# taz.de -- Carmichael-Kohlemine in Australien: Kohle wird zum Geschäftsrisiko | |
> In Australien wird ein Kohlevorkommen erschlossen, das bald für 5 Prozent | |
> des CO2-Ausstoßes stehen soll. Vielen Konzernen ist das Geschäft zu | |
> riskant. | |
Bild: Demonstranten protestieren gegen das geplante Kohlebergwerk des indischen… | |
Für Siemens ist es ein Aufträgchen: Der Münchner Konzern will für das | |
indische Unternehmen Adani in Australien eine Eisenbahnstrecke von 200 | |
Kilometern Länge mit Signaltechnik ausstatten. Auf ihr sollen jährlich 40 | |
Millionen Tonnen Kohle von der Carmichael-Mine zum Hafen von Abbot | |
transportiert werden. Siemens macht 87 Milliarden Umsatz im Jahr, das | |
Auftragsvolumen für die Technik soll bei 20 Millionen Euro liegen. | |
Jetzt hat der Konzern wegen dieses Miniprojekts so viel Protest von | |
deutschen Fridays-for-Future-Aktivist*innen am Hals, dass sich der Chef Joe | |
Kaeser persönlich mit der Klimaaktivistin Luisa Neubauer trifft. Ob Kaeser | |
nun den Ausstieg aus dem Projekt verkündet oder nur erzählen will, wie | |
wichtig ihm das Thema Klima ist: Die Geschichte der wahrscheinlich | |
umstrittensten Kohlemine der Welt zeigt, welche Risiken Unternehmen | |
mittlerweile eingehen müssen, um in dem Geschäft mit dem Klimakiller | |
mitzumischen. | |
Dass sich Siemens ein Reputationsproblem mit dem erst im Dezember | |
vereinbarten Kontrakt einhandelt, hätte der Konzern wissen müssen. Nicht | |
nur, weil das Unternehmen bis 2030 klimaneutral werden will. Auch, weil es | |
seit Langem weltweit Protest gegen die Carmichael-Mine gibt. Die | |
Verschiffung der Kohle bedroht auch das Great-Barrier-Korallenriff. | |
Zahlreiche Unternehmen und Investoren haben sich bereits aus dem Projekt | |
zurückgezogen. | |
Ende 2018 gab Adani bekannt, die Minen aus dem laufenden Geschäft | |
finanzieren zu müssen, weil sich [1][keine Investoren fanden]. Der Analyst | |
Tim Buckley bezeichnete das Projekt im August 2019 als „unbankable“, also | |
nicht finanzierbar – und errechnete, dass die Mine umgerechnet mit | |
mindestens 2,7 Milliarden Euro vom Bundesstaat Queensland und der | |
australischen Regierung unterstützt wird. Darunter befindet sich ein direkt | |
mit Steuergeldern finanzierter Kredit von 1,5 Milliarden Euro. Ohne | |
staatliche Hilfe wäre die Carmichael-Mine am Ende. | |
Shane Stephan, Chef des australischen Kohleproduzenten New Hope, gab in | |
einem von der Kohleindustrie bezahlten [2][Report] an, europäische Banken | |
seien aus der Finanzierung von Kohle geradezu „geflohen“ – allerdings | |
übernähmen nun immer mehr asiatische Banken das Geschäft. Insgesamt hätten | |
über 60 Großkonzerne ausgeschlossen, sich an der Erschließung der Mine zu | |
beteiligen, schreibt die Kampagne StopAdani. 16 globale | |
Versicherungsunternehmen haben sich demnach geweigert, das Vorhaben zu | |
versichern. Selbst Australiens Großbanken wollten keine Kredite mehr für | |
die Carmichael-Mine geben: Kohle ist zu einem Geschäftsrisiko geworden | |
## Siemens unter Druck | |
Allerdings erhält die indische Adani Group, die auch in erneuerbare | |
Energien investiert, von zahlreichen Banken weiterhin Kredite. Das zeigt | |
eine exklusive Auswertung für die taz durch die NGO Urgewald, die mit | |
Partnerorganisationen eine weltweite Datenbank zur Kohlefinanzierung | |
aufgebaut hat. Kredite erhält Adani demnach aus Europa noch von der | |
Schweizer Credit Suisse und der britischen Standard Chartered. Die Deutsche | |
Bank hat nach Angaben von Urgewald 2019 als Dienstleister eine Anleihe von | |
81 Millionen Euro für die Adani Group an den Finanzmärkten platziert – also | |
den Kredit vermittelt, nicht vergeben. „Die Deutsche Bank ist nicht an der | |
Finanzierung der Adani-Carmichael-Kohlemine in Australien beteiligt“, | |
schreibt die Bank auf Anfrage. | |
Die Kohle, die Australien im Galilee-Becken im Nordosten des Kontinents | |
unter anderem mit der Carmichael-Mine abzubauen plant, stünde 2030 für 5,4 | |
Prozent der weltweiten CO2-Emissionen, [3][schreibt] das Institut Climate | |
Analytics. Das wäre mehr als doppelt so viel, wie ganz Deutschland heute | |
ausstößt – und das nur aus einem Bergbaugebiet. | |
Ein Rückzug von Siemens wäre ein Rückschlag für das Projekt. Die | |
Signaltechnik liefern könnten global zwar zahlreiche andere Unternehmen, | |
sagt Maria Leenen, Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens SCI/Verkehr, | |
das die Bahnbranche weltweit strategisch berät. Würde Siemens die Technik | |
für die Bahntrasse aber nicht liefern, müsste der Auftrag neu | |
ausgeschrieben werden. „Ohne Wirkung wäre das nicht. Mit Verzögerungen von | |
unter einem Jahr wäre dann durchaus zu rechnen“, sagt die Expertin der taz. | |
10 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://ieefa.org/ieefa-australia-australian-taxpayers-funding-subsidies-wo… | |
[2] https://specialreports.theaustralian.com.au/1352317/coal/ | |
[3] https://www.acf.org.au/australia_on_track_to_become_one_of_the_worlds_major… | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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