| # taz.de -- Verteidigungsausgaben in der Nato: Das Zehn-Prozent-Ziel | |
| > Vom Zwei-Prozent-Ziel der Nato möchte die Bundesregierung gerne ein wenig | |
| > abrücken. Ihre neue Zielmarke lässt sich aber schwer berechnen. | |
| Bild: Nato-Manöver in der Oberlausitz mit den Transportpanzern Fuchs | |
| Berlin taz | Schmeichelhaft war die Zwei-Prozent-Quote der Nato für die | |
| Bundesregierung noch nie. Seit Jahren steigt der deutsche | |
| Verteidigungshaushalt zwar an: Von rund 32 Milliarden Euro im Jahr 2014 auf | |
| über 45 Milliarden im Jahr 2020. Die Anerkennung internationaler Partner, | |
| die die Regierung dafür gerne erhalten würde, bleibt dennoch aus. Von der | |
| Nato-Vereinbarung, 2 Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP) | |
| fürs Militär auszugeben, ist die Bundesrepublik nämlich immer noch weit | |
| entfernt. Als vermeintliche Strafe dafür verkündete [1][US-Präsident Donald | |
| Trump zuletzt den Abzug amerikanischer Truppe]n aus Deutschland. | |
| So gesehen ist es verständlich, dass die Bundesregierung von der | |
| Zwei-Prozent-Quote gerne ein wenig abrücken würde. Angesichts „des | |
| coronabedingt sinkenden BIP“ stelle das Zwei-Prozent-Ziel „keinen | |
| ausreichenden Indikator“ mehr dar, schrieb das Verteidigungsministerium | |
| schon im Juli in der Antwort auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion. | |
| Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) will eine andere Zielmarke | |
| stärken: Die „Bereitstellung von 10 Prozent der Fähigkeiten des | |
| Nato-Bündnisses durch Deutschland“. | |
| Die Begründung für das Umdenken ist schlüssig: Durch die Coronakrise wird | |
| das deutsche BIP in diesem Jahr schlagartig sinken. Die Nato-Quote steigt | |
| entsprechend – unabhängig von den tatsächlichen Militärausgaben. So kommt | |
| die Bundesregierung zwar einerseits näher an die zwei Prozent. Andererseits | |
| zeigt die Entwicklung eindrucksvoll, wie wenig aussagekräftig die Quote | |
| eigentlich ist. | |
| Anders sieht es mit der Zehn-Prozent-Marke aus, die Kramp-Karrenbauer nun | |
| stärker in den Fokus rücken möchte. Hintergrund hierfür ist der sogenannte | |
| Verteidigungsplanungsprozess der Nato: In regelmäßigen Abständen definiert | |
| das Bündnis, zu welcher Art von Einsätzen es in der Lage sein möchte und | |
| welche militärischen Mittel es dafür braucht. Diese Mittel werden dann auf | |
| die Mitgliedsländer aufgeteilt, die für die Anschaffung verantwortlich sind | |
| – was bei großen Rüstungsprojekten Jahrzehnte dauern kann. In diesem Modell | |
| ist Deutschland für die rund 10 Prozent der Nato-Fähigkeiten | |
| verantwortlich, von denen Kramp-Karrenbauer spricht. | |
| ## Linke wollte es genauer wissen | |
| Dieser Prozess klingt etwas bürokratisch. Der Bundestagsabgeordnete Tobias | |
| Pflüger (Linke) wollte es plastischer haben. Er fragte im Ministerium nach, | |
| wie viel Prozent der Nato-Fähigkeiten die Bundeswehr denn heute schon | |
| bereitstellt und was das für einzelne Rüstungsgüter und Teilstreitkräfte | |
| bedeutet. | |
| Die erhoffte Information bekam er jedoch nicht. In der Antwort des | |
| Ministeriums, die der taz vorliegt, heißt es, die 10 Prozent ließen sich | |
| „nicht auf spezifische Fähigkeiten umrechnen, da sie den Ausgangspunkt bei | |
| Beginn eines überjährigen zyklischen Prozesses darstellt, in dem zukünftig | |
| benötigte Fähigkeiten auf Grundlage der Leistungsfähigkeit der einzelnen | |
| Mitgliedsstaaten verteilt werden.“ Klingt wieder bürokratisch. Im Klartext: | |
| Weil es um langfristige Planungen geht, die zum Teil Jahrzehnte in die | |
| Zukunft reichen, kann das Ministerium keine konkreten Zahlen nennen. | |
| Pflüger ist darüber verärgert. „Es ist schon mehr als merkwürdig, wenn die | |
| Bundesregierung den deutschen Anteil an den Nato-Fähigkeiten gar nicht | |
| beziffern kann“, sagt er. „Dabei hatte Verteidigungsministerin Annegret | |
| Kramp-Karrenbauer doch gerade noch behauptet, der Anteil sei zu niedrig und | |
| müsse auf 10 Prozent steigen.“ Ihrer Rechnung fehle offenbar jede | |
| Grundlage. | |
| Donald Trump interessiert sich für dieses Klein-Klein derweil nicht. | |
| Deutschland sei „säumig“, warf er der Bundesregierung am Mittwoch im | |
| TV-Sender Fox News erneut vor. Daher müsse Deutschland jetzt bezahlen. | |
| 6 Aug 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Truppenverlegung-nach-Polen/!5697077 | |
| ## AUTOREN | |
| Tobias Schulze | |
| ## TAGS | |
| Nato | |
| Verteidigung | |
| Militär | |
| Annegret Kramp-Karrenbauer | |
| Haushalt | |
| Russland | |
| USA | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| US-Truppenabzug aus Deutschland: Sicherheitspolitisch kein Problem | |
| Die USA wollen 12.000 Soldat*innen aus Deutschland abziehen – vor allem | |
| Richtung Süden und Westen. Bedauerlich ist das nur aus wirtschaftlicher | |
| Sicht. | |
| Abzug von US-Truppen aus Deutschland: Republikaner kritisieren Abzug | |
| Ein Drittel der US-Soldaten soll Deutschland verlassen. Mehrere | |
| PolitikerInnen der Demokraten und Republikaner bezeichnen das als schweren | |
| Fehler. | |
| Donald Trump will US-Truppen abziehen: Amis, don’t go home! | |
| Auf der US Air Base und in ihrem Umfeld arbeiten Tausende. Die Ramsteiner | |
| hoffen, dass der Abzug aus Deutschland nur ein Wahlkampfhit ist. |