| # taz.de -- Verdacht auf kriminelle Vereinigung: Selbstanklage für den Klimasc… | |
| > Laut Staatsanwaltschaft Neuruppin sind dort 426 Selbstanzeigen | |
| > eingegangen. Der Grund? Unterstützung der Letzten Generation. | |
| Bild: Sie sehen: Mitglieder:innen einer angeblich kriminellen Organisation | |
| Berlin taz | Infolge der Ermittlungen gegen die Gruppe Letzte Generation | |
| wegen des Verdachts auf Gründung einer kriminellen Vereinigung nach | |
| Paragraf 129 Strafgesetzbuch haben etliche Menschen Selbstanzeigen bei der | |
| Staatsanwaltschaft Neuruppin eingereicht. Diese wirft den | |
| Aktivist:innen vor, Pipelines der PCK-Raffinerie in Schwedt zugedreht | |
| zu haben. | |
| Am Mittwoch bestätigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft den Eingang von | |
| 426 Selbstanzeigen, die [1][über die Webseite der Letzten Generation] | |
| eingereicht werden können. 950 Menschen haben zudem eine Petition mit dem | |
| Titel [2][„Werde Teil der kriminellen Vereinigung Letzte Generation“] | |
| unterschrieben. Die Gruppe spricht von 1.332 Selbstanzeigen. Der Inhalt der | |
| Selbstbezichtigungen würde geprüft, so die Staatsanwaltschaft. Darüber | |
| hinaus wolle man keine Angaben machen. | |
| Ziel sei es, die Ermittlungen „ad absurdum“ zu führen, heißt es in der | |
| Petition. Und weiter: „Sie können nicht gegen alle ermitteln!“ In der | |
| linken Szene ist der Paragraf 129 berüchtigt, unter anderem, weil er so | |
| weit gefasst ist. So heißt es darin: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei | |
| Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung | |
| unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.“ Schon die | |
| einfache Unterstützung der Gruppe kann deshalb theoretisch Ermittlungen | |
| rechtfertigen. | |
| Davor warnt auch die Letzte Generation. Zwar sei eine Anzeige oder gar eine | |
| Verurteilung „sehr unwahrscheinlich“, da der Vorwurf „in der Regel | |
| hauptsächlich zur Einschüchterung“ erhoben werde. Zumindest „denkbar“ s… | |
| allerdings, dass die Selbstanzeige etwa eine Hausdurchsuchung oder | |
| Überwachungsmaßnahmen zur Folge hat. Schon ein Anfangsverdacht nach | |
| Paragraf 129 erlaubt Ermittler:innen, etwa das Abhören von Telefonen oder | |
| die Beschattung von Aktivist:innen richterlich zu beantragen. | |
| ## Konservatives Ablenkungsmanöver | |
| Auch Anwalt Lukas Theune, der einen beschuldigten Aktivisten vertritt, | |
| bezweifelt, dass die Selbstanzeigen juristische Folgen haben – damit zu | |
| rechnen sei aber, dass die Polizei die bereitgestellten Daten sammelt. Auch | |
| bezweifelt Theune, dass es überhaupt zu einer Anklage in dem Fall kommt. | |
| „Offensichtlich liegen die Voraussetzungen für den Paragrafen 129 nicht | |
| vor“, sagte er der taz. Das ganze Verfahren sei ein „konservatives | |
| Ablenkungsmanöver“: „Statt über Klimaschutz zu reden, können konservative | |
| Politiker:innen sich nun über die angebliche kriminelle Vereinigung | |
| Letzte Generation echauffieren“, so Theune. | |
| Diese Einschätzung teilt auch der Republikanische Anwältinnen- und | |
| Anwälteverein (RAV), dessen Geschäftsführer Theune ist. In einer | |
| gemeinsamen Stellungnahme mit weiteren Vereinen progressiver | |
| Jurist:innen ist von einer „unwürdigen“ Missachtung des | |
| Verhältnismäßigkeitsgebots die Rede. „In ihrer Gesamtheit erwecken diese | |
| Maßnahmen den Eindruck einer Instrumentalisierung des Ordnungs- und | |
| Strafrechts für die Delegitimierung und Einschüchterung von unliebsamem | |
| Protest“, heißt es in der Mitteilung. | |
| ## 276 Straßenblockaden | |
| Laut RAV trifft es „schon im Ansatz nicht zu“, dass es sich bei friedlichen | |
| Sitzblockaden oder auch dem Zudrehen von Pipelines um „schwere Straftaten“ | |
| handelt, von denen „eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit | |
| ausgeht“ – das aber erfordert der Paragraf. Bewertet werden müsse auch der | |
| Kontext der Taten. | |
| Dieser aber könne wegen der Dringlichkeit der Klimakrise „nicht deutlicher | |
| gegen die Annahme einer kriminellen Vereinigung sprechen“. Überhaupt sei | |
| fraglich, ob Sitzblockaden strafbar seien. [3][Ein Berliner Amtsrichter] | |
| hatte kürzlich einen Strafbefehl gegen einen Aktivisten der Letzten | |
| Generation abgeschmettert. Medienberichten zufolge soll diese Entscheidung | |
| allerdings inzwischen aufgehoben worden sein. | |
| In jedem Fall wächst durch die Selbstanzeigen der Berg an juristischen | |
| Verfahren, mit dem sich die Behörden im Zusammenhang mit der Letzten | |
| Generation herumschlagen müssen. Laut Berliner Polizei sind 2022 2.200 | |
| Strafanzeigen und 600 Bußgeldbescheide ausgestellt worden. Insgesamt habe | |
| es 276 Straßenblockaden gegeben. | |
| Update: Der Artikel wurde am Mittwoch, den 28. Dezember 2022, um die | |
| aktuellen Angaben der Staatsanwaltschaft Neuruppin ergänzt. | |
| 27 Dec 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://webforms.letztegeneration.de/selbstanzeige | |
| [2] https://www.change.org/p/werde-teil-der-kriminellen-vereinigung-letzte-gene… | |
| [3] /Blockaden-der-Letzten-Generation/!5890597 | |
| ## AUTOREN | |
| Timm Kühn | |
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