# taz.de -- Teurer Vergleich für Bayer: 11 Milliarden Dollar für Glyphosat | |
> Bayer legt mit einem Schlag drei Viertel der Glyphosat-Klagen in den USA | |
> bei. Das umstrittene Herbizid will der Konzern indes ohne Einschränkungen | |
> weiter verkaufen. | |
Bild: Teurer Einkauf für Bayer: Roundup, das Pestizid mit dem Wirkstoff Glypho… | |
FRANKFURT rtr | Bayer befreit sich von den Altlasten aus der | |
Monsanto-Übernahme: Der Pharma- und Agrarchemiekonzern hat sich im Streit | |
um den angeblich krebserregenden Unkrautvernichter [1][Glyphosat] in den | |
USA mit einem Großteil der Kläger auf einen Vergleich geeinigt. Dafür muss | |
Bayer aber tief in die Tasche greifen – für den Vergleich und mögliche | |
künftige Fälle [2][werden bis zu 10,9 Milliarden Dollar] fällig, wie das | |
Unternehmen am Mittwochabend mitteilte. | |
Damit seien etwa drei Viertel der insgesamt 125.000 eingereichten und | |
drohenden Klagen vom Tisch. Auch weitere andere Klagen zum | |
Unkrautvernichter Dicamba und zur Chemikalie PCB, die sich Bayer mit der | |
rund 63 Milliarden Dollar teuren Übernahme des Glyphosat-Entwicklers | |
Monsanto eingehandelt hatte, sollen mit Vergleichen beigelegt werden. | |
„Der Roundup-Vergleich ist für Bayer der richtige Schritt zum richtigen | |
Zeitpunkt, um eine lange Periode der Unsicherheit zu einem Ende zu | |
bringen“, urteilte Vorstandschef Werner Baumann. Er gestand aber auch ein, | |
dass Bayer unglücklicherweise „furchtbar viel Geld“ für ein Produkt zahle, | |
das völlig im Einklang mit den regulatorischen Vorgaben stehe. | |
Die Vorwürfe gegen Glyphosat hat der Konzern stets zurückgewiesen und | |
darauf verwiesen, dass Zulassungsbehörden weltweit das Herbizid bei | |
sachgemäßer Anwendung als sicher bewerten. Auch die US-Umweltbehörde EPA | |
gab Bayer dabei Rückendeckung und hatte Warnhinweise auf mögliche | |
Krebsgefahren verboten. | |
## Krebsforschungsagentur: „Wahrscheinlich krebserregend“ | |
Allein die Krebsforschungsagentur IARC stufte den Wirkstoff 2015 als | |
„wahrscheinlich krebserregend“ ein, auf ihre Einschätzung beriefen sich die | |
Kläger. Bayer will den glyphosathaltigen Unkrautvernichter Roundup von | |
Monsanto nun weiter ohne Einschränkungen verkaufen. Baumann erklärte, Bayer | |
habe sich für den Vergleich entschieden, weil ein jahrelanger | |
Prozessmarathon in den USA mit ungewissem Ausgang wahrscheinlich weit | |
teurer geworden wäre. Der Vorstand erwartet, auch mit den übrigen Fällen | |
kurzfristig eine Vereinbarung erzielen zu können. | |
Die laufenden Verfahren kosten Bayer zwischen 8,8 und 9,6 Milliarden | |
Dollar, für potenziell künftige Klagen sind 1,25 Milliarden reserviert. Der | |
Vereinbarung für mögliche künftige Fälle muss noch ein US-Bezirksrichter | |
zustimmen. Im Rahmen der Vereinbarung soll ein unabhängiges | |
Wissenschaftsgremium eingerichtet werden, das entscheiden soll, ob Roundup | |
Lymphdrüsenkrebs verursacht. | |
Mit dieser Krebserkrankung wird Glyphosat am häufigsten in Verbindung | |
gebracht. Bayer erklärte, sowohl die Gruppe möglicher künftiger Kläger als | |
auch das Unternehmen selbst seien an die Entscheidung des Gremiums | |
gebunden. Baumann zeigte sich aber zuversichtlich, dass das Gremium der | |
Bewertung der weltweiten Regulierungsbehörden folgt. Die Entscheidung | |
dürfte allerdings rund vier Jahre in Anspruch nehmen. So lange dürften die | |
künftigen Kläger keine Ansprüche geltend machen und Schadenersatz fordern. | |
## Bayer nicht komplett aus dem Schneider | |
„Bayer ist nicht komplett aus dem Schneider, sondern versucht, so viel wie | |
möglich zu tun, um die Unsicherheiten zu mindern“, sagte Adam Zimmerman, | |
Rechtsprofessor an der Loyola Law School. Die erste Zahlung für den | |
Vergleich erwartet der Vorstand noch in diesem Jahr. Bayer hat 2020 und | |
2021 jeweils maximal 5 Milliarden Dollar dafür eingeplant. | |
Das Geld soll unter anderem aus dem Mittelbestand, künftigen Überschüssen | |
und dem Verkauf des Tiergesundheitsgeschäfts, das Bayer allein 7,6 | |
Milliarden Dollar einbringen soll, kommen. Eine weitere Möglichkeit sind | |
zusätzliche Anleiheemissionen. Dabei geht Bayer davon aus, sein | |
Investment-Grade-Rating zu behalten. Auch die bisherige Dividendenpolitik | |
soll beibehalten werden. | |
Die Monsanto-Übernahme belastet den Konzern seit zwei Jahren schwer, der | |
Aktienkurs des einst wertvollsten Unternehmens im Dax brach seitdem um fast | |
30 Prozent ein. Der US-Staranwalt Ken Feinberg war im Mai 2019 als | |
Vermittler bestellt worden und versuchte seither, eine außergerichtliche | |
Einigung zu erreichen. Bislang hat der Konzern drei Glyphosat-Prozesse in | |
erster Instanz verloren – mit millionenschweren Schadenersatzzahlungen. Die | |
Berufungsverfahren in diesen drei Fällen will Bayer weiter vorantreiben, | |
sie sind nicht Teil des Vergleichs. | |
## Glyphosat bleibt auf dem Markt | |
Die Vergleichsverhandlungen waren schwierig, weil Bayer Glyphosat auf dem | |
Markt behalten, aber weitere Klagen in der Zukunft vermeiden wollte. Dieses | |
Ziel sei nun erreicht worden, sagte Baumann. Glyphosat zählt weltweit zu | |
den meistverwendeten Herbiziden. Um Produkthaftungsklagen zu dem | |
Unkrautvernichter Dicamba beizulegen, zahlt Bayer bis zu 400 Millionen | |
Dollar. | |
Das Herbizid war in die Schlagzeilen geraten, nachdem eine neue | |
Zusammensetzung nach Aussagen von Landwirten zu erheblichen Schäden an | |
deren Ernte führte. Das müssen die Kläger nun beweisen. Auch der | |
mitverklagte Rivale BASF soll sich an dem Vergleich beteiligen. Etwa 820 | |
Millionen Dollar kosten Bayer zwei Einigungen im Streit um die Auswirkungen | |
von PCB auf Gewässer. Die Produktion der Chemikalie hatte Monsanto bereits | |
1977 eingestellt. | |
25 Jun 2020 | |
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