Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Leerstand in Köln: Russische Geisterhäuser
> Einer Firma des russischen Staats gehören drei leere Gebäude in Köln. Nun
> wird gefordert, dort Geflüchtete aus der Ukraine unterzubringen.
Bild: Reiner Kippe und Kalle Gerigk bei der Aktion gegen russische Immobilien i…
Köln taz | Mit staatlichen Stellen der Russischen Föderation zu verhandeln,
ist in diesen Tagen kein Vergnügen, es ist meist sogar unmöglich. Mal geht
es dabei um Krieg und Frieden, und mal geht es – wie im Kölner Stadtteil
Sülz – um Wohnungen. Eine Firma des russischen Staats ist Eigentümerin von
drei großen Gebäuden, die früher von der sowjetischen Handelsmission
genutzt wurden. Mindestens eines davon ist ein Wohngebäude. Doch die
Häuserzeile steht seit Jahren leer. In der Kölner Stadtpolitik sorgt das
für Aufruhr, schließlich fehlt dort massiv Wohnraum.
Bis zu 80 Wohnungen und etliche Büroräume finden sich in den drei großen
Häusern an einer ruhigen Stichstraße. Wenige Meter entfernt sind eine
Hauptstraße, eine Schule und der Zugang zur weitläufigen Erholungsanlage
Grüngürtel. Beste Lage also. Aber in der Straße, die nach Friedrich Engels
benannt ist, darf niemand wohnen: Da gammeln einfach russische Häuser vor
sich hin.
## Proteste von Mietaktivisten
„In den Kölner Messehallen müssen Menschen unter unwürdigen Bedingungen
hausen, warum dürfen sie nicht diese Wohnungen hier nutzen?“, ärgert sich
Rainer Kippe und fordert, in den leerstehenden Häusern [1][Geflüchtete aus
der Ukraine] unterzubringen. Jeden Samstagmorgen steht der Sprecher der
„Sozialistischen Selbsthilfe“ mit Unterstützern als Mahnwache vor Ort.
Unter ihnen ist auch Kalle Gerigk, Mieter-Aktivist und Linken-Kandidat für
den NRW-Landtag. Er war wegen der Kölner Geisterhäuser schon zur Berliner
Botschaft gefahren, hat etliche Hausbesetzungen beobachtet: Ohne Erfolg.
Die Geschichte, wie es dazu kommen konnte, beginnt im Kalten Krieg, als die
Sülzer Gebäude von der Sowjetunion genutzt wurden. Vordergründig sollten in
den Büros Wirtschaftskontakte vermittelt werden, von dort sollen aber auch
Spione gewirkt haben. Das Eigentum an den Häusern war Russland
zwischenzeitlich streitig gemacht worden. Es gab sogar eine
Zwangsversteigerung, mit der ein Gläubiger Geld vom Russland eintrieb. Ein
russisches Staatsunternehmen ersteigerte dann quasi die eigenen Gebäude
erneut. Die Bebauung der Köln-Sülzer Stichstraße ist damit rechtlich
gesehen so etwas wie Ausland.
## Linke fordert Beschlagnahmung
In der Friedrich-Engels-Straße 7 wohnten bis 2018 aber noch Bürger, die
ihren Mietvertrag nicht mit dem russischen Staat, sondern mit der
städtischen Kölner Wohnungsgesellschaft GAG hatten. Es war gelungen,
angesichts des damals schon angespannten Wohnungsmarkts mit der zuständigen
Staatsfirma einen Vertrag auszuhandeln. Dann war plötzlich Schluss, und
seitdem laufen alle diplomatischen Anfragen ins Leere. Auch eine Anfrage
der taz bei dem zuständigen Unternehmen in Russland blieb unbeantwortet.
Die Linkspartei fordert jetzt im Kölner Stadtrat, die Häuser einfach zu
beschlagnahmen. Die Verwaltung wehrt sich dagegen und verweist auf die
Rechtslage. „Die Gebäude standen jedenfalls nie dem allgemeinen
Wohnungsmarkt zur Verfügung“, heißt die bürokratisch-dialektische
Begründung. Deshalb sei auch die Wohnungsraum-Schutzsatzung nicht
anwendbar, die lange Leerstände verbietet. Im Übrigen, argumentiert die
Stadt, seien die Häuser inzwischen so heruntergekommen, dass sie faktisch
unbewohnbar seien.
Kritik gibt es längst auch von konservativer Seite aus der Kölner
Stadtgesellschaft. [2][Konrad Adenauer (CDU)], Vorsitzender des Haus- und
Grundbesitzervereins, wettert in der Verbandszeitschrift Haus und Grund
über die Untätigkeit der kommunalen Behörden: „Man greift sich an den
Kopf!“ Und der engagierte Journalist Jürgen Bremer hat im Internet eine
Petition gestartet, die innerhalb von gut einer Woche rund 6.000
Unterzeichner fand. „Frau Oberbürgermeisterin, bitte handeln Sie jetzt,
zögern Sie nicht länger!“, heißt es in dem Text. Wenn sich kein
Verhandlungspartner finde, könne man wie in anderen Fällen eine
„öffentliche Zustellung“ organisieren.
Das mit den fehlenden Ansprechpartnern und der mangelnden
Verhandlungsbereitschaft bei Putin, seinen Behörden und seinen Staatsfirmen
stößt bei einigen Aktivisten am Samstagmorgen bei der Mahnwache ebenfalls
auf Missverständnis. Mehrfach war das Wohnhaus besetzt worden. Die Polizei
räumte das Gebäude, der Staatsschutz ermittelt. Nun sind die Beteiligten
gespannt, wer die entsprechenden Strafanzeigen gestellt hat. Es soll eine
Verwaltungsfirma sein, die aber angeblich keinen verbindlichen Kontakt zu
ihrem Auftraggeber in der Russischen Föderation herstellen kann. In den
Akten der Ermittlungsbehörden hoffen die von den Strafanzeigen Betroffenen
nun, Details darüber herauszufinden, damit endlich Bewegung in den Fall der
Kölner „Geisterhäuser“ kommt.
8 Apr 2022
## LINKS
[1] /Jobs-fuer-Gefluechtete-aus-der-Ukraine/!5845974
[2] https://www.diewirtschaft-koeln.de/konrad-adenauer-im-interview-immobilienb…
## AUTOREN
Frank Überall
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Russland
Sowjetunion
Köln
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Ukraine
## ARTIKEL ZUM THEMA
Verträge begünstigen Kriegsstaat: Russland verdient auch ohne Gas
Laut den Gasverträgen müsste auch bei einem Embargo Geld nach Russland
fließen. Der Kreml profitiert auch von den hohen Preisen.
Russlanddeutsche in Berlin: „Es war eine Pro-Kriegs-Demo“
Die Berliner Grüne Dara Kossok-Spieß fordert „harte Auflagen“ bei der Fei…
zum Ende des Zweiten Weltkriegs am russischen Ehrenmal in Treptow.
Künstler debattieren über Ukrainekrieg: Keine Brücken nach Russland
In Berlin diskutierten Künstler aus der Ukraine und Russland über „Krieg
und Frieden“. Der Tenor: Selbst jetzt reagiere der Westen zu langsam.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.