# taz.de -- Unteilbar-Aktivistin zu Sachsen-Anhalt: „Zivilgesellschaft ist in… | |
> Das Bündnis Unteilbar mobilisiert zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. | |
> Initiatorin Susanne Wiedemeyer über mögliche Folgen, sollte die AfD | |
> stärkste Kraft werden. | |
Bild: Nicht zu übersehen: AfD-Wahlplakate an der B71 in Magdeburg | |
taz: Frau Wiedemeyer, zur [1][Landtagswahl in Sachsen-Anhalt] hat das | |
Unteilbar-Bündnis eine Kampagne gestartet. In Ihrem Aufruf sprechen Sie von | |
einer „drohenden Regierungsbeeinflussung durch die extreme Rechte.“ Wie | |
sieht denn die politische Lage in Sachsen-Anhalt kurz vor der Wahl aus? | |
Susanne Wiedemeyer: Untersuchungen belegen, dass es eine bestimmte Klientel | |
gibt, das rechtspopulistische, extreme, menschenfeindliche Einstellungen | |
hat. Wir gehen aktuell davon aus, dass die AfD bei den Wahlen etwa 25 | |
Prozent haben wird. Insgesamt ist unsere Einschätzung, dass die extreme | |
Rechte keinen vermehrten Zulauf hat, aber da die CDU Rückgänge verzeichnen | |
muss, verschieben sich die Kräfteverhältnisse, und die AfD könnte die | |
stärkste Fraktion im Landtag stellen. Was wir auch nicht einschätzen | |
können, ist, wie viele Leute zusätzlich noch aus Protest wählen, weil sie | |
die Nase voll haben. | |
Die Nase voll wovon? | |
Von den Coronamaßnahmen. Der Wind dagegen ist zwar nicht so groß wie in | |
anderen ostdeutschen Bundesländern, aber es könnte dennoch sein, dass die | |
Protestwähler in diese Richtung kippen. Unsere große Angst ist, dass die | |
AfD stärkste Partei wird, auch, weil die CDU schwächelt. | |
In einer neuen Umfrage [2][liegt die AfD tatsächlich vorn.] Was würde ein | |
solches Ergebnis bei der Wahl bedeuten? | |
Die AfD könnte die Gelder für wichtige Demokratiearbeit streichen. | |
Insbesondere für kleine Vereine, die die Basis unserer Zivilgesellschaft | |
bilden, ist diese Lage bedrohlich. Ohne die Gelder gibt es weniger | |
Vielfalt, und zahlreiche wichtige Projekte und Vorhaben könnten nicht | |
umgesetzt werden. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht gegeneinander | |
ausgespielt werden und uns gemeinsam dagegen wehren. Die mühsam aufgebaute | |
und sehr aktive Zivilgesellschaft in Sachsen-Anhalt ist damit in Gefahr. | |
Schon 2017 stimmte die CDU gemeinsam mit der AfD für die Einsetzung einer | |
Enquete-Kommission zum Thema „Linksextremismus“. Welche Probleme für die | |
Vereine gab es da? | |
Es gab immer wieder Anfragen bei Vereinen, denen unwahre Dinge unterstellt | |
wurden, was die Arbeit erschwert und blockiert hat. Die Drohung der AfD | |
ist, Anträge im Landtag zu stellen, damit die Gelder für die Vereine | |
gestrichen werden. Um dagegen gemeinsam handeln zu können und sich | |
gegenseitig den Rücken zu stärken, haben wir das Bündnis aufgebaut. | |
Um welche Arbeit geht es da konkret? | |
Zum Beispiel der Verein „Miteinander“. Das ist eine der Strukturen, die | |
sich seit Jahren mit Rechtsextremismus im Land beschäftigen und sehr | |
wichtige Arbeit für Demokratiebildung leisten. Unter anderem gewährleistet | |
der Verein eine Beratung für Opfer rassistischer Angriffe. Außerdem gibt es | |
unterschiedliche Beratungsstellen, zum Beispiel für kleine Bündnisse, die | |
auf die Vielfalt in ihrem Dorf aufmerksam machen wollen. | |
Sachsen-Anhalt ist als Land der Nicht-Wähler:innen bekannt. Bei der letzten | |
Landtagswahl lag die Wahlbeteiligung gerade mal bei 55,8 Prozent. Eine | |
aktuelle Statistik besagt außerdem, dass vor allem von den jungen Menschen | |
sehr wenige wählen gehen. Wie wollen Sie die Nicht-Wähler:innen | |
mobilisieren? | |
Unsere Aktionen stehen unter dem Titel „Solidarität statt Ausgrenzung.“ Wir | |
wollen darauf aufmerksam machen, dass es in Sachsen-Anhalt eine | |
solidarische Zivilgesellschaft gibt, die sich aktiv einbringt und in ihrer | |
Vielfalt zusammensteht. Im besten Fall wollen wir verhindern, dass mehr | |
Menschen die extreme Rechte wählen. | |
Weiterhin muss klar sein, dass auf keinen Fall irgendeine Partei mit der | |
extremen Rechten Sondierungen oder Verhandlungen aufnehmen darf. Ich kann | |
nur immer wieder betonen, dass man wählen gehen soll – und demokratisch | |
wählen muss. Wir können zwar keine Großveranstaltungen durchführen, haben | |
im Rahmen der Kampagne aber pandemiekonforme Veranstaltungen geplant. | |
Zum Beispiel? | |
Wir haben bereits im April unsere Auftaktveranstaltung durchgeführt. Am | |
29.5. wollen wir dann in Halle ein „Band der Solidarität“ knüpfen. | |
Verschiedene Aktionsorte werden im Rahmen einer Menschenkette verbunden. Es | |
wird ebenso ein Gesamtbühnenprogramm geben, welches über ein freies Radio | |
ausgestrahlt und punktuell im Internet gestreamt wird. | |
Außerdem machen wir viel in den einzelnen Organisationen vor Ort, damit | |
erreichen wir auch viele Menschen. Aktuell haben bereits 150 Organisationen | |
und Einzelpersonen unterschrieben, von „Omas gegen Rechts“ über | |
Gewerkschaften bis hin zu Pro Asyl und der AWO. | |
Halten Sie es denn auch für möglich, dass die CDU trotz ihrer betonten | |
[3][Abgrenzung zur AfD] kippen kann und womöglich doch ein Bündnis mit den | |
Rechten eingeht? | |
Ich hoffe ganz fest, dass das nicht passieren wird und die CDU weiterhin zu | |
ihren klaren Beschlüssen steht. Aber je stärker die AfD wird, desto größer | |
ist das Restrisiko, dass andere Regierungsszenarien in der Diskussion | |
aufkommen. | |
Was braucht Sachsen-Anhalt für die Zukunft? | |
Eine offene und solidarische Gesellschaft, die andere Menschen aus anderen | |
Ländern Willkommen heißt. Außerdem gute Arbeitsplätze, die gut bezahlt | |
werden und bei denen es keinen Ost-West-Unterschied gibt – sonst hat man | |
das Gefühl, dass man Bürger zweiter Klasse ist. | |
Und es muss uns gelingen, die Transformation für den Strukturwandel gut | |
hinzubekommen. Wir müssen neue Industriearbeitsplätze in den Regionen | |
schaffen, wo andere wegfallen. Natürlich geht es auch schon mit der | |
Jugendarbeit los – wir brauchen ebenso auch gut ausgestattete Schulen. | |
Insgesamt müssen alle Angebote der Daseinsvorsorge gestärkt werden, gerade | |
auch um die Pandemiefolgen abzumildern. Es muss ein lebenswertes Land | |
bleiben. | |
Ist es das denn? | |
Ich finde schon. Ich bin da positiv gestimmt und sage: Wir kriegen das hin. | |
Wenn ich das nicht tun würde, müsste ich meine Koffer packen. | |
29 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Sarah Ulrich | |
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