| # taz.de -- Ungerechtfertigte Nebenkostenerhöhung: Nebyat T. darf bleiben | |
| > Die Räumungsklage gegen eine Familie in Bremen ist wohl nichtig: Der | |
| > Immobilienkonzern hat sie kaum begründet. Ein Happy End gibt's aber noch | |
| > nicht. | |
| Bild: Die Nebenkostenrechnung muss Kosten nachvollziehbar machen – bei „Adl… | |
| Bremen taz | Durch die geöffneten Fenster schallt Musik in den Saal 115 im | |
| Amtsgericht: Gut 50 Unterstützer*innen warten draußen auf der Straße | |
| auf Nebyat T., sie haben Lautsprecher mitgebracht. Die Räumungsklage, die | |
| am Freitag vorm Amtsgericht verhandelt wurde, [1][bewegt | |
| Wohnrechts-Aktivist*innen in der Stadt]. Eine Familie soll aus ihrer | |
| Wohnung gekündigt werden, weil sie ungerechtfertigte Nebenkosten nicht | |
| akzeptiert hat, so sieht man es hier. | |
| T. lebt seit fünf Jahren mit ihrer Familie in einem Wohnblock in der | |
| Robinsbalje in Huchting. Als die Berliner Immobiliengesellschaft Adler | |
| Wohnen 2017 das Haus übernimmt, werden die Nebenkosten plötzlich um 300 | |
| Prozent erhöht. Eine richtige Begründung gibt es nicht – ihr Anwalt | |
| empfiehlt T., die Erhöhung nicht zu zahlen. Nun soll T., im achten Monat | |
| schwanger, mitsamt ihren drei Kindern wegen Mietrückstands gekündigt | |
| werden. | |
| Die Verhandlung ist kurz. Schließlich liegt nicht viel vor, worüber | |
| gerichtet werden könnte. Vom Immobilienkonzern selbst ist niemand | |
| erschienen; die GmbH hat dem Gericht zur Begründung ihrer Klage nur | |
| Nebenkostenabrechnungen bis 2017 vorgelegt. „Ich habe meinen Mandanten | |
| mitgeteilt, dass das nicht reicht“, so der Bremer Anwalt des Berliner | |
| Unternehmens. | |
| Selbst die Unterlagen, die vorliegen, scheinen nicht selbsterklärend zu | |
| sein: Berechnet würden Nebenkostenvorauszahlungen auf uralte Mieten, so die | |
| Richterin Marie-Elisabeth Andrae. Noch dazu, ergänzt T.s Anwalt, bleibe die | |
| Firma nicht konstant bei einer Summe, sondern habe „zwischenzeitlich ganz | |
| andere Forderungen aufgestellt“. „Ich habe jedenfalls erhebliche | |
| Schwierigkeiten, das Mietenkonto zu lesen“, so Richterin Andrae. „Man | |
| sollte eine Saldoklage schon so begründen, dass eine mit mittlerer | |
| Intelligenz ausgestattete Richterin sie verstehen kann.“ | |
| ## Die Räumungsklage ist unschlüssig | |
| Die Erhöhung war zwei Wochen nach Abschluss des Mietvertrags mit der neuen | |
| Eigentümerfirma Adler erfolgt. Nach so kurzer Zeit könne man keinen so | |
| erheblich höheren Verbrauch begründen. „Da kann man eher von einer | |
| absichtlichen Täuschung bei Vertragsunterzeichnung ausgehen“, sagt Andrae. | |
| Die Immobilienfirma bekommt trotzdem noch die Gelegenheit, Unterlagen | |
| nachzureichen. Am 28. Mai soll mit neuen Dokumenten über den Fall | |
| entschieden werden – vermutlich aber eine Formalie, der Anwalt der | |
| Angeklagten teilte seiner Mandantin vor dem Gerichtssaal mit, dass sie zum | |
| nächsten Termin nicht unbedingt erscheinen müsse. Im Moment, so die | |
| Richterin, „ist die Klage unschlüssig.“ Es sieht gut aus für Nebyat T. | |
| Draußen auf der Straße wird geklatscht, als nach der Verhandlung das | |
| Zwischenergebnis bekannt wird. T. lächelt. Das Mikro überlässt die | |
| Eritreerin dann doch lieber dem Dolmetscher, der in ihrem Namen allen | |
| Unterstützer*innen dankt. Einer der Söhne im Grundschulalter umarmt | |
| seine Mutter und lacht. „Jetzt brauche ich keine Angst mehr haben“, | |
| übersetzt der Dolmetscher seine Worte an sie. | |
| Ein Happy End gibt es damit aber noch nicht. Bei Adler sind, glaubt man den | |
| Mieter*innen und ihren Unterstützer*innen, nicht nur die | |
| Nebenkostenabrechnungen verbesserungswürdig: Die Häuser seien feucht, | |
| Heizungen kaputt, Haustüren könnten nicht geschlossen werden. | |
| Die Vorwürfe [2][ähneln denen aus anderen Städten] und sind auch in | |
| Bremen-Huchting nicht neu; 2018 gab es im Stadtteil deshalb schon einmal | |
| einen Runden Tisch in der Nachbarschaft, mit Beteiligung von Mieter*innen, | |
| dem Quartiersmanagement und dem Huchtinger Ortsamt; damals kamen auch | |
| Vertreter*innen der Adler Group aus Berlin dazu. Ein paar Arbeiten | |
| seien danach erledigt worden, erzählt ein Sozialarbeiter aus dem Quartier, | |
| aber strukturell habe sich nichts verändert: Noch immer sei das Unternehmen | |
| für die Mieter*innen nicht erreichbar, auf Beschwerden werde nicht | |
| reagiert. | |
| Ein vom Gesundheitsamt beanstandetes Schimmelproblem werde nicht | |
| angegangen. „Für die Nachbarschaft war es eine frustrierende Erfahrung, | |
| dass auch der Runde Tisch nicht viel gebracht hat“, erzählt der | |
| Sozialarbeiter. | |
| Jetzt, wo Mieter helfen Mietern und das Bremer Bündnis Zwangsräumungen | |
| verhindern im Boot sind, gibt es wieder Versuche, die Wohnsituation zu | |
| verbessern: Es finden regelmäßige Mieterversammlungen statt. Und bald will | |
| die Nachbarschaft einen gemeinsamen Mängelbrief an die Hausverwaltung | |
| schicken. „Eigentlich müsste der Konzern auf der Anklagebank sitzen“, | |
| findet eine der Unterstützerinnen vor dem Amtsgericht. | |
| 3 May 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Lotta Drügemöller | |
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