# taz.de -- US-Ausstieg aus Klimaabkommen: 6 Gründe, warum wir jetzt auf Klima… | |
> Donald Trump steigt wieder aus dem Pariser Klimaabkommen aus. Gerade | |
> deshalb sollte Europa auf Transformation und Klimaschutz setzen. | |
Bild: Autos stapeln sich in den Straßen von Valencia nach der Flutkatastrophe … | |
1. Klimaschutz ist billiger als Klimaanpassung | |
„Alles, was man verhindert, muss man nicht reparieren“, sagt Rüdiger | |
Glaser, Klima-Geograf der Universität Freiburg. „Je weniger wir für | |
Klimaschutz bezahlen, desto mehr müssen wir später für Klimaanpassung | |
ausgeben, das fällt uns auf die Füße.“ Außerdem sei weiterhin nicht | |
hinreichend erforscht, wie alle Teile des Erdsystems auf die Erderhitzung | |
reagieren, deswegen sei Anpassung mit großen Unsicherheiten verbunden – | |
oder extrem teuer, wenn man sich gegen alle Szenarien wappnen will. | |
Zum Beispiel sei die [1][Heftigkeit der Überschwemmungen im spanischen | |
Valencia überraschend gewesen]. Im Herbst 2024 starben dort mehr als 200 | |
Menschen. „Klimaschutz verhindert solche extremen Spitzen“, sagt Glaser. | |
„Wir tun einfach gut daran, unseren Teil beizutragen, schließlich kommen | |
die Klimafolgen auch bei uns an.“ | |
Die Fluten im Ahrtal 2021 richteten Schäden in Höhe von 33 Milliarden Euro | |
an. „Bei zwei oder drei Ahrtal-Ereignissen im Jahr ist die Frage, ob wir | |
das bezahlen können. Da kommt man schnell an die Grenzen dessen, was eine | |
Gesellschaft leisten kann“, sagt Glaser. | |
2. Die deutsche Industrie kann nicht mehr umdrehen | |
„Für die Unternehmen geht es um Stabilität und Planungssicherheit“, sagt | |
Malte Küper, Klima-Ökonom beim arbeitgebernahen Institut der deutschen | |
Wirtschaft (IW). Ein Drittel der Unternehmen setze bereits auf die | |
Klimatransformation als Geschäftsmodell. „Die Unternehmen sehen den Wandel | |
der Exportgüter: Sie wollen vom Wachstum grüner Produkte profitieren, | |
während der Markt für fossile Produkte schrumpfen wird.“ Unternehmer*innen, | |
sagt Küper, investierten weniger wegen der Demos von Fridays for Future, | |
„sondern weil sie mit klimafreundlichen Produkten Geld verdienen können“. | |
Die Firma Salzgitter-AG steckt zum Beispiel sehr viel Geld in die | |
Dekarbonisierung der Stahlherstellung. Diesen grünen Stahl wird sie aber | |
nur los, wenn die europäische und die deutsche Politik dafür sorgen, dass | |
er billiger wird oder dreckiger Stahl teurer. Denn sonst kann der grüne | |
Stahl im Preiswettbewerb nicht mithalten – und Salzgitter hat Geld in den | |
Sand gesetzt. | |
„Wir wollen der Standort sein für den ersten grünen Zement, den ersten | |
grünen Stahl“, sagt Küper. Dafür müsse massiv in die Infrastruktur | |
investiert werden. Das sei aber nur möglich, wenn durch staatliche | |
Unterstützung die Wirtschaftlichkeitslücke zwischen fossiler und | |
erneuerbarer Energie geschlossen werde, und zwar noch bis in die | |
2030er-Jahre hinein. Ein Beispiel dafür seien die Klimaschutzverträge, die | |
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eingeführt hat. | |
Ralph Obermauer, Autoindustrie-Experte der IG Metall, hält zudem den | |
Umstieg auf E-Autos für unausweichlich. „Die meisten Konzerne haben | |
mittlerweile so viel Geld investiert und die Technologie ist so weit | |
gediehen, dass es kein Zurück mehr gibt“, sagt er. | |
3. Europa verspielt sonst Wettbewerbsvorteile | |
Die Europäische Union habe eine Vorbildfunktion beim Ausbau der | |
erneuerbaren Energien, sagt Sebastian Dullien, Direktor des | |
gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung | |
(IMK). Vor allem aber werde der Punkt kommen, an dem sie billiger sein | |
werden als Öl und Gas. „Das ist absehbar. Wenn wir uns von der | |
Transformation jetzt verabschieden, ist Europa mittel- und langfristig | |
nicht mehr wettbewerbsfähig.“ | |
Auch Mario Draghi, der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank, | |
plädiert für Geduld: Die Vorteile der Energiewende würden sichtbar, wenn | |
die billigen Erneuerbaren die teuren fossilen Brennstoffe verdrängt hätten | |
– diese Zeit zu überbrücken sei die große Herausforderung, wenn Europa | |
wettbewerbsfähig bleiben will. Schon jetzt bezahlt Europa 416 Milliarden | |
US-Dollar jährlich, um fossile Brennstoffe zu importieren, das sind fast | |
drei Prozent der Wirtschaftsleistung. Umso mehr Klimaschutz wir betreiben, | |
desto weniger Öl, Gas und Kohle müssen wir importieren. | |
4. Der Globale Süden ist darauf angewiesen | |
Als Donald Trump [2][den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen | |
ankündigte], stoppte er gleichzeitig die gesamte Klimafinanzierung des | |
Landes. Darunter werden Kredite und Zuschüsse zusammengefasst, die | |
Industriestaaten an Entwicklungsländer vergeben, damit jene sich an die | |
Erderhitzung anpassen und Klimaschutz betreiben können. Die USA steuerten | |
etwa 10 Milliarden US-Dollar bei, rund doppelt so viel wie Deutschland. Das | |
reißt eine Lücke, die sich in unterfinanzierten Klimaschutz- und | |
Anpassungsprojekten niederschlägt. | |
Wegen der vom Klimawandel mitverursachten Dürren müssen zum Beispiel viele | |
Menschen auf den Philippinen, vor allem Frauen, über immer längere Strecken | |
Wasser schleppen, berichtet Cheng Pagulayan, der bei Oxfam zu | |
Klimagerechtigkeit arbeitet. Für die Menschen dort sei Klimaanpassung keine | |
Option mehr, sondern ein Bedürfnis. „In den letzten Wochen“, erzählte er … | |
November, „hatten wir sechs Stürme und zwei Super-Typhoons. Das ist nicht | |
normal. | |
Pagulayan hebt Deutschlands Vorbildrolle in der Klimafinanzierung hervor: | |
„Deutschland ist einer der größten Geldgeber in Asien und eine große Hilfe | |
bei der Anpassung.“ Jetzt, nach dem Austritt der USA aus dem Pariser | |
Abkommen, müsse die Bundesregierung noch mehr Führung übernehmen. „Wenn | |
Deutschland in den Globalen Süden investiert, geben vielleicht auch andere | |
Länder mehr Geld“, hofft Pagulayan. „Das Geld, das aktuell kommt, ist wie | |
ein einzelner Tropfen Regen für einen Verdurstenden.“ | |
5. China lässt uns ohnehin keine Wahl | |
„In China verkauft man einfach keine Verbrenner mehr“, sagt Ökonom | |
Sebastian Dullien, „und Europa verkauft sehr viele Autos nach China.“ Auch | |
IG-Metall-Experte Obermauer sagt, auf den wichtigsten Märkten wächst der | |
Anteil elektrifizierter Fahrzeuge stetig. Laut zahlreicher Prognosen werde | |
das auch so weitergehen. „Der Weltmarkt erlaubt es nicht, sich in alter | |
Technologie einzumauern.“ | |
Dullien zufolge ist China nicht in allen Zukunftsbranchen davongezogen, | |
aber Europa dürfe keine Zeit verlieren: „Noch gibt es die Chance, dass wir | |
Marktführer in CO₂-neutralen Technologien werden. Das wollen wir schaffen.“ | |
6. Trumps Wahlsieg macht keinen gigantischen Unterschied | |
Carsten Rolle, Klimaexperte des Bundesverbands der deutschen Industrie, | |
warnt davor, Trumps Einfluss auf die US-Wirtschaft zu überschätzen. Auch | |
unter Biden habe es keinen Preis auf CO₂ gegeben, der Preis von Flüssiggas | |
werde sich unter Trump ebenfalls kaum ändern. Das Klimaportal „Carbon | |
Brief“ hat ausgerechnet, dass die USA bis 2030 unter Trump etwa eine | |
Milliarde Tonnen CO₂ mehr pro Jahr ausstoßen als bei einer Fortsetzung von | |
Bidens Klimapolitik. Aber auch jene hätte die USA nicht bis 2050 | |
klimaneutral werden lassen. | |
IMK-Direktor Dullien sagt außerdem: „Mit dem amerikanischen Gaspreis können | |
wir in Europa sowieso nicht konkurrieren.“ Die europäischen Gasvorkommen | |
seien schließlich viel, viel kleiner. | |
Dass die USA überhaupt nicht mehr in Klimaschutz investieren oder ihn in | |
allen Bereichen zurückdrehen, ist nicht zu erwarten. Auch dort hängen heute | |
viel mehr Jobs an grünen Technologien als zu Trumps erster Amtszeit, | |
[3][gerade in republikanischen Staaten], sagt Küper vom IW. Ein riesiger | |
Rückschritt würde deshalb auf größeren Widerstand stoßen. Zudem werde in | |
den USA viel Klimapolitik von den Bundesstaaten gemacht, von denen viele | |
weiterhin von den Demokraten regiert werden, sagt BDI-Experte Rolle. Unter | |
anderem Kalifornien, ein US-Staat mit der Wirtschaftskraft Japans. | |
7 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Jonas Waack | |
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