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# taz.de -- Todesstrafe in Industriestaaten: Wieder Exekutionen in Japan
> Drei verurteilte Mörder sind hingerichtet worden. Doch es regt sich
> Widerstand gegen Japans besonders grausame Umsetzung der Todesstrafe.
Bild: Exekutionszimmer samt Kontrollraum in einem Tokioter Gefängnis im Jahr 2…
Tokio taz | Erstmals seit zwei Jahren hat Japans Regierung wieder den
Vollzug von Todesurteilen angeordnet. Drei verurteilte Mörder starben am
Dienstag durch den Strang. Justizminister Yoshihisa Furukawa rechtfertigte
dies als „angemessen“. Die drei Getöteten hätten „extrem grausame“
Verbrechen verübt. Damit wiederholte der erst seit Oktober amtierende
Minister die üblichen Formulierungen seiner Beamten. Dagegen verurteilte
der Anwaltsverband die Exekutionen erneut.
[1][Seit Dezember 2012 starben in Japan 42 Menschen am Galgen]. 107
Verurteilte sitzen in den Todeszellen. Japan und die USA sind die einzigen
Industriestaaten, die die Todesstrafe vollstrecken.
Zu den jetzt Hingerichteten gehörte ein 65-Jähriger, der 2004 seine Tante,
zwei Cousins und vier weitere Menschen umgebracht und danach im Haus der
Opfer einen Brand gelegt hatte. Die beiden anderen waren ein 54-Jähriger
und ein 44-Jähriger, die 2003 zwei Angestellte einer Spielhalle getötet
hatten.
Zuletzt war Ende Dezember 2019 ein 40-jähriger Chinese am Strang gestorben,
weil er 2003 einen Geschäftsmann, dessen Frau sowie dessen acht und elf
Jahre alten Kinder ermordet hatte.
## Todeskandidaten müssen jahrelang in Einzelhaft verbringen
Seit Jahrzehnten kritisieren Menschenrechtler Japan für die besonders
grausame Umsetzung der Todesstrafe. Die Verurteilten werden de facto in
jahrelanger Isolationshaft gehalten. Sie dürfen nicht mit anderen Insassen
sprechen, nicht fernsehen und keinen Hobbys nachgehen.
Allein auf knapp sieben Quadratmeter eingesperrt, das Deckenlicht niemals
ausgeschaltet, viele Zellen ganz ohne Tageslicht, ertragen viele Gefangene
ihre Isolation nur mit Schlaftabletten. Den [2][Zeitpunkt ihrer Hinrichtung
erfahren sie erst am Morgen der Vollstreckung]. So leben sie jahrelang
unter dem Damoklesschwert, dass jeder Tag ihr letzter sein könnte. Ihre
Anwälte kritisieren diesen Umgang als „unmenschlich“.
Die Regierung rechtfertigt sich mit Umfragen, der Großteil der Bevölkerung
unterstütze die Todesstrafe. Die Umfragen sind jedoch staatlich beauftragt.
## Exekutiert wird stets in den Parlamentsferien
Zugleich geschehen die [3][Hinrichtungen stets in den Parlamentsferien] und
oft am Jahresende, damit sie nicht debattiert werden können. Zudem findet
der Vollzug unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
„Der Staat schämt sich dafür, dass er Morde verbietet, aber selbst Menschen
tötet“, meint die Journalistin Kimiko Otsuka, die zahlreiche Wärter in den
Todestrakten befragt hat.
In diesem Jahr zeigten die ausländische Dauerkritik und der Widerstand
vieler Anwälte jedoch erstmals eine sichtbare Wirkung: Das
Justizministerium teilt Anwälten und Familien der Verurteilten auf ihren
Wunsch Datum und Ort der Hinrichtung neuerdings vorab mit. Bislang
erhielten sie nach der Exekution nur die plötzliche Nachricht, dass sie den
Leichnam vom Gefängnis abholen sollen.
Außerdem haben es zwei Todestrakt-Insassen geschafft, die hohen Barrieren
nach draußen zu überwinden. Anfang November verklagten sie den Staat vor
einem Gericht in Osaka, dass die kurzfristige Mitteilung über die
Vollstreckung ihnen keine Zeit für einen Einspruch lasse.
Mit diesem Argument forderten sie eine Änderung der Praxis und eine
Entschädigung von umgerechnet 172.000 Euro für den erlittenen psychischen
Stress.
## „Gängige Praxis ohne gesetzliche Basis“
„Japan hinkt der internationalen Gemeinschaft hier weit hinterher“, sagte
ihr Anwalt Yutaka Ueda. Die derzeitige Praxis geschehe ohne gesetzliche
Basis und verstoße gegen das Strafrecht.
„Die Regierung argumentiert damit, dass man das Leiden der Verurteilten auf
diese Weise verringern will, aber das ist doch keine Erklärung“, meinte
Ueda.
21 Dec 2021
## LINKS
[1] /Todesstrafe-in-Japan/!5555645
[2] /Verurteilte-Mitglieder-der-Aum-Sekte/!5498253
[3] /Todesstrafe-in-Japan/!5158977
## AUTOREN
Martin Fritz
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