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# taz.de -- Musikschulen in finanzieller Not: Der Lohn macht die Musik
> Den bezirklichen Musikschulen drohen durch die knappe Haushaltslage
> eingeschränkte Angebote. Auch die Entgelte könnten sich erhöhen.
Bild: Ohne Honorarkräfte gibt es bald keine Musik mehr
Berlin taz | Musikalische Bildung so zugänglich wie möglich machen, gerade
für Kinder und Jugendliche, die aus nicht so gut situierten Verhältnissen
kommen: Diesen Auftrag erfüllen die 12 bezirklichen Musikschulen in Berlin.
Doch angesichts der knappen Haushaltslage könnte es in den kommenden Jahren
zu Einschränkungen des Angebots und einer Erhöhung der Entgelte kommen.
Insgesamt erwarten die Bezirke [1][eine Finanzierungslücke von 2 Millionen
Euro für 2024 – sowie von 3,5 Millionen Euro für 2025.] Die Folgen der
Unterfinanzierung variieren von Bezirk zu Bezirk, wie eine Umfrage der taz
ergab. „Wenn das Land Berlin diese Mehrkosten den Musikschulen im Haushalt
2024/25 nicht ausgleicht, müssen diese ihr Unterrichtsangebot verringern“,
heißt es etwa aus dem Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg auf taz-Anfrage. Auch
Spandau kündigt konkrete Einschränkungen an, sollte der Senat nicht die
fehlenden Mittel bereitstellen.
Vor allem die entgeltfreien Angebote müssten ab 2025 zurückgefahren werden,
wie der Unterricht in den Ensembles und die Kooperation mit Kitas und
Grundschulen. „Es sind die Angebote, die gerade das Wesen der öffentlichen
Musikschule ausmachen: Förderung eines gemeinschaftlichen und lebenslangen
Musizierens, Ermöglichung von musikalischer Bildung für alle sowie
Nachwuchsgewinnung“, fasst ein Sprecher des Bezirksamts die Problemlage
zusammen.
## Höhe der Honorare ist an Tarifvertrag gekoppelt
Grund für die Finanzierungsprobleme sind neben der allgemeinen Inflation
und Kostensteigerung vor allem die steigenden Honorare für
Musikschullehrer:innen, die bislang nicht in der Finanzierung
berücksichtigt sind. Die Höhe der Honorare ist an den Tarifvertrag für die
Beschäftigten der Länder gekoppelt, den Länder und Gewerkschaften derzeit
verhandeln, und steigt dementsprechend mit einem erfolgreichen
Tarifabschluss.
Die Finanzierung der Musikschulen erfolgt nicht mittelgebunden, sondern
über eine sogenannte Globalsumme, aus der die Bezirke auch zahlreiche
andere Projekte finanzieren müssen. Und die Senatsverwaltung für Finanzen
weigert sich bisher, diese Summe zu erhöhen und damit die steigenden
Honorare zu berücksichtigen.
Milena Schrader, persönliche Referentin von Finanzsenator Stefan Evers
(CDU), verweist auf die bereits im Juni erhöhte Globalsumme für die
Bezirke. „Aus diesen Mitteln können auch gestiegene Honorare für
Musikschullehrer finanziert werden“, so Schrader zur taz.
Trotz der im Koalitionsvertrag von CDU und SPD vereinbarten Absicht, den
Anteil der Festanstellungen deutlich zu erhöhen, arbeiten in Berlin immer
noch rund [2][Dreiviertel der Musikschullehrer:innen auf
Honorarbasis]. Für sie ist die Honoraranpassung bittere Notwendigkeit.
„Früher konnte man als freiberuflicher Musiker in Berlin ganz gut leben“,
berichtet Annette Goldbeck-Löwe, Lehrerin an der Musikschule Fanny Hensel,
der taz. Doch was damals als stabiler Nebenverdienst zur eigenen Karriere
diente, ist heute der Haupterwerb für viele Musiker:innen. Angesichts
steigender Mieten und Lebenshaltungskosten sei das Honorarmodell für viele
nicht mehr tragbar. Viele landen „gerade so beim Mindestlohn, wenn du den
Aufwand herunterrechnest“, erklärt Goldbeck-Löwe, die seit 30 Jahren an
Berliner Musikschulen unterrichtet.
## Keine Verträge für Honorarkräfte
Angesichts der Unterfinanzierung fürchten nun viele
Musikschullehrer:innen, von den Honorarerhöhungen nicht profitieren zu
können. Im Gegensatz zu ihren fest angestellten Kolleg:innen ist der
Stundenumfang [3][der Honorarkräfte nicht vertraglich festgelegt] und kann
so einfacher zusammengekürzt werden. „Die Lehrkräfte verdienen dann zwar
pro Stunde mehr, insgesamt aber weniger, da sie weniger Stunden
unterrichten können“, fasst die Sprecherin des Bezirksamts
Tempelhof-Schöneberg die Situation zusammen.
Sowohl die Finanzierung aus der Globalsumme als auch der hohe Anteil der
frei Beschäftigten führen dazu, dass Musikschulen weit oben auf der
Kürzungsliste der Bezirke stehen. Ob es Kürzungen gibt, hängt dann von der
jeweiligen Haushaltslage und den politischen Verhältnissen ab. „Es ist auch
abhängig davon, ob der zuständige Bezirksstadtrat eine Affinität dazu hat
oder nicht“, sagt Andreas Köhn von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.
Tatsächlich geben Reinickendorf, Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg,
Charlottenburg-Wilmersdorf und Mitte an, dass es keine Kürzungen im Angebot
der Musikschulen in ihren Bezirken geben wird.
Eine weitere Stellschraube ist die Entgelterhöhung für die Schüler:innen.
So kündigen die Bezirke Steglitz-Zehlendorf und Neukölln an, die Preise um
8 und 10 Prozent zu erhöhen. Dies führe dazu, dass Musikschulen in manchen
Bezirken teurer sind als in anderen, obwohl alle staatlich finanziert sind.
„Das ist total idiotisch“, kritisiert Annette Goldbeck-Löwe.
## Musikschulen werden teurer
Sie und ihre Kolleg:innen fordern daher schon seit Langem, die Quote der
Festangestellten deutlich zu erhöhen. Dies würde nicht nur den
Musikschullehrer:innen, sondern auch den Bezirken mehr Sicherheit bieten.
Auch könnten so Kooperationen für den Musikunterricht in Schulen
ausgeweitet werden.
Eine schriftliche Anfrage der CDU-Abgeordneten Claudia Wein von Ende
Oktober ergab, dass jede fünfte Musikstunde in Berlin derzeit von einer
fachfremden Person gehalten wird. Doch mit einer Honorarbeschäftigung ließe
sich ein Einsatz an einer Schule nicht vereinbaren, sagt Goldbeck-Löwe:
„Letztendlich schießt sich der Senat damit in das eigene Bein.“
23 Nov 2023
## LINKS
[1] /Honorare-an-Musikschulen/!5716184
[2] /Honorarkraefte-an-VHS-und-Musikschule/!5496204
[3] /Umgang-mit-Musikschul-LehrerInnen/!5700335
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
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