| # taz.de -- Wallstreet und die Kohle: ÖkoRock? | |
| > BlackRock, der größte Vermögensverwalter der Welt, tüncht sich grün. | |
| > Warum die Klimabewegung jubelt, obwohl die Ankündigung Schlupflöcher hat. | |
| Bild: BlackRock will Kohlepapiere abstoßen | |
| Berlin taz | Larry Fink ist der wahrscheinlich mächtigste Mann der | |
| Wallstreet: Er ist Chef von BlackRock, dem größten Finanzverwalter des | |
| Globus. Seine Einschätzungen bewegen die Finanzwelt. Und deshalb dürfte | |
| das, was er [1][am Dienstag veröffentlichte], erhebliche Auswirkungen | |
| haben: „Das Bewusstsein ändert sich rasant, und ich bin überzeugt, dass wir | |
| vor einer fundamentalen Umgestaltung der Finanzwelt stehen“, schrieb Fink | |
| in einem „CEO-Letter“. | |
| Für ein Unternehmen, das im Auftrag seiner Kund*innen weltweit 7 Billionen | |
| Dollar in alles anlegt, was profitabel sein könnte, ist das geradezu eine | |
| Neudefinition des Kapitalismus: „Das Bewusstsein“, nicht Quartalsberichte, | |
| Jahreszahlen, Technologien und deren Effizienz stehen am Ausgangspunkt | |
| eines epochalen Umbruchs. | |
| Fink spricht vom Bewusstsein für die Klimakatastrophe. „Tatsächlich ist der | |
| Klimawandel fast immer das wichtigste Thema bei Gesprächen mit unseren | |
| Kunden überall auf der Welt“, schreibt Fink. Klimarisiken würden Anleger | |
| zwingen, ihre zentralen Annahmen zur modernen Finanzwirtschaft zu | |
| überdenken. | |
| Natürlich will BlackRock mit solchen Sätzen auch sein Image aufpolieren – | |
| und hat auch kein Problem damit, im Auftrag seiner Kund*innen Kampfbomber | |
| oder Fracking zu finanzieren. Unter anderem hat BlackRock [2][laut Welt] 59 | |
| Milliarden Euro in Deutsche DAX-Konzerne, darunter Siemens, investiert. Im | |
| Aufsichtsrat der deutschen Tochter sitzt übrigens ein gewisser Friedrich | |
| Merz. | |
| ## „Klimabewegung hat das Unmögliche geschafft“ | |
| Die Klimabewegung wertete Finks Brief am Mittwoch als großen Erfolg. „Man | |
| kann jetzt mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass die Klimabewegung das | |
| Unmögliche geschafft hat, sie hat die Unbewegbaren bewegt“, [3][schreibt | |
| Brett Fleishman]. Er leitet für die NGO 350.org die zentrale globale | |
| Kampagne, mit der die Klimabewegung die Finanzindustrie zum Umsteuern | |
| bewegen will. Das schien vor einigen Jahren noch undenkbar. | |
| Doch nun ziehen immer mehr große private und öffentliche Banken, | |
| Versicherer und Vermögensverwalter ihr Geld zumindest aus den schmutzigsten | |
| Formen fossiler Energiegewinnung ab. Goldman Sachs will so keine | |
| Ölbohrungen in der Arktis mehr finanzieren. Die größte Investitionsbank der | |
| Welt, die EIB der EU, [4][steigt sogar komplett aus] der Finanzierung | |
| fossiler Energie aus. Für die umstrittene Kohlemine des indischen Konzerns | |
| Adani in Australien fanden sich [5][fast keine privaten Investoren] mehr. | |
| BlackRock ist also getrieben von einer globalen Entwicklung auf allen | |
| Ebenen. Politisch prescht vor allem die EU voran, die es bald zur Pflicht | |
| macht, Anleger*innen nachhaltige Alternativen anzubieten. Ursula von der | |
| Leyens Plan, für ihren [6][Green New Deal] in der EU hunderte Milliarden | |
| Euro privates Kapital zu heben, ist so unrealistisch nicht: Finks Brief ist | |
| nur eine von vielen Stimmen aus der Finanzwelt, nach der Investoren | |
| händeringend nach klimaschonenden Geldanlagen suchen, aber zu wenig davon | |
| finden. | |
| BlackRock ist alles andere als ein Vorreiter, im Gegenteil. Teilweise ist | |
| das, was der Vermögensverwalter als nachhaltig verkauft, reines | |
| Greenwashing. Nur ein Beispiel: Bei Anleger*innen sehr beliebt sind derzeit | |
| sogenannte ETF-Fonds. Das sind Fonds, die bestimme Aktienindizes wie den | |
| DAX oder den Weltaktienindex MSCI World abbilden. Oft werden sie | |
| automatisiert gemanagt und verursachen kaum laufende Kosten. Sie sind ein | |
| Grund für BlackRocks Aufstieg nach der Finanzkrise 2008. | |
| Das Problem dabei ist, dass Anleger*innen damit alle möglichen Unternehmen | |
| kaufen. Deshalb hat BlackRock auch „nachhaltige“ ETFs im Angebot, etwa den | |
| iShares MSCI Europe SRI Ucits ETF EUR Acc. Kauft man den, investiert man | |
| unter anderem in den Ölkonzern Total oder den Lebensmittelgiganten | |
| Unilever. „Wir sind überzeugt, dass Nachhaltigkeit unser neuer | |
| Investmentstandard sein sollte“, schreibt Fink. Aber wer sich mit dem Thema | |
| beschäftigt weiß, dass der Teufel im Detail steckt. | |
| ## Jane Fonda und Joaquin Phoenix demonstrieren | |
| So will Blackrock Wertpapiere von Unternehmen, die „mehr als 25 Prozent | |
| ihrer Umsätze aus der Kohleproduktion erwirtschaften“, aus seinen aktiven | |
| Anlageportfolios eliminieren. Klingt nachhaltig, muss es aber nicht sein. | |
| Clevere Unternehmen lagern dann die Kohleproduktion eben in eine | |
| Tochterfirma aus. Ein „aktives Anlageportfolio“ heißt außerdem, dass | |
| Kohleproduzenten durchaus noch in den passiven ETF-Fonds enthalten sein | |
| können. Und ein Energieversorger, der Strom aus Kohle macht, ist eben auch | |
| kein Kohleproduzent. BlackRocks Öko-Ankündigung enthält gigantische | |
| Schlupflöcher. | |
| Die große US-amerikanische Umweltorganisaiton Sierra Club stellt [7][in | |
| einer Analyse] von „Larry's Letter“ nüchtern fest: BlackRock ist der | |
| weltgrößte Investor in Kohle, Öl, Gas und Waldzerstörung. Die Initiative | |
| „[8][Stop the Money Pipeline“], übersetzt ungefähr „Stoppt den Geldflus… | |
| (für fossile Energien), hat deshalb neben der Großbank JPMorgan Chase und | |
| dem Versicherer Liberty Mutual vor allem BlackRock im Visier. Sie umfasst | |
| diverse bekannte NGOs, unter anderem [9][demonstrierten] vergangene Woche | |
| die Schauspieler*innen Jane Fonda, Martin Sheen and Joaquin Phoenix gegen | |
| die Unternehmen. | |
| Die New York Times sieht Finks Brief dennoch positiv, vor allem weil immer | |
| mehr Unternehmen und Staaten Klimaschutz ernst nehmen. „In diesem Kontext | |
| ist Mr. Finks Move ein Wendepunkt – einer, der eine nationale Debatte in | |
| Finanzwelt und Politik auslösen kann“, [10][schreibt die Zeitung.] | |
| Genau genommen liegt der Ball jetzt im Feld der Politik. Dazu noch mal ein | |
| langes Fink-Zitat: „Eine der wichtigsten Fragen, die sich uns in den | |
| nächsten Jahren stellen wird, ist die zu Ausmaß und Umfang staatlicher | |
| Maßnahmen gegen den Klimawandel. Sie werden ausschlaggebend dafür sein, wie | |
| schnell der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft gelingen kann.“ | |
| Unter anderem sei ein höhere CO2-Preis dafür das geeignete Mittel. | |
| Frei übersetzt heißt das: Wenn die Politik handelt, dann verdienen wir eben | |
| künftig unser Geld mit Klimaschutz. Wenn nicht, dann eben nicht. | |
| 15 Jan 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.blackrock.com/ch/privatanleger/de/larry-fink-ceo-letter | |
| [2] https://www.welt.de/wirtschaft/gallery159306584/So-viele-Anteile-haelt-Blac… | |
| [3] https://350.org/blackrocks-announcement/ | |
| [4] /Neuer-Kurs-der-EU-Investitionsbank/!5642322 | |
| [5] /Carmichael-Kohlemine-in-Australien/!5654891 | |
| [6] /EU-Klimaziele-bis-2050/!5652479 | |
| [7] https://www.larrysletter.com/ | |
| [8] https://www.stopthemoneypipeline.com/ | |
| [9] https://www.democracynow.org/2020/1/13/jane_fonda_fire_drill_fridays_washin… | |
| [10] https://www.nytimes.com/2020/01/14/business/dealbook/larry-fink-blackrock-… | |
| ## AUTOREN | |
| Ingo Arzt | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Finanzmarkt | |
| Schwerpunkt Klimaproteste | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| DAX | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Wachstum | |
| EU-Budget | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Nachhaltigkeit im Finanzwesen: Blackrock gibt weiter Kohle | |
| Der Finanzriese hatte angekündigt, 2020 klimafreundlicher investieren zu | |
| wollen. Kritiker:innen sprechen wegen großer Schlupflöcher von | |
| Greenwashing. | |
| Protest gegen neue Börsenregeln: Atom und Klimakiller weiter im Dax | |
| Nach dem Wirecard-Skandal gibt sich die Deutsche Börse neue Regeln für ihre | |
| Aktienindizes. NGOs sehen darin einen „Rückschritt für Menschenrechte“. | |
| Finanzierung fossiler Energien: Wenn Banken scheitern | |
| Es tut sich etwas, aber immer noch zu wenig. Trotz Klimaschutzrichtlinien | |
| investieren Banken weiterhin Milliarden in fossile Energien. | |
| Proteste vor Siemens-Hauptversammlung: Donner statt Gloria | |
| Das Angebot an Luisa Neubauer, bei Siemens einzusteigen, hat die | |
| Klimaaktivisten nicht ablenken können: Bei der Hauptversammlung wird | |
| protestiert. | |
| Klimawandel und Wachstumsparadigma: Die Krise als Katalysator | |
| Die Katastrophe in Australien ist nicht nur ein Hilferuf der Natur. Sie | |
| zeigt, wie nötig die Abkehr von einer wachstumsorientierten Wirtschaft ist. | |
| EU-Klimaziele bis 2050: Eine Billion Euro, nur woher? | |
| Die EU-Kommission will für die klimaneutrale Wirtschaft eine Menge Geld | |
| investieren. Die Finanzierung ist allerdings noch nicht gesichert. | |
| Grüne Wirtschaft: Bin ich ein Klimakiller? | |
| Wer wo sein Geld investiert, ist zentral für einen ökologischen Umbau der | |
| Wirtschaft. Die Frage ist, wie man mit Anlagen am besten vorgeht. | |
| Klimapolitik und Wirtschaft: „Kapitalismus kann das Klima retten“ | |
| Niemand geht für grüne Ideen ins Risiko, sagt Jochen Wermuth. Der Millionär | |
| über den Atomausstieg, das Finanzsystem und die Bereitschaft zu | |
| Investitionen. |