# taz.de -- Jobs für Geflüchtete aus der Ukraine: Der Koch kann sofort losleg… | |
> Viele der Geflüchteten aus der Ukraine können einfach anfangen zu | |
> arbeiten. Unter anderem Ärzt:innen brauchen aber vorher eine | |
> Genehmigung. | |
Bild: Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine bei ihrer Ankunft in Berlin | |
BERLIN taz | Zusammen mit seinem neuen Koch aus Kiew bereitet Michael Glas | |
gerade das Mittagsessen vor. Der Miteigentümer des Grillrestaurants | |
Kneshecke in der Nähe von Fulda hat mehrere Geflüchtete aus der Ukraine | |
aufgenommen. „Vitali, seine Frau und die vier Kinder wohnen jetzt in einem | |
unserer Ferienbungalows“, sagt Glas. | |
Einerseits wollte der Restaurantbesitzer in der Rhön einfach Hilfe leisten, | |
andererseits brauchte er aber auch einen Koch. Beides kommt nun zusammen. | |
Wenn die Registrierung abgeschlossen sei – „wir warten noch auf die | |
Steuer-ID“ – soll der Kollege aus Kiew seinen Arbeitsvertrag erhalten, „zu | |
tariflicher Bezahlung“. | |
Glas würde sich freuen, wenn der neue Mitarbeiter bliebe. Aber das muss | |
sich finden. [1][Der Krieg in der Heimat, die Erlebnisse auf der Flucht, | |
die ungewisse Zukunft] – mit diesen schmerzhaften Themen will der | |
Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer erst mal in Ruhe lassen. Mit Google | |
Translator zwischen Ukrainisch und Deutsch sind solche Gespräche auch kaum | |
möglich. | |
## Unklar, wie lange Ukrainer:innen bleiben | |
Die Situation in der Kneshecke ist vergleichbar mit der Lage im Land. Es | |
geht um die Unterstützung der Ukraine und ihrer Bürger:innen. Aber | |
Deutschland hat durchaus auch Eigeninteressen, die dabei eine Rolle | |
spielen. Unlängst plädierte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für die | |
[2][schnelle Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt.] Ein | |
Hintergrund dabei: Hunderttausende Stellen für Ärzt:innen, | |
Krankenpfleger:innen, Lehrer:innen oder Ingenieur:innen sind schon | |
jetzt schwer oder gar nicht zu besetzen. Und künftig wird der | |
Fachkräftemangel weiter zunehmen. | |
Also stellen sich Fragen wie diese: Passen die Ukrainer:innen in den | |
deutschen Arbeitsmarkt? Verfügen Sie über die Qualifikationen, die hier | |
gebraucht werden? Migrationsexperte Thomas Liebig von der | |
Industrieländer-Organisation OECD in Paris warnt zunächst: „Ich halte diese | |
Debatte für zumindest verfrüht.“ Er geht davon aus, dass die meisten | |
Geflüchteten aus der Ukraine bald wieder nach Hause zurückkehren wollen. | |
„Das Bildungsniveau der Bevölkerung in der Ukraine ist im internationalen | |
Vergleich hoch“, sagt Migrationsforscher Herbert Brücker, „zudem verfügen | |
Frauen in der Ukraine über ein höheres Bildungsniveau als Männer.“ Das | |
scheinen erst mal gute Voraussetzungen zu sein. Allerdings weist der | |
Ökonomieprofessor der Berliner Humboldt-Universität darauf hin, dass bisher | |
zu wenige Informationen über die Zahl der Absolvent:innen bestimmter | |
Ausbildungsgänge, etwa medizinischer Berufe, in der Ukraine zur Verfügung | |
stünden. Auch über die Qualität der Ausbildung dort lasse sich recht wenig | |
sagen. Was ebenfalls bisher fehlt, seien genaue Angaben über die soziale | |
Zusammensetzung derer, die aus der Ukraine fliehen. | |
## Bürokratische Hürden | |
Ein Problem, das bereits absehbar ist, betrifft die Anerkennung der | |
ukrainischen Berufsabschlüsse und Studienzeugnisse in Deutschland. Denn | |
einige Qualifikationen, bei denen sich hierzulande ein besonderer Mangel | |
abzeichnet, gehören zu den sogenannten reglementierten Berufen. Darunter | |
fallen beispielsweise Ärzt:innen, medizinisches Pflegepersonal, | |
Lehrer:innen, Erzieher:innen, aber auch Ingenieur:innen und manche | |
Handwerksberufe. | |
In diesen Fällen müssen sich die Bewerber:innen die Gleichwertigkeit | |
ihrer Ausbildungen mit den deutschen Standards anerkennen lassen – eine oft | |
hohe bürokratische Hürde. Aber ohne diese Anerkennung dürfen sie nicht | |
arbeiten. Dass es da eine Schwierigkeit auch im Hinblick auf die Ukraine | |
gibt, hat Arbeitsminister Heil unlängst eingeräumt. „Die Ausbildungssysteme | |
sind nicht eins zu eins vergleichbar“, so der Sozialdemokrat. „Da müssen | |
wir schneller werden.“ | |
Eine gemischte Nachricht kommt in dieser Hinsicht aus dem Bundesinstitut | |
für Berufsbildung (BIBB) in Bonn. Von rund 350 ukrainischen Anträgen auf | |
Anerkennung als Arzt oder Ärztin wurden 2020 etwa drei Viertel genehmigt. | |
Dagegen erhielten „von den rund 300 beschiedenen Verfahren zur Gesundheits- | |
und Krankenpflege nur 38 Prozent eine volle Anerkennung“, sagt Claudia | |
Moravek, die zuständige Expertin beim BIBB. Sie schränkt ein, dass diese | |
Zahlen nicht als repräsentativ für die Berufsbildung in der Ukraine | |
betrachtet werden können. | |
Bei der Mehrheit der Berufe spielt diese Anerkennungsprozedur keine Rolle – | |
etwa bei Köch:innen. Die können einfach anfangen, wenn sie hier einen | |
Arbeitgeber finden. So hat auch Stefan Faulstich, Chef des Landhotels | |
Rhönblick bei Fulda, einen jungen Koch aus Kiew eingestellt. Wegen einer | |
Ausnahmegenehmigung durfte der die Ukraine verlassen, ähnlich wie der neue | |
Koch in der Kneshecke. Auch Faulstich würde sich freuen, wenn der neue | |
Mitarbeiter bei ihm bliebe. | |
5 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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