# taz.de -- Engagement für Ukraine-Geflüchtete: Begegnung im Rathaus | |
> In Neukölln hat die Politik erkannt, dass sie engagierte Bürger*innen | |
> braucht: Gastgeber*innen von Flüchtlingen bekommen Unterstützung. | |
Bild: In Berlin bleiben ist nicht leicht, wenn man keine Gastgeber hat: vor dem… | |
Berlin taz | Selten sind die Momente, in denen sich Politik, Verwaltung und | |
Bürger*innen nahe kommen. In Neukölln gab es einen solchen Moment am | |
Montagabend: Der Bezirk hatte Menschen, die privat Ukraine-Flüchtlinge | |
aufgenommen haben, zu einer Informationsveranstaltung ins Rathaus | |
eingeladen. Mitarbeiter*innen von vier Ämtern – Soziales, Schule, | |
Jugend, Gesundheit – und die Flüchtlingskoordinatorin beantworteten Fragen | |
der „Gastgeber*innen aus der Zivilgesellschaft“. | |
Mit diesem Ehrentitel wurden etwa 40 Neuköllner*innen von | |
Ehrenamtskoordinator Philipp Rhein begrüßt, der mit einem Dank an sie den | |
Abend eröffnete. Indem sie Flüchtlingen Unterkunft geben, „unterstützen Sie | |
auch das Land Berlin. Ohne Sie wäre die Situation noch komplizierter“, | |
lobte er die engagierten Bürger*innen, die meisten eher Ü-50 als U-40. | |
Die hatten tatsächlich einen Sack voller Fragen. Etwa: Was passiert, wenn | |
Flüchtlinge sich registrieren lassen: [1][Werden sie dann „wegverteilt“ in | |
ein anderes Bundesland?] Ja, vermutlich, erklärte Flüchtlingskoordinatorin | |
Luise Budäus – weil Berlin bislang den Großteil aller Ukraine-Flüchtlinge | |
aufgenommen habe. Ausnahmen: Der Gast habe sozialen oder | |
Verwandtschaftsbezug in Berlin, einen Mietvertrag – oder die | |
Gastgeber*innen geben ihm einen (Unter-)Mietvertrag für mindestens | |
sechs Monate. Aber was, wenn man irgendwann merke, dass man sich nicht mehr | |
versteht, fragte eine ältere Dame: Wenn der Gast schon eine Weile hier sei, | |
werde man ihn sicher nicht aus Berlin wegverteilen, erwiderte Budäus. | |
## Vergnügtes Pingpong | |
So ging das Pingpong weiter: Erst stellte sich ein Amtsvertreter vor, wobei | |
manche sichtliches Vergnügen daran hatten, einmal am Rednerpult des | |
BVV-Saals zu stehen, wo sich sonst Politiker*innen exponieren. Dann | |
folgten Fragen aus dem Publikum. | |
Besonders lebhaft wurde es bei den Schilderungen von Herrn Gregory aus dem | |
[2][Sozialamt]. Anschaulich wusste er aus dem Amtsalltag zu berichten: von | |
der neuen „Bearbeitungsstraße“ im Keller, der Hüpfburg im Hof und den | |
Bemühungen seiner Mitarbeitenden, der täglich wachsenden Warteschlange | |
gerecht zu werden. „Wir versuchen jeden Tag, zu priorisieren, was am | |
dringendsten ist“, sagte er mit leicht verzweifeltem Unterton. | |
Auch einige Gastgeber*innen hatten schon Erfahrung mit dem Sozialamt. | |
Eine Frau berichtete, ein Mann stehe nachts vor dem Amt – die Menschen | |
stünden dort ja schon ab Mitternacht an – und führe eine Warteliste, nach | |
der morgens der Einlass geregelt wird. „Soll das so sein?“, fragte sie | |
misstrauisch, offenbar in der Angst, dass hier jemand Machtmissbrauch | |
betreibt. Von Amts wegen sei der Mann nicht da, erwiderte Gregory, das sei | |
wohl selbst organisiert. Für seine Mitarbeiter*innen sei die Liste | |
aber in der Tat sehr praktisch. Ja, bestätigte eine andere Frau, auch sie | |
habe die Liste als hilfreich für die Wartenden empfunden. Mit diesen | |
Auskünften schien die Fragerin beruhigt. | |
Am Ende konnten sicher nicht alle Fragen beantwortet werden, zu unklar sind | |
derzeit viele Dinge. „Die Informationsflut ist sehr dynamisch“, formulierte | |
es die Flüchtlingskoordinatorin. Aber immerhin: Das Bemühen der Politik ist | |
erkennbar, engagierten Bürger*innen die Sache nicht noch komplizierter | |
zu machen. | |
P.S. Neuköllner Gastgeber*innen und Gäste aus der Ukraine können direkt | |
im Neuköllner Rathaus (Karl-Marx-Straße 83) Rat suchen. Dort gibt es Montag | |
bis Freitag von 9 bis 14 Uhr ein Beratungsangebot in Deutsch, Russisch und | |
Ukrainisch. | |
5 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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