# taz.de -- Teure Unterbringung Bedürftiger: Eigener Wohnraum ist günstiger | |
> Eine eigene Wohnung ist die günstigste Variante, hilfsbedürftige Menschen | |
> unterzubringen. Linke fordert mehr Wohnungen im geschützten Marktsegment. | |
Bild: Teure Hilfe. Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften | |
BERLIN taz | Menschen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, nicht mit | |
eigenem Wohnraum zu versorgen, sondern etwa in Gemeinschaftsunterkünften | |
unterzubringen, kommt den Staat teuer zu stehen. Das zeigt die Antwort der | |
Senatssozialverwaltung auf eine Anfrage der Linke-Abgeordneten Katina | |
Schubert und Niklas Schenker, die der taz exklusiv vorliegt. | |
So gilt etwa für die Unterbringung zwangsgeräumter Menschen ein Tagessatz | |
von 27,25 Euro – das sind 820 Euro pro Monat. Dagegen sind die Kosten für | |
eine Wohnungsmiete nur etwa halb so hoch: Laut den | |
[1][Ausführungsvorschriften (AV) Wohnen] beträgt der Richtwert für die | |
Mietkostenübernahme etwa für Arbeitssuchende oder | |
Sozialhilfeempfänger:innen 426 Euro für einen Einpersonenhaushalt, | |
zuzüglich der Heizkosten. | |
„Die Kosten für eine behördliche Unterbringung nach einer Zwangsräumung | |
sind deutlich höher, als sicherzustellen, dass Mieter*innen ihre Wohnung | |
nicht mehr verlieren“, so der mietenpolitische Sprecher Niklas Schenker zur | |
taz. Er kritisiert, dass der Senat den während der Coronapandemie | |
eingeführten Kündigungsstopp bei landeseigenen Wohnungsgesellschaften, der | |
vergangenen November aufgrund der Energiekrise verlängert worden war, zum | |
Jahresende auslaufen lassen will. | |
Noch größer ist die Diskrepanz bei der Unterbringung von Geflüchteten durch | |
Leistungen wie Sozial- und Sicherheitsdienste: Je nach Unterbringungsart | |
werden pro Person bis zu 48,50 Euro am Tag fällig – 1.455 Euro monatlich. | |
Zum Vergleich: Ähnlich viel Geld sind nach der AV Wohnen als Mietkosten für | |
8-Personen-Haushalte vorgesehen, nebst 20-prozentigem Härtefallaufschlag. | |
Laut Katina Schubert, Sprecherin für Soziales, zeigt dies, „dass Wohnen | |
nicht nur mehr Selbstbestimmung verspricht, sondern auch deutlich günstiger | |
ist als behördliche Unterbringungen“. Sie fordert eine „deutliche | |
Ausweitung“ des [2][geschützten Marktsegments], also jener Wohnungen, die | |
Menschen zur Verfügung gestellt werden, die auf dem Wohnungsmarkt keine | |
Chance haben – etwa Personen mit hohen Mietschulden oder kürzlich aus der | |
Haft Entlassene. | |
## Mehr Angebot als Ziel | |
Mit den Wohnungsunternehmen, vor allem den landeseigenen, sind dafür feste | |
Quoten vereinbart. Bislang sollen diese 1.372 Wohnungen jährlich zur | |
Verfügung stellen, was zu etwa 90 Prozent gelingt. Das Ziel, das geschützte | |
Marktsegment auf 2.500 Wohnungen pro Jahr auszuweiten, wird seit Jahren | |
verfehlt – und nun auch von Schwarz-Rot angepeilt. | |
Laut der Senatsantwort kommt dabei privaten Vermietern eine „große | |
Bedeutung“ zu. Durch Anreize wie der Möglichkeit, die Wohnungen 20 Prozent | |
über dem Kostensatz der AV Wohnen zu vermieten und der Zusicherung, für | |
mögliche Schäden aufzukommen, sollen diese ihr – bislang minimales Angebot | |
– aufstocken. | |
Schubert fordert darüber hinaus die Ausweitung des Programms Wohnen für | |
Flüchtlinge, über das im vergangenen Jahr 1.200 Menschen eine Wohnung | |
fanden. Ein Ansatzpunkt: ein Modellprojekt des Senats mit der Gesobau und | |
der Caritas in Marzahn-Hellersdorf, das Geflüchtete von der Besichtigung | |
bis zur eigenen Wohnung unterstützt. Im vergangenen Jahr fanden hierdurch | |
mehr als 250 Menschen eine eigene Wohnung. | |
10 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Wohnsituation-von-Gefluechteten/!5874432 | |
[2] /Senatsprogramm-Geschuetzes-Marktsegment/!5867918 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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