# taz.de -- Video von Entführung der Hamas-Geiseln: Wann endet der Albtraum? | |
> Die menschenverachtende Strategie der Hamas ist aufgegangen. Daran werden | |
> auch neu veröffentlichte Aufnahmen vom 7. Oktober nichts ändern. | |
Bild: Demonstranten mit Fotos der als Geiseln genommenen IDF-Soldatinnen Karina… | |
Es ist ein Verzweiflungsakt, den die [1][Angehörigen von fünf in Gaza | |
verbliebenen israelischen Geiseln] in dieser Woche begingen. Mit ihrem | |
Einverständnis [2][veröffentlichte das israelische Fernsehen Aufnahmen], | |
die die Entführung der Frauen von der Militärbasis Nahal Oz durch | |
Hamas-Terroristen am 7. Oktober zeigen. Die jungen Frauen, 19 und 20 Jahre | |
alt, sitzen in ihren Pyjamas, gefesselt und blutüberströmt, an eine Wand | |
gelehnt. Umringt sind sie von unzähligen Männern, Terroristen, die sie | |
gefangen halten und später in einem Jeep nach Gaza verschleppen. | |
Die abscheuliche Gewalt ist in dem Video sicht- und hörbar, in den Worten | |
der Terroristen, wie sie die Frauen beschimpfen, ihnen sagen, dass sie | |
schön sind, und an ihren Handlungen, wie sie an ihnen zerren, als wären sie | |
Vieh, und andere, offenbar bewusstlos oder schon tot, einfach liegen | |
lassen. | |
Drei Minuten und zehn Sekunden dauert das Video. Das, was wir als | |
Zuschauer:innen sehen, ist dabei nur ein Bruchteil dessen, was die | |
jungen Frauen an Gewalt und Erniedrigung erlebt haben – denn besonders | |
gewalttätige Szenen wurden herausgeschnitten oder zensiert. | |
Wir sehen nicht, wie den jungen Frauen ihre Verletzungen zugefügt worden | |
sind. Wir sehen nicht die toten Körper ihrer Freundinnen, nicht das Morden. | |
[3][Sexuellen Missbrauch, mögliche Vergewaltigungen] sehen wir auch nicht, | |
aber all dies wird angedeutet, in der Art, wie die Männer über die Frauen | |
sprechen. Doch auch wenn wir es nicht sehen, kennen wir die [4][Berichte, | |
die Beweise]: Untersuchungsergebnisse der Ermordeten, Erzählungen von | |
befreiten Geiseln, von Überlebenden des 7. Oktobers, Videoaufnahmen, die | |
verletzte Frauen zeigen. | |
## Irgendwann ist jeder Schock vorbei | |
Dennoch kann kein Video der Welt annähernd nachvollziehbar machen, was den | |
Geiseln angetan worden ist – und was sie seit über 230 Tagen durchleben | |
müssen. Liri Albag, [5][Karina Ariev], Agam Berger, Daniela Gilboa, Naama | |
Levy: So heißen die Frauen, deren angstverzerrte, verletzte Gesichter seit | |
wenigen Tagen durch die Medien gehen. Sie sind fünf von rund 130, | |
vielleicht auch nur noch 50 lebenden Geiseln, die noch in Gaza festgehalten | |
werden. Niemand weiß, wie viele bereits umgebracht worden oder im Krieg | |
gestorben sind, ob diese fünf Frauen noch am Leben sind. | |
Irgendwann ist jeder Schock vorbei, Gesichter wenden sich ab vom Grauen und | |
anderem zu, widmen sich dem eigenen Alltag, während für die Angehörigen und | |
Freunde der Verschleppten kein Alltag mehr möglich ist, weil das Trauma und | |
die Angst um die eigene Tochter, den Vater, die Geschwister oder Großeltern | |
alles dominiert. Die Welt vergisst – diesen Eindruck haben die Familien der | |
Geiseln, und auch ich teile diesen nach fast acht Monaten, die seit dem | |
Terrorakt vergangen sind. | |
Ich bin bis heute davon überzeugt, dass die Welt den Schrecken sehen muss. | |
Sie darf nicht wegschauen. Die Opfer der mörderischen Ereignisse vom 7. | |
Oktober haben Gesichter, Namen, Geschichten. Und doch schmerzt es mich, | |
dass nur die Verbreitung von Bildern bestialischer Gewalt es vermag | |
aufzurütteln, in Erinnerung zu rufen, um was es geht: das Leben, die | |
Unversehrtheit von Unschuldigen. | |
Die menschenverachtende Strategie der Terrororganisation Hamas ist | |
aufgegangen: Sie konnten morden und verschleppen, ihre Taten stolz in die | |
Welt streamen, sie später leugnen, Juden weltweit damit traumatisieren, | |
ihre eigene Zivilbevölkerung als lebende Schutzschilde missbrauchen und | |
weltweit Sympathie und Unterstützung für die von ihnen begangenen Massaker | |
ernten. | |
Jede Tat, die unwidersprochen bleibt, die umgedeutet wird zu etwas | |
Heroischem, einem legitimen Widerstand, verschiebt eine zivilisatorische | |
Grenze. Es liegt in unser aller Verantwortung, diese Grenze zu verteidigen. | |
Die Angst in den Gesichtern der Geiseln sollte uns eine Erinnerung daran | |
sein, was auf dem Spiel steht. | |
25 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Israel-nach-dem-7-Oktober/!6009265 | |
[2] https://x.com/bringhomenow/status/1793297846529118623 | |
[3] /Gewalt-an-Frauen/!5972451 | |
[4] /Sexualisierte-Gewalt-der-Hamas/!5987483 | |
[5] /Entfuehrte-Israelis-in-Gaza/!5966252 | |
## AUTOREN | |
Erica Zingher | |
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