# taz.de -- Volksentscheid in Berlin: Zwang zur Transparenz | |
> Eine Initiative sammelt Unterschriften für ein Berliner | |
> Transparenzgesetz. Das könnte unter anderem datenjournalistischen | |
> Projekten helfen. | |
Bild: Das rote Rathaus bei Nacht: Das Transparenzgesetz soll Licht ins Dunkel b… | |
BERLIN taz | Monatelange Bearbeitungszeiten, verschwundene Akten und | |
Beamte, die nichts davon wissen, was ihre Kolleg*innen in der Behörde | |
nebenan machen – Informationen in deutschen Verwaltungen sind oft tief | |
vergraben. Eine Initiative will nun mit einem Volksentscheid Licht in das | |
Dunkel zumindest der Berliner Verwaltungen bringen. | |
Neben mehr Transparenz, Korruptionsresistenz und einer effizienteren | |
Verwaltung könnte das geforderte Gesetz auch neue Möglichkeiten für | |
Journalist*innen bieten. „Wir wollen das Verhältnis von Stadt und Bürger | |
umkehren“, erklärt Arne Semsrott. Der Aktivist der | |
Open-Knowledge-Foundation ist einer der Mit-Initiatoren des | |
[1][Volksentscheids Transparenzgesetz]. Noch bis Ende Oktober läuft die | |
Unterschriftensammlung für die erste Hürde des Volksentscheids. Wenn alles | |
gut läuft, wird 2021 zur Bundestagswahl abgestimmt. | |
In einem 64-seitigen Gesetzentwurf hat die Initiative ihre Vorstellungen | |
von Transparenz festgehalten: Sämtliche Informationen und Dokumente, die in | |
der Politik und Verwaltung anfallen, müssen demnach proaktiv und | |
maschinenlesbar auf einer zentralen Internetplattform veröffentlicht | |
werden. Dazu gehören neben Sitzungsprotokollen und Beschlüssen auch | |
sämtliche Verträge, externe Gutachten sowie sonstige Datensätze wie Umwelt- | |
und Verkehrsdaten. | |
Kurz gesagt: Die Stadt veröffentlicht alles, was sie weiß, ohne dass man | |
extra danach fragen muss. Für wie viel Geld verkauft die Stadt ihre | |
Grundstücke? Unter welchen Bedingungen? Träte das Transparenzgesetz in | |
dieser Form in Kraft, so ließen sich all diese Informationen mit wenigen | |
Klicks online abrufen. | |
## Papiertiger IFG | |
Nach dem bislang gültigen Informationsfreiheitsgesetz (IFG) sind Behörden | |
zwar grundsätzlich dazu verpflichtet, Informationen herauszugeben, in der | |
Praxis wird das Gesetz aber selten seinem Namen gerecht. Möchte eine | |
interessierte Person zum Beispiel Einsicht in eine Akte nehmen, braucht es | |
einen gebührenpflichtigen Antrag. Die Bearbeitungszeit kann mehrere Monate | |
betragen, zudem beinhaltet das IFG eine Vielzahl von Ausnahmeregelungen. | |
Für Journalist*innen, die mit engen Deadlines konfrontiert sind, ist das | |
IFG deshalb oft wenig brauchbar. | |
Durch das Transparenzgesetz müssten sämtliche Informationen schon im | |
Vorfeld veröffentlicht werden. „Den Behörden wird unmöglich gemacht, | |
Recherchen durch gezielte Verzögerungen auszubremsen“, erklärt Semsrott, | |
der selbst als Journalist tätig ist. Besonders interessant seien auch | |
Informationen der landeseigenen Unternehmen, die derzeit nicht unter das | |
IFG fallen, so Semsrott. | |
Recherchen werden also einfacher, schneller und umfangreicher möglich. | |
Fraglich bleibt aber, ob ein Transparenzgesetz dunkle Geheimnisse, die | |
vorher tief in den Aktenschränken schlummerten, ans Tageslicht bringt. | |
„Der große politische Skandal blieb bisher aus“, fasst der Hamburger | |
Open-Data-Aktivist Timo Lundelius die Erfahrungen mit dem 2012 erlassenen | |
Hamburger Transparenzgesetz zusammen. Damals forderten viele aufgrund der | |
Kostenexplosion bei der Elbphilharmonie, deren Verträge zum Bau öffentlich | |
zu machen. | |
[2][Perfekt ist das Hamburger Gesetz aber noch lange nicht]: „Hier ist | |
genug Dreck, der da trotzdem durchgeführt wird“, so Lundelius, dafür lasse | |
das Gesetz genügend Lücken. Investigative Journalist*innen verlassen sich | |
deshalb weiterhin zusätzlich auf erprobte andere Zugänge, wie etwa | |
Informant*innen in den Behörden. | |
Eine Goldgrube kann das Transparenzgesetz jedoch für Datenjournalist*innen | |
darstellen, gerade wegen der zentralen Verfügbarkeit der öffentlich zu | |
machenden Datensätze. Dazu gehören Daten zur Wasserqualität, Baumkataster | |
und Feinstaubbelastungen. Auch die Daten der städtischen | |
Wohnungsbauunternehmen wären frei verfügbar. So könnte die Auswertung ganz | |
neue Perspektiven zum Beispiel auf den Berliner Wohnungsmarkt ermöglichen. | |
„Es würde einen Schub innovativer journalistischer Formen geben“, ist sich | |
Semsrott sicher. | |
24 Oct 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://volksentscheid-transparenz.de/ | |
[2] /Undurchsichtige-Transparenzregeln/!5454559 | |
## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
## TAGS | |
Journalismus | |
Open Data | |
Transparenzgesetz | |
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin | |
Volksentscheid | |
Transparenzgesetz | |
Transparenzgesetz | |
Transparenzgesetz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Transparenzgesetz für Berlin: „Mit der Initiative zusammen tun“ | |
Der Senat legt Eckpunkte für ein Transparenzgesetz vor. Ist damit der | |
Gesetzentwurf einer Initiative überflüssig? Nein, sagt Michael Efler | |
(Linke). | |
Volksentscheid Transparenzgesetz: Immerhin ein erster Wurf | |
Per Volksentscheid wollen Aktivisten den Berliner Senat zu mehr Transparenz | |
zwingen. Ein geleaktes Papier zeigt: Der bastelt schon an einem Gesetz. | |
Zugang zu amtlichen Informationen: Hamburg bald intransparent | |
Das Transparenzgesetz des Stadtstaates gilt als Vorbild. Der rot-grüne | |
Senat will es angeblich verbessern – plant aber das Gegenteil. | |
Bürgerini für Transparenzgesetz: Alles offen für alle | |
Für das im Koalitionsvertrag geplante Transparenzgesetz hat R2G bislang | |
wenig getan. Eine Bürgerinitiative macht jetzt per Volksentscheid Druck. | |
Undurchsichtige Transparenzregeln: Transparenzgesetz ist mangelhaft | |
Hamburgs Handelskammer muss nicht von sich aus ihre Daten veröffentlichen, | |
hat das Verwaltungsgericht geurteilt und so eine Schwäche des geltenden | |
Rechts offengelegt |