# taz.de -- Verträge begünstigen Kriegsstaat: Russland verdient auch ohne Gas | |
> Laut den Gasverträgen müsste auch bei einem Embargo Geld nach Russland | |
> fließen. Der Kreml profitiert auch von den hohen Preisen. | |
Bild: „In den ersten beiden Wochen des Krieges floss mehr Gas aus Russland na… | |
BERLIN taz | In der öffentlichen [1][Debatte über ein mögliches Ende des | |
Gasbezugs] aus Russland wurde ein Aspekt bisher wenig thematisiert: Die | |
langfristigen Lieferverträge für Erdgas beinhalten in der Regel Klauseln, | |
aufgrund derer die Käufer des Erdgases verpflichtet sind, eine Mindestmenge | |
auch dann zu bezahlen, wenn sie diese nicht abnehmen. | |
Dieser Pflichtanteil ist in der Regel sogar hoch: „Bei den langfristigen | |
Gasverträgen sind sogenannte Take-or-Pay-Klauseln üblich“ sagt Thekla von | |
Bülow vom Beratungsunternehmen [2][Aurora Energy Research] in Berlin. | |
„Dabei werden bis zu 80 Prozent der maximalen Liefermenge als | |
Mindestabnahme fixiert, die der Kunde auf jeden Fall bezahlen muss – egal, | |
ob er sie abnimmt oder nicht.“ Zwar sind die einzelnen Importverträge nicht | |
öffentlich zugänglich, doch in der Branche insgesamt sind das die üblichen | |
Konstellationen. | |
Zugleich erlauben die Verträge aber auch eine Mehrabnahme, innerhalb eines | |
gewissen Rahmens. Diese Option wurde offenbar jüngst in Anspruch genommen: | |
„In den ersten beiden Wochen des Krieges floss sogar mehr Gas aus Russland | |
nach Deutschland als zuvor“, sagt von Bülow. Vermutlich nutzten in dieser | |
Situation deutsche Importeure ihre zugesicherten Kontingente maximal aus, | |
um noch bestmöglich ein paar Reserven aufzubauen. | |
Die Take-or-Pay-Klauseln im Erdgasmarkt haben eine lange Geschichte. Sie | |
entstanden mit der Erschließung der [3][Erdgasfelder im niederländischen | |
Groningen] in den 1960er Jahren, um für die Pipelines eine langfristige | |
Finanzierung zu sichern. Als 1973 das erste Erdgas aus Russland nach | |
Deutschland kam, setzte man diese Praxis fort. | |
## Preise an die Börse gekoppelt | |
Neben der Menge sind in den Verträgen natürlich auch die Preise des | |
Importgases definiert. Meistens sind diese variabel. Früher waren sie oft | |
am Ölpreis indexiert – in einer Zeit, als der Erdgasmarkt noch wenig | |
liquide war und die Gasbranche sich durch eine solche Preisbindung mehr | |
Planungssicherheit erhoffte. | |
Mit zunehmendem Absatz von Erdgas und der Liberalisierung des europäischen | |
Gasmarktes in den 2000er Jahren wurden die Verträge jedoch zunehmend an die | |
sogenannten Hub-Preise gekoppelt, also an kurzfristige Börsenpreise. Auch | |
in den oft über Jahrzehnte abgeschlossenen Gaslieferverträgen mit Russland | |
sind die Preise inzwischen größtenteils Spotmarkt-indexiert. Fatale | |
Konsequenz dessen: Russland profitiert seit Kriegsbeginn von den | |
gestiegenen Gaspreisen in Europa. | |
Unterdessen sind die Verträge beim Flüssigerdgas (LNG), das über | |
Tankschiffe rund um den Globus geliefert wird, mitunter anders gestaltet. | |
Während Katar als einer der führenden Lieferanten seine Mengen zu großen | |
Teilen auch langfristig verkauft, liefern die USA ihr LNG in großem Stil | |
über sogenannte FOB-Verträge, was für „Free on Board“ steht. In diesem F… | |
kann das Schiff oft jenes Terminal ansteuern, an dem der Energieträger | |
gerade am meisten Geld bringt. So entscheidet sich mitunter sehr | |
kurzfristig, in welche Weltregion das Erdgas geht. | |
Für die politische Bewertung der Gasimporte aus Russland ist das Wissen um | |
die Art der Verträge ein wichtiger Aspekt. Denn das Ziel, mit einem | |
Importstopp Putins Kriegswirtschaft die Einnahmen zu entziehen, könnte | |
angesichts dieser Konstellation unerreichbar sein. Erstmalig öffentlich | |
hingewiesen auf die betreffenden Klauseln in den Gasimport-Verträgen hatte | |
kürzlich die Akademie Bergstraße für Ressourcen-, Demokratie- und | |
Friedensforschung. Deren Leiter Henrik Paulitz erklärte: „Es könnte die | |
kuriose Situation entstehen, dass Deutschland weit überteuertes LNG-Gas | |
beispielsweise aus den USA bezieht und zugleich an Russland Überweisungen | |
für heiße Luft vornehmen müsste.“ | |
7 Apr 2022 | |
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[1] /FDP-Politikerin-ueber-Energieembargo/!5843426 | |
[2] https://auroraer.com/ | |
[3] /Gasgewinnung-in-den-Niederlanden/!5834114 | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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