| # taz.de -- Versorgung für Schwangerschaftsabbrüche: Bremen geht voran | |
| > Die Bürgerschaft Bremens hat ein Gesetz beschlossen, das die | |
| > Infrastruktur für Schwangerschaftsabbrüche sicherstellen soll. | |
| Bild: Demonstration in Bremen gegen den Paragrafen 219a | |
| BREMEN taz | In Bremen eröffnete 1979 die erste Tagesklinik für | |
| Schwangerschaftsabbrüche. Jetzt hat die Bremische Bürgerschaft in zweiter | |
| Lesung ein Gesetz beschlossen, [1][das die Versorgung für eben diese sicher | |
| stellen soll] – damit leistet Bremen erneut Pionierarbeit. | |
| Beides hängt zusammen, denn die Tagesklinik, das medizinische Zentrum von | |
| Pro Familia, war jahrzehntelang im Land Bremen die Hauptanlaufstelle für | |
| Frauen, die einen Abbruch brauchten. Die kamen aus ganz Deutschland, die | |
| Hälfte aus Niedersachsen. Als das Zentrum wie so viele Praxen in anderen | |
| Orten zuletzt kaum noch Ärzt:innen fand, die den Eingriff machen wollten, | |
| brach die Versorgung teilweise zusammen. In Ferienzeiten oder bei Krankheit | |
| war das Zentrum im vergangenen Jahr geschlossen. Bis zu 50 Frauen pro Woche | |
| mussten in andere Bundesländer fahren, lange warten oder die | |
| Schwangerschaft austragen. | |
| Der Grund: Weil Pro Familia in der Vergangenheit so zuverlässig zur Stelle | |
| gewesen war, gibt es in Bremen, anders als in anderen norddeutschen | |
| Großstädten, nur wenige Ärzt:innen, die Schwangerschaftsabbrüche ambulant | |
| durchführen, auch die Kliniken beteiligen sich nur in geringem Maß. In der | |
| 120.000-Einwohner:innen-Stadt Bremerhaven gab es lange niemanden. | |
| Solche Versorgungslücken existieren überall, doch die Regierungen etwa von | |
| Niedersachsen oder Bayern ignorieren deren Auswirkungen seit Jahrzehnten. | |
| In Bremen hingegen stimmten selbst Politiker:innen von FDP und CDU | |
| nach [2][einer bemerkenswert sachlichen Debatte] mit Grünen, Linken und SPD | |
| für ein Gesetz, das das Land Bremen verpflichtet, „bedarfsgerechte Angebote | |
| zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen“ sicherzustellen, [3][wie es im | |
| Entwurf heißt.] Auffällig war, dass dieselben CDU- und FDP-Abgeordneten | |
| 2020 in einer ähnlichen Debatte emotional argumentiert hatten. Jetzt | |
| zeigten ihre Redebeiträge, dass sie sich mit Fakten auseinandergesetzt | |
| hatten. | |
| ## Mangelnde Wirtschaftlichkeit | |
| Ob das Gesetz die Situation spürbar verbessern wird, muss sich erst zeigen. | |
| Darin waren sich die Beteiligten der Parlamentsdebatte einig. Denn die | |
| Selbstverpflichtung ermöglicht dem Senat nur, über finanzielle Förderung | |
| steuernd einzugreifen. Angedacht ist laut Maja Tegeler, frauenpolitische | |
| Sprecherin der Linken, Fortbildungen für Ärzt:innen zu fördern oder sich | |
| an Praxiskosten zu beteiligen, für Umbauten oder Ausstattung. Manche | |
| Ärzt:innen begründen die Leistungseinschränkung mit mangelnder | |
| Wirtschaftlichkeit. Schwangerschaftsabbrüche kosten Praxen je nach Methode | |
| mehr, als sie erstattet bekommen. | |
| Keinen Einfluss hat das Land darauf, ob die finanzielle Unterstützung | |
| genügend Ärzt:innen motivieren wird. Denn an den Rahmenbedingungen können | |
| die Bremer:innen nichts ändern. Die gibt der Paragraf 218 des | |
| Strafgesetzbuchs vor, der Abtreibungen nur ausnahmsweise erlaubt. Straffrei | |
| bleibt, wer eine dreitägige Bedenkfrist eingehalten hat und sich hat | |
| beraten lassen. Nach der 14. Schwangerschaftswoche muss ein:e | |
| Mediziner:in bescheinigen, dass ein Austragen die physische oder | |
| psychische Gesundheit bedroht. Das tun sie fast nur, wenn beim Fötus eine | |
| Behinderung diagnostiziert wurde. | |
| Diese Kriminalisierung einer medizinischen Behandlung hat zur Folge, dass | |
| Kliniken und Ärzt:innen nicht verpflichtet werden können, eine Versorgung | |
| sicherzustellen, sie ist keine Kassenleistung. Zudem trägt der Paragraf zur | |
| Stigmatisierung von Abbrüchen bei, die nur in Kauf nimmt, wer sehr davon | |
| überzeugt ist, dass sie Bestandteil ärztlicher Arbeit sind. | |
| Das Gesetz verbietet zudem Gehsteigbelästigungen durch christliche | |
| Fundamentalist:innen vor Praxen und Beratungsstellen. [4][Auch damit | |
| wäre Bremen Vorreiter]. | |
| Gut möglich, dass andere Länder nachziehen. Interesse bekundet hätten ein | |
| paar, so ein Sprecher der Bremer Gesundheitssenatorin. | |
| 27 May 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Landesgesetz-fuer-Abtreibungen/!5919021 | |
| [2] https://www.bremische-buergerschaft.de/dokumente/wp20/land/protokoll/P20L00… | |
| [3] https://www.bremische-buergerschaft.de/drs_abo/2023-03-16_Drs-20-1812_9248a… | |
| [4] /Reproduktive-Rechte-in-Deutschland/!5930994 | |
| ## AUTOREN | |
| Eiken Bruhn | |
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