungen gingen bis jetzt jedem Angebot voraus. | |
In anderthalb Jahren müssen sie auch hier weg. Dann wird auf dem Grundstück | |
eine Schule gebaut. Macht das Leben auf Rädern bei aller Unsicherheit das | |
Wohnen in einer Stadt wie München zumindest bezahlbar? „Geld spielt bei uns | |
eine untergeordnete Rolle“, sagt Jens. Dennoch gibt er zu: „Unser | |
Lebensstil würde nicht funktionieren, wenn wir eine Wohnung mieten | |
müssten.“ | |
Die Olgas haben sich eine Obergrenze von 20 Erwachsenen gesetzt. Letzter | |
Neuzugang ist Nico, 18 Jahre, Kapuzenpulli, blau-grüne Haare. Als Kind hat | |
er schon einmal hier gewohnt, er ist der Sohn von Martin Lidl. Jetzt sitzt | |
er in seinem Wohnwagen und erzählt von der Zeit, die er da draußen | |
verbracht hat, in der Welt der abgeschlossenen Wohnungen. „Ich hab’ mich | |
einsam gefühlt, deshalb bin ich zurückgekommen. | |
Ein Hochbett, zwei Stühle, ein Gitarrenkoffer und die Stereoanlage – viel | |
mehr passt in Nicos Wagen nicht rein. Aber begehrt man als Jugendlicher | |
nicht klassischerweise auf gegen die Eltern, probiert neue Lebensstile? | |
Nein, sagt Nico. „Wieso sollte ich rebellieren, wenn meine Eltern schon die | |
Rebellen sind?“ In seinem Wagen hat er ein Tuch aufgehängt, darauf das | |
Konterfei von Jimi Hendrix. Nicht, dass das alles leicht wäre. | |
„Eine neue Sehnsucht nach Gemeinschaft“ konstatierte jüngst zwar die Zeit, | |
aber gemeinschaftliche Wohnformen fordern ihre Mitglieder. Da ist die | |
ständige Spannung zwischen Privatsphäre und Individualität auf der einen | |
und dem Kollektiv, der Notwendigkeit des Kompromisses auf der anderen | |
Seite. So haben die alternativen Wohnformen fast alle eines gemeinsam: das | |
Plenum. Es ist der Ort der Gemeinschaft, der Kompromisse, aber auch der | |
Platz, auf dem die Kämpfe ausgefochten werden. | |
Spannung zwischen Privatsphäre und Kollektiv | |
„Wir diskutieren unsere Meinungen schon auch manchmal sehr undiplomatisch | |
aus“, sagt Ligsalz8-Bewohnerin Maria Beimborn. Dann geht es um | |
Verantwortung im allgemeinen oder die Biotonne im speziellen. Und bei Olga | |
streitet man sich derweil zum x-ten Mal darüber, ob der Wagenpark nun seine | |
Facebookseite löschen soll. Gemeinschaft braucht Nerven. „Aber“, sagt Jens. | |
„Es wird bei uns nie physische Gewalt angewendet.“ Immerhin. | |
Dabei ist es gerade für eine Singlestadt wie München ein wichtiger Trend, | |
dass immer mehr Leute in Wohnprojekten wohnen, sagt Natalie Schaller von | |
der Mitbauzentrale. „Solche Projekte beugen der Vereinzelung vor und | |
ermöglichen Menschen, die alleine wohnen, trotzdem in einer ungezwungenen | |
Gemeinschaft zu leben, an der sie teilnehmen können, aber nicht müssen.“ | |
Sie und ihr Mann haben vor 15 Jahren den Weg über eine Baugemeinschaft | |
gewählt. So kamen sie zu einer Eigentumswohnung, die sie sich sonst in | |
München nicht hätten leisten können. Ausschlaggebend war die Suche nach | |
bezahlbarem und sicherem Wohnraum, Schlüsselerlebnis eine vorausgegangene | |
Eigenbedarfskündigung. „Wie toll das aber ist, wenn man seine Nachbarn dann | |
in so einem Planungsprozess kennenlernt, davon hatten wir damals keine | |
Ahnung. | |
Das war für uns nicht das Wesentliche, heute ist es aber das, was ich mit | |
am meisten schätze.“ Als kleines Dorf betrachtet sie heute ihre | |
Nachbarschaft – „wo es normal ist, wenn die Kinder mit dem Schlafsack | |
durchs Haus laufen, und wo man nicht nur möglichst schnell in seine Wohnung | |
möchte, wenn man die Haustür aufschließt, sondern sich freut, wenn man | |
jemanden trifft und ins Ratschen kommt …“ | |
Wohnen in Gemeinschaft als Mittel gegen Vereinsamung | |
Ihre Erfahrungen kann Schaller inzwischen auch in ihren Beruf einbringen. | |
Als Projektleiterin der Mitbauzentrale berät sie im Auftrag der Stadt | |
Genossenschaften und Baugemeinschaften, die städtischen Grund erwerben und | |
darauf bauen wollen. „Das hier ist Australien. Jetzt geht’s nach Asien“, | |
sagt Rut-Maria Gollan, als ob der Interkontinentaltrip eine Kleinigkeit | |
sei. Die Erdteile sind in Wirklichkeit die Namen der fünf mit Brücken | |
verbundenen Häuser des Wohnprojekts WagnisArt im Münchner Domagkpark. | |
Früher war hier die Funkkaserne. Gollan wohnt mit ihrer Familie in | |
Australien, aber jetzt will sie noch schnell rüber nach Asien auf die | |
Dachterrasse. WagnisArt ist eines von mittlerweile sechs Projekten der | |
Genossenschaft Wagnis und sicherlich das, das die meiste Aufmerksamkeit und | |
die meisten Preise bekommen hat. Das fängt natürlich schon bei der | |
Architektur an, von hier oben sieht man es besonders gut. | |
Gollan, 38, gelernte Architektin und seit drei Jahren im Vorstand der | |
Genossenschaft, zeigt die fünf mehreckigen Gebäudeteile, zwischen denen | |
sich zwei Höfe erstrecken. Passivhäuser. Der Strom kommt, wenn es das | |
Wetter zulässt, aus der Photovoltaikanlage. Rund 200 Erwachsene und 130 | |
Kinder wohnen hier seit der Fertigstellung 2016, die Älteste ist 80 Jahre | |
alt, die Jüngsten gerade erst ein paar Wochen. Jeder Bewohner hat im | |
Schnitt rund 30 Quadratmeter Wohnfläche. | |
Klingt wenig, fühlt sich aber, so versichert Gollan, überhaupt nicht wenig | |
an. Denn neben der eigenen Wohnung haben alle Bewohner Zugang zu diversen | |
Gemeinschaftsflächen. So gibt es vier Musikübungsräume, ein | |
Gemeinschaftsatelier, eine Werkstatt, ein Waschcafé, eine Nähstube, Räume | |
für Seminare oder Partys, zwei Gästeappartements, eine Boulderhöhle, eine | |
Sauna, einen Veranstaltungssaal und ein Gasthaus. | |
Weniger für die einzelnen, mehr für alle | |
„Was wir nicht wollten, ist einfach nur eine schöne Schlafstadt“, sagt | |
Gollan. Aber natürlich geht es auch darum, bezahlbaren Wohnraum zu | |
schaffen. Wagnis ist eine der sogenannten jungen Genossenschaften, die sich | |
seit den Neunzigern in München gegründet haben und sich auf den Neubau von | |
Wohnungen konzentrieren. Finanziert werden die Projekte mit Einlagen der | |
Genossen, die in ihnen wohnen, Anteilen von weiteren Genossen, städtischen | |
Förderungen und klassischen Bankdarlehen. | |
Heißt im Endeffekt: Keiner zahlt hier mehr als 13 Euro Miete pro | |
Quadratmeter. „Die Straße hier runter, da zahlen die Leute zwischen 18 und | |
25 Euro.“ Muss das Konzept des Wohnens komplett neu gedacht werden? Muss | |
Wohnraum ganz anders aufgeteilt werden? Für jeden weniger, aber dafür für | |
alle mehr? Ob Waschmaschine, Stichsäge oder eben auch das Auto? Braucht | |
jeder einzelne das alles? Bei WagnisArt haben sie ein Carsharing-Angebot in | |
der eigenen Garage. Platzsparen heißt die Devise. | |
„Viele Münchner verbrauchen mehr Fläche, als sie müssten“, sagt Natalie | |
Schaller, „weil sie aus ihrer Wohnsituation nicht rauskönnen. Wenn ich | |
heute in eine kleinere Wohnung ziehe, zahle ich mehr als in meiner großen | |
Wohnung, da bleibe ich natürlich da.“ Man spreche schon von einem | |
„Lock-in-Effekt“, auch wenn beispielsweise Kinder gezwungenermaßen bei den | |
Eltern wohnen blieben, oder sich Paare trennten, aber trotzdem weiterhin | |
zusammen wohnten. | |
Sabine Herrmann aus der Ligsalz8 hat sich inzwischen schon einer weiteren | |
Initiative angeschlossen. Die möchte ein zweites Syndikatsmiethaus in | |
München bauen. Seit vier Jahren. Mit der Stadt steht man in Verhandlungen. | |
Es geht voran, langsam. „El Caracol“ heißt das Projekt – „die Schnecke… | |
28 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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