# taz.de -- Tierquälerei trotz Tierschutz-Label: Wertlose Wiesenhof-Garantie | |
> Aktivisten veröffentlichen dramatische Bilder aus Ställen des | |
> Marktführers Wiesenhof. Das Fleisch von dem Hof trug ein weitverbreitetes | |
> Tierschutz-Siegel. | |
Bild: Tod am Fließband: Schlachthof von Wiesenhof. | |
BERLIN taz | Auch in Ställen mit dem Siegel des Deutschen Tierschutzbundes | |
leidet Geflügel. Das zeigen Videos aus einer zertifizierten Hähnchenfarm | |
von Marktführer Wiesenhof, die der Verein Soko Tierschutz am Donnerstag | |
veröffentlicht hat. Das blau-weiße Label „Mehr Tierschutz“ ist das am | |
weitesten verbreitete Siegel einer Tierschutzorganisation in Deutschland. | |
Zertifiziertes Hähnchenfleisch kostet je nach Körperteil rund 30 bis 70 | |
Prozent mehr als konventionelles. | |
Auf den heimlich aufgenommenen Bildern aus einer Anlage im bayerischen | |
Velden sind zwischen den lebenden Hühnern tote, teils verwesende und | |
sterbende Tiere zu sehen. Manche Masthühner haben verkrüppelte Beine und | |
schaffen es nicht mehr zur Wassertränke. Viele Tiere haben nur noch wenige | |
Federn. Die Ställe produzieren Hähnchen für die Wiesenhof-Marke | |
„Privathof“, deren Fleisch seit Anfang des Jahres das Label „Mehr | |
Tierschutz“ des Tierschutzbunds trägt. | |
Das Siegel soll unter anderem mehr Platz für die Tiere, Pickgegenstände und | |
langsamer wachsende Zuchtlinien garantieren. Die schnellen Gewichtszunahmen | |
bei den branchenüblichen Linien verursachen oft Skelettschäden, die zu | |
permanenten Schmerzen führen. | |
Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) hat sich öffentlich immer wieder | |
für das Siegel eingesetzt. „Die von uns ermittelten Zustände in den | |
Privathof-Ställen erinnern unweigerlich an die konventionelle Hühnermast“, | |
sagt Stefan Bröckling von Soko Tierschutz. Allerdings behaupten die | |
Aktivisten nicht, dass Privathof gegen die Richtlinien des | |
Tierschutzsiegels verstoßen habe. | |
Die Privathof-Werbevideos etwa mit dem Mannschaftskapitän des | |
Bundesliga-Fußballclubs Werder Bremen, Clemens Fritz, zeigten aber nicht | |
die grausame Wahrheit der Tierhaltung, betont Bröckling. „Das ist | |
Verbrauchertäuschung. Es sind fast nur Küken und Jungtiere zu sehen. Dabei | |
sind die Hühner am Ende des Mastperiode oft in viel schlechterem Zustand.“ | |
Werder Bremen müsse seinem Sponsor Wiesenhof „die rote Karte zeigen“. | |
## Immerhin mehr Sitzstangen | |
Dass es in den normalen Wiesenhof-Ställen noch schlimmer zugeht, legen | |
Aufnahmen der Tierschützer aus einer nicht zertifizierten Farm im | |
bayerischen Kastl nahe. „Unsere Videos zeigen, wie lebende Hühner in | |
Kadavertonnen entsorgt beziehungsweise brutal totgeschlagen wurden“, teilte | |
die Organisation mit. Sie habe Strafanzeige erstattet, die Behörden | |
ermittelten bereits. | |
Wiesenhof hat eigenen Angaben zufolge nach Bekanntwerden der Vorwürfe | |
diesem Betrieb gekündigt. Solche Aufnahmen hat es in der Vergangenheit | |
schon häufiger aus nicht zertifizierten Farmen von Wiesenhof oder anderen | |
Fleischkonzernen gegeben. Bröckling war jahrelang Leiter der | |
Rechercheabteilung der Tierrechtsorganisation Peta. Seine Aufnahmen | |
erwiesen sich immer wieder als authentisch. | |
Wiesenhof erklärte, in dem von der Soko Tierschutz gezeigten | |
Privathof-Betrieb würden im Durchschnitt weniger Tiere vor der Schlachtung | |
sterben, als beim Tierschutzlabel zulässig sei. „Es gibt in jeder | |
Tierhaltung – ob konventionell, Privathof-Geflügel und Bio-Haltung – und in | |
jedem Mastdurchgang einzelne Tiere, die nicht lebensfähig sind.“ Die Firma | |
habe Journalisten die Ställe auch am Ende einer Mastperiode gezeigt. | |
Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, räumte in | |
einer Stellungnahme für die taz ein, dass das Label auch „Massenställe“ | |
zulasse, die aber etwa mit Sitzstangen besser ausgestattet seien als | |
herkömmliche. Die verwendete Hühnerrasse wachse langsamer und habe | |
„wissenschaftlich nachgewiesen keine mit den Turbotieren vergleichbaren | |
Beinschäden“. Zudem würde er sich wünschen, „dass sofort alle Bürger | |
Vegetarier werden“. Bis dahin seien aber Kompromisse nötig. Werder Bremen | |
ließ eine Anfrage der taz unbeantwortet. | |
5 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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