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# taz.de -- Terrorismus in Zentralafrika: Hilflos in den Staatsbankrott
> In der Sahelregion nimmt die Gewalt zu, die Politik versagt. Die
> UN-Missionen können nichts ausrichten. Mali will nun russische Söldner
> ins Land holen.
Bild: Aussichtsloser Auftrag: Soldaten der UN-Mission Minusma in der malischen …
Cotonou taz | In Burkina Faso war der August ein besonders tödlicher Monat.
Nach Einschätzung der Denkfabrik International Crisis Group (ICG) haben
Dschihadisten so viele Soldat*innen und Polizist*innen getötet wie
seit 2019 nicht mehr. Neben zahlreichen Zivilist*innen – nach
Informationen des Norwegischen Flüchtlingsrats wurden alleine von Mai bis
August mindestens 480 getötet – starben Dutzende Sicherheitskräfte bei
einem Anschlag auf einen Militärkonvoi auf der Strecke zwischen Gorgadji
und Arbinda sowie bei einem Angriff auf drei Dörfer in der Provinz Oudalan,
der zwei Wochen zuvor geschah.
Weitere Opfer sind Mitglieder von Bürgerwehren, die sich vor Jahren zum
Schutz vor Viehdieben gründeten und längst legitimiert sind. Ihr Entstehen
gilt als Bankrotterklärung des Staates, dem es seit Jahren nicht mehr
gelingt, seine Einwohner*innen zu schützen. Eine Ausbildung oder gar
eine Schulung zu Menschenrechten haben die Freiwilligen zur Verteidigung
des Vaterlandes (VDP) nicht erhalten. Regelmäßig wird über Selbstjustiz
berichtet.
In Burkina Faso war bisher hauptsächlich der Norden und der Osten von
Gewalt betroffen. In ungesicherten Grenzregionen können sich islamistische
Bewegungen wie die al-Qaida nahestehende Gruppe für die Unterstützung des
Islams und der Muslime (JNIM) und der Islamische Staat in der größeren
Sahara (ISGS) problemlos ausbreiten.
Das Phänomen ist auch in Mali und Niger zu beobachten. Dort ist es vor
allem die „Region der drei Grenzen“ – Tillabéri –, wo seit Jahresbeginn
schätzungsweise an die 500 Zivilist*innen ermordet wurden. Die ICG
warnt jedoch davor, dass auch in der burkinischen Region Boucle du Mouhoun
im Westen die Unsicherheit steigt. Es gilt als Zeichen dafür, dass sich die
Terrorgruppen weiter ausbreiten können.
## Auch in Mali wächst die Gewalt
In Mali hat sich die Gewalt in den vergangenen Jahren vom Norden ins
Zentrum ausgeweitet. In der Region Mopti gerieten vor einer Woche fünf
malische Soldat*innen in einen Hinterhalt und wurden ermordet. Einen Tag
zuvor wurden drei Blauhelmsoldat*innen der Stabilisierungsmission der
Vereinten Nationen für Mali (Minusma) in der Nähe von Kidal verletzt. Die
Mehrzahl der Opfer bleiben allerdings Zivilist*innen.
Im aktuellen Minusma-Bericht zur Menschenrechtslage starben im zweiten
Quartal mindestens 160 Menschen. Mindestens 367 weitere Personen wurden
verletzt oder verschleppt. Im Vergleich zum ersten Quartal ist das ein
Anstieg von gut 25 Prozent.
Für die Mehrheit der Taten sind Terrorgruppen und bewaffnete Banditen
verantwortlich. Sie gelten anders als die Sicherheitskräfte als mobil und
sind dezentral organisiert. Das Afrika-Zentrum für strategische Studien der
US-Regierung sieht beispielsweise die 2017 aus drei Terrorgruppen
gegründete JNIM mehr als eine Koalition denn als eine einheitliche Bewegung
an. Sie wie auch der ISGS verüben Anschläge und es gelingt ihnen, Orte
unter ihre Kontrolle zu bringen und eigene Herrschaftssysteme aufzubauen.
Dass gerade Mali, das seit Tuareg-Rebellion und Staatsstreich 2012
[1][politisch immer weiter zerfällt], trotz großer militärischer Präsenz
nicht stabiler wird, betonen Expert*innen seit Jahren. Der Sahelstaat
ist knapp dreieinhalb Mal so groß wie Deutschland. „Selbst eine Million
Soldat*innen könnten diesen Staat nicht überwachen“, sagt ein Beobachter
in der Hauptstadt Bamako, der seinen Namen nicht nennen will.
## Frust über die allgegenwärtige Korruption
Erfolgreiche Terrorbekämpfung gelinge deshalb nur über die Politik. Seit
den 1990er Jahren habe die Korruption aller Regierungen stetig zugenommen
und sich überall im öffentlichen Leben etabliert. Weder das Bildungs- noch
das Gesundheitssystem funktionierten, sagt er. Die große Masse der
Bevölkerung sei frustriert. Daran habe auch die Übergangsregierung unter
Assimi Goïta, Anführer des Putsches im August 2020, nichts geändert, im
Gegenteil: „In diesem Land kümmert sich jede*r nur um die eigenen
Interessen.“
Goïta war vergangene Woche erneut in die Kritik geraten, als der
angestrebte Deal mit [2][der russischen Sicherheitsfirma Wagner] bekannt
wurde. Rund 1.000 Söldner könnten in Mali zum Einsatz kommen, was das Land
– Mali liegt auf Platz 184 von 189 des UN-Entwicklungsindexes – monatlich
mit gut 9,1 Millionen Euro bezahlen soll.
Premierminister Choguel Maïga hat das Vorhaben am Freitag erstmals
verteidigt. Im Fernsehen gab er „den Partnern“ die Schuld. Wenn sie Mali
verlassen würden, müssten andere Wege gegangen werden. Es ist eine
Anspielung auf das Ende der französischen Antiterrormission „Barkhane“.
Noch hat sie 5.100 Soldat*innen. Frankreich will aber bis 2023 etwa die
Hälfte abziehen.
Auch Tschad kündigte den Abzug von 600 Soldat*innen an, die im Rahmen
der regionalen G5-Sahel-Streitkräfte in Mali sind. Expert*innen in
Bamako sowie die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS haben die
Söldnerpläne scharf verurteilt. Sie befürchten, dass die Söldner eher zur
Instabilität beitragen und die Koordination noch komplizierter machen.
Hilfsorganisationen und die Vereinten Nationen warnten indes, dass sich die
Versorgung der Zivilbevölkerung weiter verschlechtert. Mehr als zwei
Millionen Menschen sind in ihren Herkunftsländern auf der Flucht, die
meisten in Burkina Faso (1,4 Millionen). Nach Informationen des
Welternährungsprogramms hat derzeit jede*r vierte Malier*in nicht
ausreichend zu essen.
19 Sep 2021
## LINKS
[1] /Militaereinsatz-im-Sahel/!5792937
[2] /Krieg-in-Libyen/!5668759
## AUTOREN
Katrin Gänsler
## TAGS
Schwerpunkt Frankreich
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Idriss Déby
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