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# taz.de -- Umgang mit Musikschul-LehrerInnen: Schräge Töne aus Kreuzberg
> Honorarkräfte einer Musikschule sollen in Zukunft auf ein coronabedingtes
> Ausfallhonorar verzichten. 80 Prozent der Lehrenden wären betroffen.
Bild: Klingen meist ganz schön: musikalische Kinder
Berlin taz | Anfang Juli trudelte bei den Honorarkräften der Musikschule
des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg ein Schreiben ihres Arbeitgebers ein.
Dieses sei bis zum 1. August zu unterschreiben, andernfalls würden sie
ihren Arbeitsauftrag verlieren. Inhalt und Zweck des Schreibens: Im Falle
eines erneuten Corona-Ausbruchs und daraus resultierenden
Unterrichtsausfalls sollen sich die Honorarkräfte der Musikschule damit
einverstanden zeigen, auf ein Ausfallhonorar zu verzichten.
Sollte wegen Corona kein Präsenzunterricht möglich sein und auch kein
Online-Angebot zustande kommen, „wird grundsätzlich kein Honorar oder
Ausfallhonorar fällig“, so der angestrebte Pandemiemodus.
Von allen städtischen Musikschulen ist die in Friedrichshain-Kreuzberg die
einzige, die eine derartige Neuverhandlung bestehender Verträge gefordert
hat. Betroffen sind nur die nicht fest [1][angestellten Honorarkräfte],
allerdings sind das um die 80 Prozent der Lehrenden insgesamt.
Das Lehrerkollegium der Musikschule Friedrichshain-Kreuzberg hat sich nun
in einer Presseerklärung hinter die betroffenen Kollegen und Kolleginnen
gestellt und „fordert die sofortige Rücknahme des entsprechenden Passus in
den Einzelaufträgen“.
Einem Schreiben von Torsten Wöhlert, Staatssekretär der Senatsverwaltung
für Kultur und Europa, ist zu entnehmen, dass wohl auch weitere Bezirke als
Träger ihrer Musikschulen mit dem Gedanken spielen, sich im Coronafall
gegenüber den Honorarkräften auf deren Kosten finanziell abzusichern.
Umgesetzt hat diesen Plan letztlich nur der Bezirk
Friedrichshain-Kreuzberg.
Wöhlerts Schreiben, das der taz vorliegt, ist ein eindeutiger Appell an die
Bezirke, auf eine Neufassung bestehender Verträge mit
Musikschul-Honorarkräften zu verzichten. Rechtlich sei eine solche nicht
opportun und moralisch schon gleich gar nicht. Er verweist auch darauf,
dass in den letzten Koalitionsvereinbarungen beschlossen wurde,
Honorarkräfte an Musikschulen besser und nicht schlechter zu stellen.
## Rechtlich diffizil
Der Rechtsanwalt Michael Mai, der den Fall für den Musikschullehrer Rainer
Brennecke geprüft hat, sagt, wie sich hier ein Bezirk gegen die
ausdrücklichen Empfehlungen des Senats richte, sei „einzigartig“. Von einer
Klage gegen seinen Arbeitgeber habe er seinem Mandanten dennoch abgeraten.
Rechtlich sei der Fall „diffizil“ und „nicht eindeutig“, doch „auch w…
sich der Bezirk verwaltungsrechtswidrig verhält, können sich die Lehrkräfte
nicht im Zivilrecht darauf berufen und den Vertrag anpassen lassen“, so
Mai.
Andreas Köhn von der Gewerkschaft Verdi hat den Honorarkräften der
Musikschule Friedrichshain-Kreuzberg geraten, das an sie geschickte
Schreiben in abgeänderter Form zurückzuschicken. Und zwar in eine, die
keine Schlechterstellung im Arbeitsverhältnis zur Folge habe. Er sagt, der
Bezirk wünsche sich von den Honorarkräften eine „erpresste Zustimmung“. Er
vermutet Streitigkeiten zwischen Bezirk und Senat, wer letztlich für die
Mehrkosten im Falle von pandemiebedingten Unterrichtsausfällen aufzukommen
habe.
Seine Einschätzung: „Letztlich erfolgt hier eine finanziell bestimmte
Auseinandersetzung zwischen dem Bezirksamt und dem Senat auf dem Rücken der
Honorarlehrkräfte.“ Und er vergisst auch nicht, darauf hinzuweisen, dass
Berlin mit seinen 80 Prozent Honorarkräften an den Musikschulen
Schlusslicht aller Bundesländer darin sei, Lehrkräfte in Festanstellungen
zu bringen.
## Seit 35 Jahren Musikschullehrer
Rainer Brennecke ist seit 35 Jahren Musikschullehrer in
Friedrichshain-Kreuzberg und nun einer von vielen, die sich dazu
entschlossen haben, das Beauftragungsschreiben vorerst nicht
zurückzuschicken. Er spricht von einem „hinterhältigen
Taschenspielertrick“, der an ihm und seinen Kollegen und Kolleginnen
versucht worden sei, und sagt, er sei ziemlich schockiert über den
schlechten Umgang mit Musikschullehrern. Seinem Arbeitgeber und dem Bezirk
habe er nun einen langen, persönlichen Brief geschrieben.
Inzwischen wurde sich seitens des Bezirks noch einmal in einer Mail in
dieser Woche an die Musikschullehrkräfte gewandt. Darin wurde das eigene
Vorgehen allerdings nur noch einmal bekräftigt. Gehofft werde freilich, so
steht es am Ende der Mail, dass die Musikschullehrerinnen und
Musikschullehrer „der Musikschule als Honorarkräfte verbunden bleiben“.
7 Aug 2020
## LINKS
[1] /Kulturschaffende-in-Coronakrise/!5699234
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Musikschulen
Schwerpunkt Coronavirus
Honorarkräfte
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Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Coronavirus
Arbeit in Serie
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