| # taz.de -- Sozialberater über Rassismus bei Brebau: „Ethisch eine Katastrop… | |
| > Laut ARD-Berichten gibt es rassistische Praktiken bei der Bremer | |
| > Wohnungsbaugesellschaft Brebau. Ein Gespräch über Wohnraum und Rassismus. | |
| Bild: Anonym, aber sozial durchsortiert: Die Brebau steht wegen Rassismus in de… | |
| Die städtische Bremer Wohnungsbaugesellschaft Brebau soll nach Recherchen | |
| von Radio Bremen und dem ARD-Magazin „Panorama“ Wohnungssuchende | |
| systematisch diskriminieren. Unter anderem werde in Akten notiert, ob | |
| Bewerber*innen schwarz sind, Deutsch sprechen, ein Kopftuch tragen. | |
| Auch eine Liste mit unliebsamen Adressen soll es geben, darunter | |
| Einrichtungen für Suchtkranke und Übergangsheime für Obdachlose. | |
| taz: Herr Thomsen, überrascht Sie die jüngst aufgedeckte Diskriminierung | |
| von Wohnungssuchenden durch die Bremer Baugesellschaft Brebau? | |
| Herbert Thomsen: Nein. Lediglich vor dem Hintergrund, dass die Stadt Bremen | |
| die Brebau vor etwa zwei Jahren für sehr viel Geld gekauft hat mit der | |
| politischen Ansage: Wir wollen die Brebau als wohnungspolitisches | |
| Instrument nutzen, um Menschen mit Problemen auf dem Wohnungsmarkt – dazu | |
| zähle ich People of Colour oder Leute mit geringem Einkommen –, den Zugang | |
| zu vernünftigen Wohnverhältnissen zu gewährleisten. Und was da jetzt | |
| öffentlich geworden ist, ist ja das glatte Gegenteil. | |
| Warum ist die diskriminierende Praxis abgesehen davon nicht überraschend? | |
| Weil sie nicht neu ist. Ich beobachte die Bremer Wohnungsbaugesellschaften | |
| seit 30 Jahren. Es gibt immer wieder das Problem, dass Menschen | |
| benachteiligt und so systematisch ausgegrenzt werden. Ein Beispiel: Die | |
| Gewoba hat vor 20 Jahren beschlossen, Wohnungen zu privatisieren. Dieses | |
| Modell rechnet sich aber nur, wenn man für diese Wohnungen einen hohen | |
| Preis erzielt. Und das wiederum funktioniert nur, wenn in der Straße oder | |
| im Wohnblock keine desaströsen Wohnverhältnisse herrschen. Also versuchte | |
| man, sogenannte Problemfälle, also zum Beispiel Menschen mit geringem | |
| Einkommen, zu entfernen oder sie gar nicht erst einziehen zu lassen. Mit | |
| dem Ergebnis, dass sich die soziale Zusammensetzung der Mieterinnen und | |
| Mieter verändert hat. Es gibt nun Quartiere, wo es den Gesellschaften egal | |
| ist, was mit den Wohnungen passiert – sogenannte Gettos. | |
| Was wiederum zu einer vermehrten Stigmatisierung führt. | |
| Genau. Das finden wir bei der Brebau ja auch wieder mit der Sammlung der | |
| Adressen. | |
| Sie meinen die Liste der Brebau, die laut den Recherchen den Titel | |
| „Schlechte Adressen!!“ trägt. Dadurch werden auch Menschen diskriminiert, | |
| die beispielsweise in der Therapiehilfe oder in Übergangswohnheimen leben. | |
| Ist das überhaupt legal? | |
| Nein, aus datenschutzrechtlichen Gründen halte ich das für zutiefst | |
| illegal. | |
| Sowohl diese Liste als auch die Akteneinträge der Brebau? | |
| Ja, beides. Es ist illegal und ethisch eine Katastrophe, dieses | |
| Auseinanderdividieren der Bevölkerung voranzutreiben. | |
| Lassen Sie uns über die Akteneinträge sprechen. Die Brebau lässt über | |
| Wohnungsinteressierte vermerken, ob sie schwarz, mit der deutschen Kultur | |
| vertraut oder westlich integriert sind. Dafür soll es [1][sogar eine | |
| Anleitung] für Kundendienstmitarbeiter geben, berichten Radio Bremen und | |
| „Panorama“. Wie kann so offener Rassismus eine unhinterfragte Praxis | |
| werden? | |
| Das ist schwierig zu sagen. Ich gehe davon aus, dass dahinter eine | |
| Geschäftsstrategie steckt und Gesellschaften dafür sorgen wollen, dass an | |
| bestimmten Stellen ihres Wohnungsbestandes keine Konflikte entstehen und | |
| ein höheres Mietniveau durchsetzbar ist. Über Listen versucht man also, | |
| Menschen aus diesen Beständen fernzuhalten, bei denen sie eine höhere | |
| Vermutungen haben, dass es zu Konflikten oder Zahlungsausfällen kommt. Doch | |
| das ist völlig aus der hohlen Hand gegriffen. Ich kann anhand von Augen- | |
| oder Haarfarbe nicht erkennen, ob jemand seine Miete zahlt. | |
| Die Reporter*innen haben [2][vier junge Deutsche] – zwei davon People | |
| of Colour, zwei weiß – gebeten, sich bei Brebau um eine Wohnung zu | |
| bewerben. Letztere haben ein Angebot bekommen, die anderen beiden nicht. | |
| Ich weiß aus den Beratungen, wie schwierig es für einige Menschen ist, | |
| Wohnungen zu finden. Sie bekommen nur Angebote von Wohnungen am Stadtrand, | |
| die stigmatisiert sind und die die Konzerne auch praktisch abgeschrieben | |
| haben. Auch viele Privatvermieter handeln nach rassistischen Prinzipien. | |
| Was bedeuten solche rassistischen und diskriminierenden Praktiken für die | |
| Betroffenen? | |
| Sie kommen nicht aus ihrer Wohnung raus. Die Wohnverhältnisse werden immer | |
| prekärer, wenn nicht repariert oder modernisiert wird. Außerdem haben | |
| jüngere Familien Platzprobleme, wenn sie Kinder bekommen. Das geht unter | |
| heutigen Pandemiebedingungen mit Homeschooling natürlich gar nicht. | |
| Sie haben vor zwei Jahren John Jenkins, einen Mieter der Genossenschaft | |
| Espabau unterstützt, auch vor Gericht. Die wollten ihn aus der Wohnung | |
| haben. Sie sagten damals, es steckten rassistische Motive dahinter. Wie ist | |
| es ausgegangen? | |
| Er wohnt noch in der Wohnung. Die Espabau hat das Verfahren eingestellt, | |
| weil sie gemerkt haben, dass sie keinen Erfolg haben. John berichtete auch | |
| danach noch, dass viele seiner Beschwerden über Mängel nicht bearbeitet | |
| wurden. Die weißer Nachbarn schon. Das zeigt ein tiefgehendes | |
| Rassismusproblem bei Espabau. Die Vermietungspraxis der Brebau ist kein | |
| Sonderfall. | |
| Der grüne Bremer Finanzsenator und Aufsichtsratsvorsitzende von Brebau, | |
| Dietmar Strehl, hat angeblich erst durch die Recherchen von den Vorgängen | |
| gehört. Wie kann das sein? | |
| Dass ein Aufsichtsrat das nicht weiß, kann ich mir durchaus vorstellen. Die | |
| reden ja über Zahlen und Personal – und nicht die gesamte Geschäftspolitik. | |
| Die Geschäftsführung sagte zunächst auch, dass sie von der Diskriminierung | |
| und den entsprechenden Unterlagen nichts wüssten. | |
| Das glaube ich nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Abteilung | |
| Vermieten selbstständig solche Kriterien entwickelt und in der Lage ist, | |
| das auf dem Rechner der Wohnungsbaugesellschaft unterzubringen. Da müssen | |
| ja auch die IT-Administratoren involviert gewesen sein. | |
| [3][Am Mittag hat die Geschäftsführung] dann „ein mehrstufiges | |
| Sofortprogramm“ verabschiedet und eingeräumt, „dass es bei der | |
| Registrierung von Wohnungsinteressenten zu nicht von der Geschäftsführung | |
| autorisierten Prozessen gekommen ist“. Halten Sie deren Aussage, die | |
| Vorwürfe sehr ernst zu nehmen, nach diesem Hin und Her für glaubhaft? | |
| Ja, schon, denn die Stadt als Eigentümer hat mit dem Kauf der Brebau | |
| erklärt, dass sie etwas ganz anderes will. Dieses Verhalten ist nichts | |
| anderes als ein Aufstand gegen die politische Ansage. Die Geschäftsführung | |
| weiß auch, dass sie sich so ein Ding nicht leisten kann. | |
| Unter anderem die SPD-Fraktion hat nun die Freistellung der | |
| Geschäftsführung gefordert. Zu recht? | |
| Das ist durchaus vernünftig. Denn sie hat genau entgegen des Auftrags | |
| gehandelt. Man könnte das auch als Sabotage bezeichnen. | |
| Welche Konsequenzen bräuchte es noch? | |
| Die Brebau muss glaubhaft demonstrieren, dass sie mit ihrer | |
| Vermietungspolitik bricht. Personelle Konsequenzen sind das eine, aber | |
| dadurch verändert sich die Praxis nicht. Die Menschen, die letztlich | |
| entscheiden, wer eine Wohnung kriegt, müssen ja auch – positiv formuliert – | |
| umgeschult werden. | |
| Sind die Enthüllungen von Radio Bremen und „Panorama“ das Schlimmste, was | |
| sie je über Bremer Wohnungsbaukonzerne gehört haben? | |
| Ja. Es gibt aber viele Dinge bei den Wohnungsbaugesellschaften, die nicht | |
| minder problematisch sind: Die Gewoba hat bis heute mehrere Tausend | |
| Wohnungen privatisiert und dabei nicht nur an Mieter, sondern auch an | |
| Konzerne verkauft. Das halte ich für eine Katastrophe. Rassismus und die | |
| soziale Fragen laufen hier unmittelbar zusammen, aber beide sind für sich | |
| genommen ein Skandal. | |
| 22 May 2021 | |
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| [1] https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/gesellschaft/rassismus-vorwuerfe-d… | |
| [2] https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/gesellschaft/experiment-brebau-woh… | |
| [3] https://www.brebau.de/publikationen | |
| ## AUTOREN | |
| Alina Götz | |
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