# taz.de -- Tschetschenischer Oppositioneller: Abschiebung in die Gefahr | |
> Bayern will den tschetschenischen Oppositionellen Mochmad Abdurachmanov | |
> zur Ausreise nach Russland zwingen. Menschenrechtler sind alarmiert. | |
Bild: Memorial glaubt, dass die tschetschenischen Behörden den Mann in Russlan… | |
KIEW taz | Das [1][russische Menschenrechtszentrum Memorial] ist entsetzt | |
über die deutsche Ausreiseaufforderung an den tschetschenischen | |
Oppositionellen Mochmad Abdurachmanov. „Deutschland hilft Ramsan Kadyrow | |
bei der Unterdrückung von Oppositionellen“ kommentiert Memorial Ende der | |
Woche die Entscheidung. Deutschland spiele mit der geplanten Ausweisung | |
Abdurachmanovs den Verfolgungen Oppositioneller durch Tschetscheniens | |
[2][Präsidenten Kadyrow] in die Hände. | |
Memorial geht davon aus, dass die tschetschenischen Behörden Abdurachmanow | |
nach seiner Rückkehr nach Russland „jagen“ werden. Sie könnten ihn und | |
seine Familie zur Geisel machen, um auf den außerhalb Russlands lebenden | |
Bruder Druck auszuüben. Für Abdurachmanow wäre, so Memorial, wegen der in | |
Tschetschenien üblichen Sippenhaftung eine Rückkehr nach Tschetschenien | |
eine existenzielle Bedrohung. | |
Mochmad Abdurachmanov ist der Bruder des tschetschenischen Oppositionellen | |
und bekannten Bloggers Tumsu Abdurachmanov. Am 9. März hatte | |
Tschetscheniens Parlamentssprecher Magomed Daudow zur Blutrache an Tumsu | |
Abdurachmanow aufgerufen. Bereits im Januar hatte Amnesty International vor | |
dessen Abschiebung nach Russland gewarnt. | |
Gegenüber der taz bestätigte Johanna Künne, Anwältin von Mochmad | |
Abdurachmanow, die endgültige Ablehnung von Abdurachmanovs Asylantrag durch | |
ein bayerisches Verwaltungsgericht. Das Gericht, so Künne, war der | |
Auffassung, dass für Abdurachmanov in Russland eine inländische | |
Fluchtalternative bestehe. Neben einer drohenden Abschiebung beunruhige sie | |
auch, „dass man ihn in die Ecke eines gefährlichen und extremistischen | |
Verfassungsfeindes stellen will“. | |
## Deutschland spielt russischen Behörden in die Hände | |
Im August war Mochmad Abdurachmanov von einem Augsburger Gericht zu einer | |
Geldstrafe von 1.350 Euro verurteilt worden, weil er einen Artikel der | |
Deutschen Welle geteilt hatte, der mit einem Foto bebildert war, das | |
Symbolik des „Islamischen Staats“ zeigte. | |
Dabei, so Anwältin Johanna Künne zur taz, gebe es zur Strafbarkeit der | |
Verwendung verbotener Kennzeichen unterschiedliche Rechtsauffassungen: | |
„Nach Rechtsprechung des BGH kommt es nicht allein auf die Verwendung eines | |
verbotenen Kennzeichens an, sondern auch auf die Umstände der Verwendung. | |
Wenn ein Symbol erkennbar nicht benutzt wird, um die verbotene Vereinigung | |
zu unterstützen oder zu bewerben, sondern, wie hier, ein kritischer | |
Zeitungsartikel über die Vereinigung geteilt wird, dürfte das nach der | |
Rechtsprechung des BGH nicht strafbar sein.“ | |
Gegenüber der taz erklärte Swetlana Gannuschkina von Memorial, der Fall von | |
Mochmad Abdurachmanov sei nicht das erste Mal, dass Deutschland russischen | |
Behörden mit der Abschiebung Oppositioneller in die Hände spielte. Im | |
Februar 2018 war der Tschetschene Schamil Soltamuradow von Deutschland nach | |
Russland abgeschoben worden, so Gannuschkina. | |
Soltamuradow war 2018 trotz eines französischen und deutschen | |
Auslieferungsverbots nach Russland abgeschoben worden. Im April 2019 wurde | |
er von einem russischen Gericht zu 17 Jahren Haft wegen eines Aufenthalts | |
in einem Trainingslager des „Islamischen Staats“ verurteilt. Noch kurz vor | |
seiner Abschiebung hatte Soltamuradow die Anschuldigungen zurückgewiesen. | |
Auch ukrainische Behörden arbeiten mit den russischen | |
Strafverfolgungsbehörden zusammen. Ende der Woche verlängerte ein Gericht | |
in Charkiw die Auslieferungshaft für den tschetschenischen Oppositionellen | |
Achmad Ilajew. Dessen Auslieferung verlangt das russische Büro von | |
Interpol. | |
15 Sep 2019 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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