# taz.de -- Umstrittener Friesenhof-Schlussbericht: Streit um Abschlussbericht | |
> SPD, Grüne und SSW wollen in Mädchenheimen keine Kindeswohlgefährdungen | |
> bemerkt haben. Schließung war trotzdem rechtens. Kritik von FDP und CDU | |
Bild: Im Untersuchungssausschuss zu den Friesenhof-Heimen: die schleswig-holste… | |
Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zu den Friesenhof-Heimen endet | |
im Streit. Und es scheint fast so, als nehme jetzt die Opposition | |
SPD-Sozialministerin Kristin Alheit (SPD) gegen ihre Regierungsfraktionen | |
in Schutz. Der Abschlussbericht soll spätestens am Donnerstag öffentlich | |
werden. Der Entwurf liegt der taz in Auszügen vor. Darin wird klar: Die | |
Regierungsfraktionen misstrauen den Aussagen der Heimbewohnerinnen. | |
Beide Lager geben getrennte Voten ab. Der Teil von SPD, Grünen und SSW | |
liest sich über weite Strecken wie eine Entlastung für die | |
Heim-Betreiberin. Zwar bedauere man, dass es die Einrichtung gab und lehne | |
die dort praktizierte konfrontative Pädagogik ab. Doch das Bild bleibe | |
„diffus“, der Sachverhalt „ambivalent“. Auch stelle eine zu missbillige… | |
Pädagogik noch keine Kindeswohlgefährdung dar. | |
Insbesondere für den Zeitraum von 2013 bis zur Schließung im Mai 2015 habe | |
man keine individuellen Kindeswohlgefährdungen „hinreichend sicher“ | |
feststellen können, erklärt SPD-Obfrau Beate Raudis, um nachzuschieben: | |
„Was nicht heißt, dass es solche nicht gegeben haben könnte.“ | |
Die von einer ehemaligen Bewohnerin im Juli vor dem Ausschuss geschilderte | |
Anordnung eines Betreuers „1.000 (!) Liegestütze machen zu lassen“ gehe | |
zwar über das „vernünftige Maß“ hinaus und könne das Wohl des Kindes | |
gefährden, heißt es in der Bewertung von SPD, SSW und Grünen. Sie verweisen | |
aber auf den pädagogischen Sachverständigen Matthias Schwabe, der | |
bezweifelt hatte, dass die Aussagen der Mädchen verlässlich seien. | |
Auch an anderer Stelle wird Schwabe angeführt, um die Aussagen der Mädchen | |
– insgesamt hatten drei ausgesagt – zu relativieren. So hatten zwei | |
Zeuginnen von der Praxis des „Aussitzens“ berichtet, bei der die Mädchen | |
über Stunden zusammen sitzen mussten, bis sie ein Fehlverhalten einräumten. | |
Eine Zeugin berichtet von 19 Stunden, eine andere von 36 Stunden, die das | |
gedauert haben soll. | |
Er wolle nicht sagen, dass man Kindern nicht glauben darf, aber diese | |
hätten auch „Dissoziationen“, wird der Pädagoge Schwabe zitiert: „Ich l… | |
da vielleicht nur zehn Minuten, aber es erscheint mir wie eine Ewigkeit. | |
Und wenn ich nachher dem ein Wort geben soll, sage ich: 24 Stunden dieser | |
Ewigkeit.“ | |
Deshalb sieht sich die Ausschussmehrheit „nicht in der Lage, konkrete | |
Feststellungen zur Dauer des Aussitzens zu treffen“. Die taz hat mit der | |
Zeugin gesprochen. Sie sagt, „es gab eine Uhr an der Wand, da haben wir | |
Mädchen regelmäßig drauf geguckt“. So hätten sie gemerkt, dass es 36 | |
Stunden dauerte. | |
„Ich glaube den Mädchen. Die haben sehr sachlich und reflektiert | |
gesprochen. Und wenn da eine Uhr an der Wand ist, können die sie auch | |
lesen“, sagt die CDU-Politikerin Katja Rathe-Hoffmann. Die Relativierung | |
durch das Gutachter-Zitat sei, „ein Schlag ins Gesicht für die Mädchen“, | |
dafür wolle sie sich entschuldigen. | |
CDU und FDP sehen sie es als gesichert an, dass Strafsport „systematisch“ | |
als erniedrigende und demütigende Reaktion auf Fehlverhalten eingesetzt | |
wurde. „In der Gesamtschau kommen wir zu dem Schluss, dass das Kindeswohl | |
im Friesenhof nicht gesichert war“, sagt FDP-Fraktionschef Wolfgang | |
Kubicki. Darauf wiesen die Aussagen der Mädchen und zahlreiche Beschwerden | |
in den Akten hin. | |
SPD, Grüne und SSW, so Kubickis Vorwurf, hätten den Maßstab für | |
Kindeswohlgefährdung „viel zu eng angelegt“, und zwar so, wie ein | |
Familienrichter ihn anlegen müsste, wenn man Eltern die Kinder wegnimmt. | |
Doch für einen gewerblichen Heimträger müssten strengere Kriterien gelten. | |
„Wenn die Auffassung von Rot-Grün-Blau tragfähig wäre, wäre die Entziehung | |
der Betriebserlaubnis durch Ministerin Alheit rechtswidrig gewesen“, sagt | |
Kubicki. Das ist brisant, schließlich klagt die Heim-Betreiberin gegen die | |
Schließung. | |
Doch danach gefragt, weist SPD-Obfrau Raudis dies zurück. Nach Bewertung | |
der Abgeordneten von SPD, Grünen und SSW sei der Entzug der | |
Betriebserlaubnis für die Heime „Nanna“ und „Campina“ am 1. Jui 2015 | |
„rechtmäßig gewesen“. | |
14 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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