# taz.de -- Rechtsstreit um Unkrautvernichter: Glyphosat-Gegner können punkten | |
> Kritiker des Herbizids haben vor dem EuGh einen Erfolg errungen. Eine | |
> Klage gegen die verlängerte Zulassung hätte nicht abgewiesen werden | |
> dürfen. | |
Bild: Brüssel will glyphosatfreie Region werden | |
BERLIN taz | Im Streit über die Zulassung von Glyphosat haben die Gegner | |
des Unkrautvernichters einen Teilerfolg erzielt: Eine Klage der Region | |
Brüssel-Hauptstadt vor dem [1][Europäischen Gerichtshof (EuGH)] hätte nicht | |
abgewiesen werden dürfen. So argumentierte Generalanwalt Michal Bobek am | |
Donnerstag im Berufungsverfahren vor dem EuGH. In seinem Schlussantrag | |
(Rechtssache C-352/19) wirft er dem Gerichtshof vor, Bestimmungen des | |
EU-Rechts falsch auszulegen und den Zugang zu den Gerichten zu sehr zu | |
beschränken. | |
Hintergrund der Entscheidung ist die Klage der Region Brüssel-Hauptstadt | |
gegen die verlängerte Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat vom März 2018. Die | |
EU-Kommission hatte den Einsatz des Herbizids im Dezember 2017 für weitere | |
fünf Jahre erlaubt. | |
Nach Ansicht der Brüsseler Regionalregierung sind die Auswirkungen des | |
Mittels auf die Gesundheit jedoch unklar: So sind sich Wissenschaftler nach | |
wie vor uneinig darüber, ob Glyphosat krebserregend ist oder nicht. | |
Aufgrund der geäußerten Zweifel seien zumindest weitere Untersuchungen | |
notwendig, argumentierte die Regierung 2018 in ihrer Klageschrift. Sie | |
wollte die Entscheidung der EU-Kommission deshalb für nichtig erklären | |
lassen. | |
Das EU-Gericht entschied jedoch in erster Instanz, dass die Regionalbehörde | |
von der angefochtenen Verordnung nicht unmittelbar betroffen und somit auch | |
nicht klageberechtigt sei. Die Belgier zogen daraufhin vor die nächsthöhere | |
Instanz, den EuGH. | |
## Sehr wohl von der EU-Entscheidung betroffen | |
Der zuständige EuGH-Generalanwalt Michal Bobek argumentiert nun in seinem | |
Gutachten zu dem Fall, das EU-Gericht habe das Kriterium der „unmittelbaren | |
Betroffenheit“ zu eng ausgelegt. Die Region Brüssel-Hauptstadt sei von der | |
EU-Entscheidung sehr wohl betroffen – weil sie durch diese daran gehindert | |
wird, ihre autonomen Befugnisse auszuüben. | |
In der Auseinandersetzung um das Pestizid Glyphosat geht es konkret darum, | |
dass die Region Brüssel-Hauptstadt eine Null-Pestizid-Politik verfolgt. Sie | |
will die Nutzung des Mittels verbieten. Da der Wirkstoff in der EU derzeit | |
genehmigt ist, ist das allerdings rechtswidrig. So hat die EU-Kommission | |
mehrfach deutlich gemacht, dass die Mitgliedstaaten die Anwendung von | |
Pflanzenschutzmitteln nicht vollständig untersagen, sondern nur im Rahmen | |
des europäischen Pflanzenschutzrechts beschränken können. | |
Die Region Brüssel-Hauptstadt sieht sich darin eingeschränkt – zu Recht, | |
wie der Generalanwalt nun urteilt. Seiner Meinung nach kann die Region | |
unter diesen Voraussetzungen ihre Befugnisse zur Regelung der Verwendung | |
von Pflanzenschutzmitteln in ihrem Gebiet nicht nach eigenem Ermessen | |
ausüben. Sprich: Die Behörde sei verpflichtet gewesen, die Zulassung von | |
Glyphosat zu verlängern. Trotz Zweifel der Regierung hinsichtlich der | |
Schädlichkeit des Mittels darf sie dessen Nutzung nicht verbieten, wenn sie | |
nicht gegen EU-Recht verstoßen will. | |
Laut dem Generalanwalt Bobek ist die Region deshalb zu einer Klage vor dem | |
EuGH berechtigt. In seinem Gutachten kritisiert er, dass der Zugang zu den | |
EU-Gerichten generell zu sehr begrenzt werde. Die “übermäßig restriktiven | |
Tendenzen“ bei der Auslegung und Anwendung der Regeln seien bedenklich. | |
Lese man die Rechtsprechung der Gerichte mit kritischem Blick, könne man | |
nur überrascht sein, wie viel Eifer und Kreativität bei der Feststellung | |
des Fehlens einer unmittelbaren Betroffenheit an den Tag gelegt würden. | |
Bobek fordert deshalb, dass EU-Entscheidungen stärker angefochten werden | |
dürfen. | |
Sein Gutachten ist noch kein Urteil, sondern nur eine Empfehlung. Die | |
Schlussanträge der Generalanwälte sind für den europäischen Gerichtshof | |
zwar nicht bindend, oft folgt er aber seinen Gutachtern. Die Entscheidung, | |
ob der EuGH die Klage der Region Brüssel-Hauptstadt gegen Glyphosat doch | |
noch zulässt, wird in einigen Wochen erwartet. | |
16 Jul 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://europa.eu/european-union/about-eu/institutions-bodies/court-justice… | |
## AUTOREN | |
Sandra Röseler | |
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