# taz.de -- Maßnahmen zur Geschlechtergerechtigkeit: Das Ende „meiner Zeit“ | |
> Im Jahr 2040 werden immer mehr Männer aus der Macht und der Verantwortung | |
> gedrängt. Es ist wirklich nicht alles schlechter als früher. | |
Bild: Der BWL-Student der Zukunft | |
Früher wollten alle wissen, was sie erwartet, heute haben die meisten schon | |
von der Gegenwart genug. Wir blicken trotzdem einmal im Monat immer ein | |
Jahr voraus | |
Wir schreiben das Jahr 2040. Ich habe das Gefühl, dass eine Gegenwart, in | |
der BWL-Studierende im Gesicht tätowiert sind wie zu meiner Zeit nur | |
Unholde und Matrosen, beim besten Willen nicht mehr meine Zeit ist. „Zu | |
meiner Zeit“ ist seit jeher eine verräterische Formulierung, denn mit ihrem | |
immanent leberwurstigen Unterton impliziert sie klar, dass „meine Zeit“ | |
eigentlich vorbei ist. | |
Das ist ja auch korrekt. Ich führe nicht mal mehr ein Drohnendasein. Eine | |
Drohne dient wenigstens noch einem Zweck, nämlich dem, die Königinnen zu | |
begatten. Doch dafür sind jetzt ausschließlich die „Spermster“, junge | |
Befruchter aus dem Edelkaffeemilieu um „The Wank Coffee Roasters“ | |
zuständig, während ich damals sofort den Vorschlag des Ministeriums für | |
Geschlechtergerechtigkeit angenommen hab. | |
Jeder über 50-Jährige, der sich vasektomieren lässt, bekommt zehn Euro | |
Rente mehr, sowie einmalig einen 200-Euro-Gutschein für den Baumarkt. | |
[1][Seit 2030] ist diese Maßnahme Teil des „Pakets der sozialen Vernunft“, | |
das ältere Männer sukzessive aus der Macht, aber auch aus einer | |
Verantwortung entlässt, der sie ohnehin nie gewachsen waren. Das hat die | |
Geschichte nachdrücklich bewiesen. | |
Zunächst war nur eine Art Funktionärsführerschein, im Volksmund | |
„Penis-Pappe“, geplant, um die Einflüsse charakterlich ungeeigneter | |
Personen in Politik, Sport, Kultur, Justiz, Medien und Wirtschaft | |
einzuschränken. Doch die Gemeinten stellten sich die Dinger einfach selbst | |
aus. Also musste ein restriktiveres Instrument her: Entlassung, | |
Entmündigung und Einschläferung – wer nicht hören will, muss sterben. | |
Nun sitze ich seit sieben Jahren zu Hause und helfe meiner Hausnymphe | |
Apocalypso beim Bügeln der Taschentücher. Ich habe ja so viel Zeit, | |
schließlich veröffentliche ich nicht mehr. Längst gilt meine Perspektive | |
pauschal als uninteressant. Immerhin konnte ich sie bereits jahrzehntelang | |
verbreiten; es ist nur fair, dass jetzt auch mal Andere dran sind. Ich darf | |
sogar weiterleben, weil ich zum Glück nie besonders wichtig war. | |
Nach heutigen Maßstäben wirkt es allerdings auch absolut bizarr, dass man | |
selbst noch in den 2020er Jahren [2][Typen, die man auf der Straße] noch | |
nicht mal nach dem Weg fragen würde, die Geschicke ganzer Imperien in die | |
altersfleckigen Pfoten legte. Nein, heute ist wirklich nicht alles | |
schlechter als zu meiner Zeit. | |
30 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Uli Hannemann | |
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