# taz.de -- Wahlen zum Elternvertreter: Die Hölle sind die anderen | |
> Mit dem Ende der Ferien rücken die gefürchteten Elternsprecher-Wahlen | |
> näher. Unser Kolumnist wird sich nicht aufstellen lassen – diesmal | |
> wirklich nicht. | |
Bild: Es wird ernst: Die Wahlen der Elternsprecher:innen rücken näher | |
Warum man die Elternvertreterei in Schule, Kita und so weiter nicht einfach | |
abschaffe, hat eine Freundin neulich gefragt, wo doch keiner mehr Lust | |
drauf habe? Ich finde die Frage zu gleichen Teilen berechtigt und | |
alarmierend. Denn während mir einerseits natürlich klar ist, welchen | |
Beitrag für die Demokratisierung der Gesellschaft, die Überwindung der | |
totalen Institution und so weiter diese Ämter via Mitbestimmung leisten – | |
nehme doch auch ich mir ja jedes Jahr auf Neue vor, nicht wieder zu | |
„kandidieren“ für die Scheiße. | |
Besonders erfolgreich bin ich damit nicht. Gleich beim allerersten | |
Elternabend meines Lebens habe ich mich in den Vorstand unseres Kitavereins | |
wählen lassen. Einstimmig, ohne Gegenkandidatur. Und weil ich danach | |
dachte, dass es noch schlimmer ja wohl kaum werden könne, habe ich den | |
Fehler in Kindergarten und Grundschule gleich wieder gemacht. | |
Man müsste mal recherchieren, wann genau das erkämpfte Recht auf | |
Mitbestimmung zur lästigen Pflicht wurde, für die heute nur noch zur | |
Verfügung steht, wer zu dämlich ist zum Nein sagen. Die Gründe mögen sich | |
unterscheiden: Manche haben zu viel Angst vor Konflikten mit Lehrkörper und | |
Schulleitung, andere erkennen die Gefahren gar nicht erst, zu denen sich | |
ungestörter Korpsgeist im Lehrerzimmer auswachsen kann. Wieder andere | |
interessiert so was frühestens, wenn erkennbar auch die eigenen Kinder | |
drunter leiden, oder sie halten sich tatsächlich für die einzigen, die | |
„sowieso schon viel zu viel zu tun haben“. | |
## Niemand hat Bock drauf | |
So oder so: Es hat jedenfalls niemand Lust auf diese Jobs, und in | |
Lehrer:innenkreisen kursieren sogar süße Anleitungen dafür, wie man | |
[1][die konstituierenden Elternabende] übersteht, wenn sich partout | |
keine:r zur Wahl stellt. In kurz: den Aufwand subtil herunterspielen und | |
beim Benefit so schamlos wie nur möglich übertreiben. | |
Bei uns war das letztes Mal gar nicht nötig. Ich war schon vorher | |
eingeknickt und hatte mich zähneknirschend zur Wahl aufstellen lassen. | |
Unter der Bedingung allerdings, dass ich mich von der vermeintlichen | |
Hauptaufgabe dieses Selbstverteidigungsgremiums distanziere: nämlich | |
irgendwelche Geschenke für irgendwelche Lehrer:innen zu kaufen. Ich | |
glaube, es hat ungefähr zwei Wochen gedauert, bis die erste spitze | |
Nachfrage kam, was nun eigentlich zum Geburtstag geplant sei. | |
Dazu kommt die andere unrühmliche Aufgabe: Im Auftrag der | |
Klassenlehrer:innen den digitalen Himbeertoni zu machen, und ihre | |
Erinnerungsmails an dieses und auch jenes nochmal in die | |
Whatsapp-Elterngruppe zu kopieren, die es aus [2][Datenschutzgründen | |
eigentlich gar nicht geben dürfte]. | |
## Bürokratie und Beamtensprache | |
Das Problem sind wie immer die anderen. Eltern, die mit größter | |
Selbstverständlichkeit davon ausgehen, dass man ihnen ihren Mist | |
hinterherträgt – aber auch Gremien, die sich über die Generationen zu | |
bürokratischen Monstrostitäten entwickelt haben. Gegen die Geschäftsordnung | |
meines letzten (Grund-)Schulelternrats sind selbst Papstwahlen und | |
Parteitage zur Listenaufstellung der Linkspartei die reinsten Spaziergänge. | |
Ob’s nun am geschriebenen Wort oder dem Sozialcharakter der Vorstände | |
hängt: Im Ergebnis hat man schon einige Stunden gut zu tun, bevor man mit | |
der eigentlichen Arbeit auch nur anfangen kann. | |
Vielleicht war das schon immer so. Wahrscheinlicher ist aber doch, dass die | |
finsteren und antidemokratischen Vereinzelungstendenzen unserer | |
Gesellschaft sich hier unten an der Basis mit besonderer Härte | |
niederschlagen. Zwei Elternabende stehen diesen Monat noch an. Und je | |
länger ich darüber nachdenke, desto unwahrscheinlich scheint mir, sie ohne | |
neue Ämter über die Bühne gehen zu sehen. | |
11 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Jan-Paul Koopmann | |
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