# taz.de -- Sprache im Wandel: Alles beim Alten | |
> Auch im Jahr 2043 gilt: die Jungen sind hip und die Alten werden es | |
> niemals werden. Egal wie oft sie Wörter der Jugendsprache verwenden. | |
Bild: Buchstabensalat im Kopf der Alten | |
Früher wollten alle wissen, was sie erwartet, heute haben die meisten schon | |
von der Gegenwart genug. Wir blicken trotzdem einmal im Monat immer ein | |
Jahr voraus. | |
Wir schreiben das Jahr 2043. Unsere Sprache wird immer komplizierter. Wo | |
gestern noch ganz [1][simpel triggernde Terfs] und hatende Handmaidens | |
einander orbiting und breadcrumbing die White Privileges in die Hand gaben, | |
sind nun weitaus komplexere Begriffe am Start. | |
Denn wer wusste schon in den guten alten 2030er Jahren was „coelacanthing“ | |
bedeutet? In Anlehnung an das „lebende Fossil“, den Quastenflosser, | |
beschreibt es das Verhalten älterer, männlicher Solitäre, die sich in Clubs | |
langsam und scheinbar ziellos über die volle Tanzfläche treiben lassen. Sie | |
wirken dabei wie ausgestorben, so dass sie in der Masse oft übersehen, und | |
vor allem nicht als Gefahr wahrgenommen werden. Auf einmal aber tanzen sie | |
ihre Beute blitzschnell an und nerven sie zu Tode („Na, Kleene, öfter | |
hier?“, „Ich bin der Axel“, „Hattest du schon mal Tantra-Sex?“). | |
Auch andere Neuschöpfungen nehmen vor allem die Älteren aufs Korn. So | |
bezeichnet „Deathecating“ das Phänomen angeblich nur peinliche Scheiße | |
labernder „Zoomer“ (in deren Jugend noch „Generation Z“ genannt): Damal… | |
Lützegrad, Opa erzählt vom Klimakrieg, bli bla blubb. Die Zoomer rettet | |
dabei weder Selbstkritik noch Scham, denn beides gilt längst als politisch | |
höchst problematisch: So greift „Shameshaming“ Personen an, die sich für | |
etwas schämen, da Scham als protobürgerliches Tool of Depowerment | |
betrachtet wird. | |
## Wortschatz der Jugend kapern | |
„Sugarcaking“ beschreibt wiederum, wer Dinge beschönigt, und sie dadurch | |
noch schlimmer macht (Karies, Diabetes), „Phone Policing“, wer anderen | |
vorschreiben will, wann und wo das Laserphone genutzt werden darf, und | |
„Critical Happiness“ bedeutet, zu reflektieren, wie gut es einem eigentlich | |
geht. | |
Da schwirrt uns Alten mächtig der Kopf. Mit dem Rücken zur Wand versuchen | |
wir deshalb, die jüngere Generation zu provozieren, indem wir deren | |
Wortschatz kapern, um ihn ironisch gegen sie zu wenden. Doch die ungelenke | |
Aneignung steckt voller Tücken, selbst bei etablierten Begriffen: Da wird | |
[2][zum Beispiel „woke“] irrtümlich deckungsgleich mit „faschistisch“,… | |
„kritisieren“ mit „canceln“ verwendet. Das ist schon harter Cringe wie … | |
früher sagte (heute würden die Kids eher von „töricht“ oder „unangemes… | |
sprechen). Und natürlich gibt es auch dafür längst ein neues Wort: „False | |
Youngwashing“. | |
So stünde es dem bald 80-jährigen Autor dieser Zeilen ebenfalls gut zu | |
Gesicht, den aphoristischen Rat seines Futurologen Zbigniew zu beherzigen: | |
„Der alte Narr biedert sich entweder bei der Jugend an, oder er bekämpft | |
sie mit Spott. Der Weise aber hält einfach bloß die Schnauze.“ | |
29 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Uli Hannemann | |
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