# taz.de -- Vereidigung von Lukaschenko in Belarus: „Ich kann nicht anders“ | |
> Unangekündigt und hinter verschlossenen Türen läutet Machthaber | |
> Lukaschenko in Belarus seine neue Amtszeit ein. Zuvor lässt er halb Minsk | |
> sperren. | |
Bild: Ungeachtet der Massenproteste: Präsident Alexander Lukaschenko tritt sec… | |
MINSK/BERLIN dpa/rtr/ap/afp | In einer klandestinen Spezialoperation hat | |
sich der [1][umstrittene Staatschef von Belarus, Alexander Lukaschenko], | |
zum sechsten Mal ins Amt einführen lassen. | |
Der Machthaber ließ am Morgen in Minsk die großen Straßen – den Prospekt | |
der Unabhängigkeit und den Prospekt der Sieger – sperren, um sich mit | |
großer Eskorte durch die Stadt zum Unabhängigkeitsplatz chauffieren zu | |
lassen. Der öffentliche Nahverkehr wurde eingestellt. Im Präsidentenpalast | |
warteten 700 handverlesene Gäste – vor allem von den Streitkräften. | |
Der von seinen Kritikern als „letzter Diktator Europas“ beschimpfte | |
Lukaschenko schwor seinen Eid auf die Verfassung in belarussischer Sprache | |
und ließ sich von Wahlleiterin Lidija Jermoschina die Amtsurkunde | |
aushändigen. Ursprünglich war der Akt erst für November geplant. | |
„Ich kann nicht anders; ich habe kein Recht, die Menschen in Belarus fallen | |
zu lassen“, betonte Lukaschenko und meinte, es würden alle Probleme gelöst. | |
Der einzige Weg, um in Zukunft zu überleben, sei ein „starker | |
Machtapparat“. 2020 werde in die Geschichte als „sehr emotionales Jahr“ | |
eingehen. | |
## Feige Amtseinführung im Geheimen | |
„Seine geheime Vereidigung ist ein Versuch, die Macht zu ergreifen“, sagte | |
die nach Litauen ausgereiste [2][Oppositionsführerin Swetlana | |
Tichanowskaja]. „Das heißt auch, nach dem Tag heute ist Alexander | |
Lukaschenko weder das legale noch das legitime Staatsoberhaupt von | |
Belarus“, sagte sie in einer Rede vor der Parlamentarischen Versammlung der | |
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Vilnius. | |
Der einzige Ausweg aus der politischen Krise des Landes seien freie und | |
faire Wahlen. In einer Videobotschaft nannte sie Lukaschenkos Zeremonie | |
eine „Farce“ und sagte, sie sei die einzige rechtmäßige Vertreterin des | |
Volkes von Belarus. Lukaschenko hingegen sei jetzt „Rentner“. Er habe kein | |
Mandat mehr vom Volk. | |
„Ein Mensch, der 80,1 Prozent der Stimmen erhalten haben will, versteckt | |
sich nicht vor seinem Volk und erledigt seine Amtseinführung im Geheimen“, | |
sagte der Politologe Waleri Karbelewitsch in Minsk zu Lukaschenkos Schritt. | |
Diese Geheimoperation werde dazu führen, dass sich die schwere politische | |
Krise im Land fortsetze und vertiefe. „Auch die Spaltung in der | |
Gesellschaft wird größer, denn die Mehrheit der Menschen in Belarus erkennt | |
diese Wahl nicht an.“ | |
Von einer „Schande“ und einer Aktion wie in einem Verbrecherstaat sprach | |
der frühere Kulturminister Pawel Latuschko, der in der Opposition ist und | |
das Land verlassen hat. Der Kreml in Moskau teilte mit, nichts gewusst zu | |
haben von dem Termin. | |
## Aufruf zu weiteren Massenprotesten | |
Hunderttausende Menschen haben seit der umstrittenen Präsidentenwahl vom 9. | |
August regelmäßig in Minsk und anderen belarussischen Städten [3][gegen | |
Lukaschenko protestiert und seinen Rücktritt gefordert]. Auch am Tag der | |
überraschenden Amtseinführung protestierten Menschen in Minsk. Sie hielten | |
Transparente mit Parolen wie „Der König hat keine Kleider“ und „Der Sieg | |
wird dem Volk gehören“ in die Höhe. | |
Es gab erneut Festnahmen. In sozialen Medien wurden für den Abend | |
Massenproteste angekündigt. Der Oppositionelle Pawel Latuschko rief zu | |
„unbegrenztem zivilen Ungehorsam“ auf. | |
Auch Deutschland erklärte, dass Lukaschenko keine Legitimität mehr für das | |
Amt besitze. „Dass diese Zeremonie heimlich vorbereitet und unter | |
Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt wurde, ist ja schon sehr | |
bezeichnend“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Die | |
[4][gesamte EU hat die Wahl nicht anerkannt] und Lukaschenko das Recht | |
abgesprochen, weiterzuregieren. | |
23 Sep 2020 | |
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