| # taz.de -- Volkswagen in Brasilien: Aus dem Werk ins Folterzentrum | |
| > Die Wahrheitskommission wirft Volkswagen Kollaboration mit der | |
| > Militärdiktatur Brasiliens vor. Juristische Folgen sind nicht | |
| > ausgeschlossen. | |
| Bild: Auch das kommt vor: Streik in Sao Paulo | |
| RIO DE JANEIRO taz | Schwarze Listen, Bespitzelung und Misshandlungen auf | |
| dem Werksgelände. Dem deutschen Autobauer Volkswagen wird vorgeworfen, | |
| aktiv an der Repression zu Zeiten der brasilianischen Militärdiktatur | |
| (1964–1985) beteiligt gewesen zu sein. Einer von vielen Fällen, bei denen | |
| große Unternehmen bereitwillig mit den Militärs zusammengearbeitet haben | |
| sollen. | |
| Der Konzern wiegelt ab und verspricht eine Prüfung der Vorwürfe, die am | |
| vergangenen Freitag vor der Wahrheitskommission des Bundesstaates São Paulo | |
| erhoben wurden. Die Recherchen der Kommission seien wichtig, doch „zu | |
| keinem Zeitpunkt hat sich VW einer Verletzung der Menschenrechte schuldig | |
| gemacht“, erklärte Rogério Vargas, Gesandter der Rechtsabteilung von | |
| Volkswagen, vor der Kommission. | |
| Der Kommissionschef Adriano Diogo reagierte ungehalten. Es sei nicht | |
| hinzunehmen, dass VW nicht kooperiere und die dokumentierten Vorwürfe | |
| einfach von sich weise. Er kündigte an, die Unterlagen an die | |
| Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. „Irgendwann wird Volkswagen seine | |
| perverse Zusammenarbeit mit der Diktatur eingestehen müssen“, so Diogo. | |
| Immerhin war VW der Vorladung der Kommission gefolgt, die einer der vielen | |
| regionalen Ableger der Nationalen Wahrheitskommission ist, die Ende | |
| vergangenen Jahres ihre Arbeit beendete. Die Kommissionen haben kein | |
| Mandat, mutmaßlich Verantwortliche vor Gericht zu stellen. Aber sie sollen | |
| Namen nennen und die Umstände von Folter und Unterdrückung untersuchen. | |
| Jetzt ging es um Vorwürfe, dass Unternehmen, darunter viele ausländische, | |
| die Repression des Regimes gegen unliebsame Gewerkschafter im | |
| Industriegebiet rund um die Metropole São Paulo unterstützt haben sollen. | |
| ## Wochenlang gefoltert | |
| Ein Dokument, das aus dem Archiv des ehemaligen Folterzentrums Dops stammt, | |
| ist eine Liste von gewerkschaftlich organisierten Arbeitern, die VW an die | |
| Militärs weitergegeben hat. Ein anderes Dokument belegt, dass VW kritische | |
| Arbeiter bespitzelte. Unter diesen wird auch der spätere Präsident Luis | |
| Inácio Lula da Silva genannt. | |
| Der ehemalige Metallarbeiter Lúcio Bellentani sagte vor der Kommission, er | |
| sei im Juni 1972 im VW-Werk festgenommen und schon im Beisein von | |
| Sicherheitsleuten der Firma geschlagen worden. Dann sei er in das Dops | |
| gebracht worden, wo er wochenlang gefoltert wurde. | |
| Laut dem Abschlussbericht der Nationalen Wahrheitskommission haben neben VW | |
| über 80 namhafte Unternehmen mit der Diktatur zusammengearbeitet, darunter | |
| viele Autobauer wie Benz, Toyota, Ford und Scania, aber auch Firmen wie | |
| Siemens oder Kodak. Alle gaben Namen von Regimekritikern weiter, einige | |
| unterstützten die Militärs und ihre Folterzentren sogar mit großzügigen | |
| Geldspenden. Manchmal seien auch Arbeitsunfälle inszeniert worden, um das | |
| wirkliche Schicksal einiger Oppositioneller zu vertuschen, so der Bericht. | |
| Anders als die Diktaturschergen sind weder die Firmen noch ihre | |
| Angestellten durch das Amnestiegesetz geschützt, das bislang die rechtliche | |
| Aufarbeitung der Repression verhindert. In den Prozessen kann es Experten | |
| zufolge um Schadensersatz bis hin zu Strafverfolgung gehen. | |
| Volkswagen ist nicht das einzige deutsche Prestige-Unternehmen, dass diese | |
| Vorwürfe einfach ignoriert. Auch Siemens wurde im Januar dieses Jahres bei | |
| seiner Aktionärsversammlung in München mit dem Kollaborationsvorwurf | |
| konfrontiert. „Das liegt jetzt 40 Jahre zurück! Uns interessiert Siemens | |
| heute“, erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende Gerhard Cromme dazu. | |
| 3 Mar 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Behn | |
| ## TAGS | |
| Volkswagen | |
| Brasilien | |
| Militärdiktatur | |
| Dieselskandal | |
| Volkswagen | |
| Martin Winterkorn | |
| Sponsoring | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| VW unter Druck: US-Anwaltskanzlei soll es richten | |
| VW drohen Strafen in Milliardenhöhe. Und in Brasilien wurde eine Zivilklage | |
| gegen den Konzern wegen des Verhaltens während der Diktatur eingereicht. | |
| Turbulenzen in der VW-Spitze: Piëch „auf Distanz zu Winterkorn“ | |
| VW-Aufsichtsratchef Piëch demontiert Vorstandschef Winterkorn. Noch ist | |
| unklar, wie die vertrackte Lage in der VW-Spitze gelöst werden kann. | |
| Zahlen bei Volkswagen: Große Töne trotz Fragezeichen | |
| In einem Jahr voller Unsicherheiten strebt der VW–Konzern die Führung auf | |
| dem Weltmarkt an. Dem Erzrivalen Toyota droht er mit einem | |
| „Überholmanöver“. | |
| Stiftungsprofessuren in Deutschland: Die Hochschultrojaner | |
| An deutschen Hochschulen gibt es 1.000 Professuren, die von Unternehmen | |
| oder privaten Stiftungen finanziert werden. Was bedeutet das für die Unis? | |
| Übernahmekampf bei Porsche: Schwabe traut lieber Schwaben | |
| Porsche-Chef Wiedeking hofft angeblich auf Daimlers Hilfe. Katar erhöht | |
| sein Angebot. | |
| Vom VW-Gesetz lernen: Vorbild Niedersachsen | |
| Bund und Länder erwägen, dem Autobauer Opel durch eine Staatsbeteiligung zu | |
| Hilfe zu kommen. Funktionieren könnte das so wie in Niedersachsen, wo das | |
| Land schon immer bei VW beteiligt ist. Die taz nord zeigt, dass | |
| Niedersachsen auch in vielen anderen Bereichen Vorbilder für die Republik | |
| liefert. |