# taz.de -- Soloregatta Vendée Globe: Skipperin im Dauerpech | |
> Isabelle Joschke war die bestplatzierte Frau bei der | |
> Weltumsegelungsregatta. Wegen Problemen am Kiel ihres Bootes kann sie das | |
> Rennen nicht beenden. | |
Bild: Noch guter Hoffnung: Isabelle Joschke am Kap Hoorn | |
BERLIN taz | Für die Segler*innen der Soloregatta [1][Vendée Globe] ist das | |
gefürchtete Kap Hoorn an der Südspitze Chiles die letzte große Wegmarke im | |
Rennen um die Welt. Die Passage des Kaps ist der Beginn der rund 7.000 | |
Seemeilen langen Zielgeraden bis zum Hafen von Les Sables-d’Olonne an der | |
französischen Atlantikküste. Ab Kap Hoorn wird es zum Äquator hin ständig | |
wärmer und im Vergleich zu den teilweise brutalen und chaotischen | |
Bedingungen im Südpazifik versprechen der Süd- und Nordatlantik | |
entspannteres Segeln. | |
Davon hatte auch die deutsch-französische Profiskipperin [2][Isabelle | |
Joschke] geträumt. Die Bedingungen nördlich der antarktischen Eisgrenze | |
hatten der 37-Jährigen zugesetzt. Sie beklagte, dass sie ständig friere und | |
machte auch keinen Hehl daraus, dass sie gelegentlich seekrank wurde und | |
auch mal Angst hatte. Trotzdem kämpfte sie sich zäh und beharrlich immer | |
weiter nach vorn. | |
Doch kurz vor dem Kap bekam Joschke zunächst Probleme mit dem | |
Windinstrument, das für die Steuerung per Autopilot unabdingbar ist. Dann | |
musste sie ein eingerissenes Segel flicken. Und schließlich brach der | |
Hydraulikzylinder am Kopf des Schwenkkiels. Wenn der Kiel nach Luv geneigt | |
wird, hat er mehr aufrichtendes Moment. Dann verträgt das Boot eine größere | |
Segelfläche und segelt schneller. Einer völlig erschöpften Joschke gelang | |
es noch vor dem Kap, den Kiel immerhin in einer Mittelposition zu fixieren | |
und damit ein unkontrolliertes gefährliches Hin- und Herschwingen zu | |
verhindern. Joschke verlor an Geschwindigkeit und fiel durch die | |
Reparaturen auf den elften Rang zurück. | |
Im Oktober war sie als eine von sechs Frauen unter den 33 Teilnehmer*innen | |
gestartet. Weil sie bei früheren Regatten schon zweimal den Mast verloren, | |
ihr einmal der Großbaum gebrochen war, sie ein Riff touchiert und sogar mit | |
einer Delamination des Rumpfes zu kämpfen hatte, war die vom Pech verfolgte | |
Joschke diesmal sehr vorsichtig gestartet. Den ersten beiden stürmischen | |
Tiefdruckgebieten wich sie demonstrativ aus und fand sich auf einem | |
enttäuschenden Rang in den 20ern wieder. Dabei hatte sie sich als Ziel | |
einen ihrem Können entsprechenden Platz unter den ersten zehn gesetzt. | |
Doch ab dem Südatlantik holte die in München geborene Seglerin, die meist | |
in Frankreich lebt und klassische Literatur studiert hat, beständig auf. | |
Mit ihrer britischen Freundin Sam Davies, die als bis dahin bestplatzierte | |
Skipperin nahe von Südafrikas Kap der Guten Hoffnung nach dem Zusammenstoß | |
mit einem „Ufo“, einem unbekannten, treibenden Objekt, aufgeben musste, kam | |
es sogar fast noch zu einer Kollision der beiden. | |
Bis zum Jahreswechsel arbeitete sich Joschke zeitweilig bis auf den fünften | |
Platz vor, bevor sie durch die Reparaturen wieder zurückfiel. Mehrmals lag | |
sie vor dem Deutschen Boris Herrmann, der wie sie erstmals an dieser | |
strapaziösen Langstreckenregatta teilgenommen hat. Doch in der Nacht auf | |
Sonntag brach etwa 1.100 Seemeilen östlich von Argentinien die Arretierung | |
des Kiels. Der drohte gefährlich zu schlagen und womöglich abzubrechen oder | |
den Rumpf zu beschädigen. | |
Laut ihrem Teammanager barg Joschke sofort das Großsegel, um Fahrt aus dem | |
Schiff zu nehmen. Doch bald sah sie sich gezwungen, am 62. Tag das Rennen | |
nach drei Viertel der Strecke aufzugeben. Sie ist damit Nummer sieben unter | |
den gestarteten 33 Skipper*innen, die diese härteste Regatta der Welt | |
vorzeitig beenden musste. | |
## Boris Hermann auf Rang sechs | |
[3][Boris Herrmann hatte mehr Glück]. Er war nach Reparaturarbeiten vom | |
kurzzeitigen dritten Platz zu Weihnachten bis auf Rang elf zurückgefallen. | |
Erst hatte er Probleme mit der Stromerzeugung, später musste er stundenlang | |
ohne Großsegel fahren, weil er nach der Reparatur eines Risses im Segel bei | |
den kalten Temperaturen erst auf das Trocknen des Klebers warten musste. | |
Hätte er den Schaden nicht schnell bemerkt, hätte das Segel durchreißen und | |
nicht mehr repariert werden können. Das wäre das Ende gewesen. Doch konnte | |
Herrmann inzwischen wieder auf Rang sechs vorfahren mit nur noch 290 | |
Seemeilen Rückstand auf den Erstplatzierten. In seinem letzten Video von | |
Bord genoss Herrmann das inzwischen wärmere Wetter bei mäßigem Wind in | |
ruhiger See. Das Segeln machte ihm sichtlich Spaß. | |
Kein Wunder: Mehrfach zählte er in den letzten Tagen zu den Schnellsten und | |
hofft, noch einen weiteren Platz gutzumachen. „Ich habe mir Platz fünf zum | |
Ziel gesetzt. Das muss nicht, kann aber klappen“, sagte er in einem seiner | |
[4][Interviews von Bord]. | |
Angeführt wird das Rennen zur Zeit vom Franzosen Yannick Bestaven vor | |
seinem Landsmann Charlie Dalin und dem früheren Paralympics-Sieger Damien | |
Seguin, einem weiteren Franzosen. Der hat seit Geburt nur eine Hand. Der | |
führende Bestaven hatte zeitweilig einen Vorsprung von 400 Seemeilen, lag | |
aber zuletzt wegen ungünstigeren Windes nur noch 49 Seemeilen voraus. Damit | |
ist der Ausgang des Rennens wieder völlig offen. Die ersten werden Ende | |
Januar in Les Sables-d’Olonne erwartet. | |
11 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.vendeeglobe.org/en | |
[2] https://isabellejoschke.com/ | |
[3] /Segelmarathon-Vendee-Globe/!5736092 | |
[4] /Soloskipper-als-Medienstars/!5728808 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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