# taz.de -- Wie es Künstlerinnen in Berlin ergeht: Schlusslicht in Gendergerec… | |
> Künstlerinnen in Berlin verdienen weniger und werden auch sonst | |
> benachteiligt. Das sagt eine Studie, die gerade international diskutiert | |
> wird. | |
Bild: Positions Art Fair, wie sie sich während der Berlin Art Week 2017 zeigte | |
[1][Die Studie des Instituts für Strategieentwicklung (IFSE)] zur Situation | |
der Gegenwartskunst in Berlin wurde schon im April veröffentlicht, aber | |
jetzt schlägt sie international Wellen. Pünktlich zum Beginn des | |
Kunstherbstes und der Berlin Art Week vom 26. bis 30. September. Die Studie | |
kratzt an der Reputation der Hauptstadt, für Künstler und Künstlerinnen ein | |
großartiger Ort zum Leben und Arbeiten zu sein. | |
[2][Wie in der taz schon im April berichtet] steht die Frage nach einer | |
strukturellen Benachteiligung von Künstlerinnen im Zentrum der | |
Untersuchung. Sie sind nicht nur unterrepräsentiert, sondern auch | |
unterbezahlt. Wenig verwunderlich, hat ein Drittel der Künstlerinnen | |
Erfahrung mit sexueller Belästigung gemacht. #MeToo hat hier nie gegriffen, | |
notorische Nötiger wurden nie benannt. | |
All das wurde letzte Woche nun auch international bekannt, als die Studie | |
in einer englischen Übersetzung veröffentlicht und vom Londoner | |
Kunstmagazin „Frieze“ gleich als [3][der „heimliche Skandal der Berliner | |
Kunstwelt“] apostrophiert wurde. In New York sprach [4][artnet News] von | |
schockierenden Zahlen. | |
Und die besagen, dass Künstlerinnen durchschnittlich 28 Prozent weniger | |
verdienen als Künstler, die 22 Prozent mehr Einzelausstellungen haben. | |
Spitzenwerte lieferte das Gallery Weekend in diesem Frühjahr, wo Künstler | |
40 Prozent mehr Einzelausstellungen hatten als Künstlerinnen. | |
## Für Reiche mindert weibliche Urheberschaft den Wert | |
Das könnte übrigens daran gelegen haben, dass die reichen Sammler*innen in | |
der Stadt waren. Reiche Menschen, sagt eine andere Studie, die von Ökonomen | |
stammt und den Titel [5][“Is Gender in the Eye of the Beholder?“] trägt, | |
schätzen den Wert eines Kunstwerks stets niedriger ein, sobald sie wissen, | |
dass es von einer Künstlerin stammt. Wenn Galeristen dieser ihrer Klientel | |
Künstler und nicht Künstlerinnen präsentieren, machen sie nicht nur die | |
besseren Geschäfte, sie erweisen ihrer Klientel in deren Augen auch noch | |
höhere Wertschätzung. | |
Es wäre also Zeit sich auch unter diesem Gesichtspunkt mal genauer mit | |
reichen Menschen zu befassen. Dass der Berliner Kunst- und Kulturbetrieb zu | |
weiß und zu männlich ist, bestreitet auch Maike Cruse nicht. Sie ist als | |
Frau für die zwei wichtigsten Kunstmarkt-Events in Berlin verantwortlich, | |
das Gallery Weekend und die Berlin Art Week. Sie sagt im Gespräch, dass die | |
Zahl „40 Prozent mehr Einzelausstellungen für Männer auf dem Gallery | |
Weekend“ irreführend sei. Tatsächlich stammten die Einzelausstellungen zu | |
60 Prozent von Männern und 40 Prozent von Frauen. | |
Und sie gab zu bedenken, dass gegen eine Schlusslichtposition Berlins bei | |
der Geschlechterfrage andere Befunde der IFSE Studie sprächen. In der Zeit | |
zwischen 2007 und 2014 konnten für das Museum of Modern Art 20 Prozent | |
Einzelausstellungen mit Künstlerinnen festgestellt werden. Für das | |
Guggenheim Museum betrug der Anteil 25 Prozent. Nur das Whiteny Museum of | |
American Art kam mit 29 Prozent an die Marke des Hamburger Bahnhofs und der | |
Berlinischen Galerie heran. Beide bestritten in dieser Zeit 30 Prozent | |
ihrer Einzelausstellungen mit Künstlerinnen. | |
Trotzdem muss die Studie Ansporn sein, die Situation für Künstler*innen zu | |
verbessern. Immerhin für die Berlin Art Week positionieren sich Galerien | |
wie Esther Schipper und Sprüth Magers deutlich feminin: Schipper zeigt eine | |
Einzelausstellung mit Karin Sander, Sprüth Magers eine all women show mit | |
den von ihrem Haus vertreten Künstlerinnen. Sprüth Mager haben davon eine | |
Menge, wie die Künstlerliste zeigt, auf der Rosemarie Trockel, Cindy | |
Sherman, Hanne Darboven, Sylvie Fleury, Jenny Holzer, Barbara Kruger und | |
noch weitere zehn Künstlerinnen stehen. | |
Wie zu sehen ist, führt die Existenz von Galeristinnen schon mal zu | |
strukturellen Veränderungen. Und genauso auf Künstlerinnen zu setzen wie | |
auf Künstler scheint dann doch nicht zu schaden. Beide Galerien spielen in | |
der internationalen Liga. | |
28 Aug 2018 | |
## LINKS | |
[1] http://www.ifse.de/uploads/media/IFSE_Studio-Berlin-III-EN.pdf | |
[2] /Berliner-Wochenkommentar-II/!5499196 | |
[3] https://frieze.com/article/berlin-art-worlds-hidden-scandal-sexual-harassme… | |
[4] https://news.artnet.com/art-world/berlin-artists-study-gender-gap-1335065?u… | |
[5] https://ssrn.com/abstract=3083500 | |
## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
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