| # taz.de -- Energieexperte über mögliches Embargo: „Gas ist wichtigste Einn… | |
| > Ein Importverbot würde die russische Wirtschaft stark schwächen, sagt | |
| > Energieexperte Michail Krutichin. Ob es den Krieg stoppen würde, ist | |
| > jedoch ungewiss. | |
| Bild: Auf der Suche nach Öl im Autonomem Kreis der Chanten in Russland | |
| taz: Herr Krutichin, welche Bedeutung hat der Export von Gas für die | |
| russische Wirtschaft? | |
| Michail Krutichin: Das Gas ist derzeit die wichtigste Einnahmequelle des | |
| russischen Staatshaushalts. Die Preise dafür sind hoch, im Gegensatz zu den | |
| Preisen für Öl. Zusammen macht der Verkauf von Gas und Öl etwa 60 Prozent | |
| der russischen Einnahmen aus. Sollte Russland kein Gas mehr exportieren | |
| können, würde es – nach meinen Berechnungen – ein Drittel des Budgets | |
| einbüßen. | |
| Wodurch? | |
| Es geht dabei nicht nur um Gazprom, auch wenn der Konzern die wichtigste | |
| Quelle ist. Es geht auch um Unternehmen, die Gazprom bewirtschaften, es | |
| geht um Steuereinnahmen aus dem Bergbau, um Ausfuhrzölle, | |
| Körperschaftsteuern, um Steuern der Mitarbeiter in den zahlreichen | |
| Betrieben in diesem Industriebereich. Die Reduzierung der Gasexporte wäre | |
| ein ernsthafter Schlag für die russische Wirtschaft. | |
| Kommt Russland durch die [1][angeordneten Rubelkonten] für europäische | |
| Unternehmen zum Bezahlen des Gases nun doch an die Devisen aus Europa? | |
| Ja. Da hat sich nichts geändert. Die Europäer zahlen weiterhin in Euro und | |
| Dollar, wie das in den Verträgen festgelegt wurde. Sie zahlen an die | |
| Gazprombank, die von den Sanktionen nicht betroffen ist, und vergessen es | |
| schnell wieder. Sie haben bezahlt und bekommen Gas dafür. Um alles andere | |
| kümmert sich die Gazprombank: Sie übergibt die fremde Währung an den Staat, | |
| der Staat gibt der Bank Rubel, die Bank eröffnet Rubelkonten für die | |
| Unternehmen und überweist darüber das Geld – in Rubel – an Gazprom. Ein | |
| einfaches Schema. | |
| Ein Gasembargo wäre also doch ein passendes Druckmittel gegen Putins | |
| Regime? | |
| Zweifellos. Europa sollte auch nicht vergessen, dass Russland sein Gas | |
| nicht nur als Einnahmequelle sieht, sondern auch gern als politisches | |
| Mittel zur Erpressung einsetzt. Das hat Russland seit 2005 bereits mehrfach | |
| unter Beweis gestellt. Für Russland ist Gas immer Politik. Wenn Europa | |
| solche Risiken los sein will, muss es bereit sein, die Erschwernisse, die | |
| ein Embargo mit sich bringen würde, auszuhalten und die Abhängigkeit von | |
| Russland zu reduzieren. | |
| Ein Importverbot zöge eine ganze Kette an Reaktionen nach sich. Nicht nur | |
| in Europa … | |
| Und was ist die Lösung? Russland weiterhin dabei helfen, die Ukrainer zu | |
| töten? Ja, in Deutschland müssten wohl Chemiewerke die Arbeit einstellen, | |
| Stahlwerke würden leiden, auch kleinere Betriebe. Manche müssten wohl auch | |
| stillstehen. Auch Pläne des Green Deal müssten aufgeschoben werden und viel | |
| Geld für Flüssiggas bezahlt werden. Das trifft Deutschland und auch andere | |
| Länder empfindlich, natürlich. Aber hier gilt die Wahl: Teilnahme am Krieg | |
| oder materielle Opfer. | |
| Würde ein Embargo den Krieg stoppen? | |
| Hier kann es gar keine Logik geben. Wir können damit rechnen, dass die | |
| russische Wirtschaft durch ein Embargo sehr leiden wird, dass sich manche | |
| hier überlegen werden, dass es für das Land besser wäre, den Krieg zu | |
| beenden. Aber die Entscheidung zum Weitermachen oder Beenden steht | |
| außerhalb jeder Logik. Allein der Beginn des Krieges war irrsinnig, weil er | |
| einen kolossalen Schlag für die russische Wirtschaft bedeutet. Dennoch | |
| entschied sich die russische Führung dafür. Entschied sich dafür, die | |
| Ukraine, Belarus und das eigene Land zu zerstören. Jegliche Vorhersagen | |
| sind unmöglich. Die Aufgabe jetzt ist vor allem: die Wirtschaft Russlands | |
| so weit zu schwächen, dass Russland keine Bedrohung mehr für die | |
| zivilisierte Welt darstellt. Man muss dem Drachen die Zähne ziehen. | |
| Und wenn der russische Drache sein Gas dann einfach nach [2][China] | |
| verkauft? | |
| Das ist Blödsinn. Zum einen gibt es keine Infrastruktur, keine Pipeline, um | |
| die Mengen an Gas, die für Europa bestimmt sind, nach Asien zu leiten. Das | |
| wäre eine jahrelange, langwierige und eine sehr teure Sache. 145 Milliarden | |
| Kubikmeter Gas bekam Europa im vergangenen Jahr, China lediglich 10. China | |
| hat auch nicht zugestimmt, dass es überhaupt mehr als die bereits | |
| vereinbarten Gasmengen bekommen will. Es gibt also auch keinen Markt. China | |
| wird Europa bezüglich der Gasexporte nicht ersetzen. | |
| Was würde Russland denn mit seinem Gas machen, wenn es nicht mehr liefern | |
| darf? | |
| Nichts. Weniger fördern. Die Arbeit einstellen. Vielleicht die Bohrlöcher | |
| schließen. Gas verflüssigen kann Russland nicht, dafür fehlt die | |
| Infrastruktur. Russland kann den europäischen Markt nicht ersetzen. Ein | |
| Embargo wäre ein Teil der Kraftanstrengung gegen den Aggressor. | |
| 7 Apr 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Inna Hartwich | |
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