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# taz.de -- Spaß-Regatta in Lübeck: Endlich wieder Eisarsch!
> Nach zwei Jahren Ausfall wegen Corona fand der Lübecker Segelwettbewerb
> am Wochenende wieder statt. Erst seit 2019 dürfen Frauen antreten.
Bild: Die Segler*Innen der 54. Eisarschregatta auf der Wakenitz
Lübeck taz | Das Wetter wird der Veranstaltung gerecht. Bei 0 Grad, die
sich anfühlen wie Minus 3 Grad ziehen und knoten 20 Menschen am Tauwerk
ihrer Segelboote der Optimistenklasse. Unter Ihnen ist Clara Weimer. Die
26-jährige Studentin nimmt zum ersten Mal an der Eisarsch-Regatta teil.
„Läuft Eins-A!“ antwortet sie verschmitzt grinsend auf die Frage, wie die
Vorbereitungen zwei Stunden vor dem Start laufen. Moralische Unterstützung
erhält sie von zwei Freunden der Familie und ihrem Vater, der die Regatta
auch einige Male mitsegelte.
Die Kultveranstaltung des Lübecker Yacht Clubs findet jährlich bereits seit
1969 statt. Nur die Pandemie, ein Zufrieren der Wakenitz oder absolute
Windstille konnten die Veranstaltung bisher verhindern. Die 54.
Eisarschregatta findet trotz mageren Windes statt. „Hier auf der Wakenitz
mit Land und Bäumen um den Fluss kann sich der Wind nicht so frei entfalten
wie auf der Nord- oder Ostsee. Das macht die Regatta zum Teil auch zu einem
Glücksspiel“, erklärt Weimer.
Das sind spannende Bedingungen für den begehrten „Eisarsch“ sowie weitere
Auszeichnungen, die es bei der Regatta zu gewinnen gibt. Die rosa
Plastiktrophäe, eine Wanderpokal in Form eines Kinderpopos, ist umrahmt von
Holz mit kleinen Schildern bisheriger Gewinner. Wie die taz berichtete,
handelt es sich bei dem 1971 gestifteten Preis um den Abguss des Popos
eines Sohnes der damaligen Organisatoren. Inzwischen ist er selbst
begeisterter Teilnehmer der Regatta.
Allein diese Trophäe dürfte Grund genug sein für die 55
Teilnehmer*Innen dieses Jahres, darunter acht Frauen, ihre Hintern den
kalten Böden ihrer kleinen Boote auszusetzen. Normalerweise benutzen Kinder
und Jugendliche diese Bootsklasse, um Segeln zu lernen. Clara hat sich ihr
Boot vom Yachtclub Lübeck geliehen. Mit sechs Jahren ist sie mit ihrem
Bruder dem Yachtclub beigetreten, das Boot, mit dem sie jetzt an dem Rennen
teilnimmt, ist das, auf dem sie damals anfing.
Heute will sie mit der „Muckla“ gewinnen: „Mit dem Boot bin ich verbunden.
Ich hab es mir gewünscht für die Regatta.“
## Teilnehmerin verkleidete sich als Weihnachtsmann
Clara wollte bereits 2019 mitsegeln, als zum ersten Mal auch [1][Frauen
offiziell teilnehmen] durften. Damals galt jedoch noch eine
Altersbeschränkung von mindestens 25 Jahren, und Clara war erst 23. Heute
dürfen Frauen und Männer ab 21 Jahren teilnehmen.
Die erste Frau bei der Eisarschregatta, Heike Gercken, fuhr allerdings
schon 2008 mit. Die Jugendtrainerin des Neustädter Segelvereins mischte
sich damals unter die als Weihnachtsmänner verkleideten männlichen Segler.
So sahen die meisten Teilnehmer bei dem Rennen aus, das in diesem Jahr auf
den sechsten Dezember fiel.
Ihren Namen schrieb sie undeutlich auf die Anmeldung, sodass er als „Heiko
Gercken“ gelesen wurde Als sie im Ziel ankam, legte sie den Nikolausmantel
ab und stand mit weißem Engelsgewands da. Die Aktion wurde von den
Veranstaltern akzeptiert, aber auch zu einem einmaligen Ereignis erklärt.
Obwohl es vorher schon Anfragen von weiblichen Seglerinnen gab, sollte es
noch elf Jahre dauern, bis diese auch zur Eisarschregatta zugelassen
wurden. „2019 hat der Yachtclub sein 50-jähriges Jubiläum gefeiert. Das war
der Anstoß für eine neue Generation, in der auch Frauen bei unserer
Eisarschregatta mitsegeln konnten“, sagt der Pressesprecher der Travemünder
Woche, Ralf Abratis, der sich auch bei der Eisarschregatta um die
Pressearbeit kümmert.
Warum die Beschränkungen nicht schon früher aufgehoben wurden, kann Clara
nicht erklären. Sie sei glücklich, überhaupt dabei zu sein, sagt sie.
## Kreisen um die Startlinie
Samstag, 30 Minuten vor dem Start. Clara Weimer lässt ihre Muckla ins
Wasser. Sie trägt mehrere Schichten Kleidung, eine Bommelmütze, eine
Schwimmweste und eine Digitaluhr, damit sie rechtzeitig startet.
Bevor es losgeht, kreist sie wie die anderen Teilnehmer*Innen auch
hinter einer gedachten Startlinie, die später beim Start von einem
Motorboot abgefahren wird. Für die Segler*Innen geht es darum, hinter
dieser Linie eine gute Position mit genügend Wind für einen gelungen Start
zu erkämpfen.
Clara gelingt kein sehr guter Start. Sie habe sich für die falsche Seite
entschieden, sagt sie nach dem Rennen, und nicht damit gerechnet, dass das
Motorboot so schnell abfahren würde.
Dennoch holt sie im Verlauf der Regatta einige Plätze auf. Aufgrund des
launischen Windes sind viele Wendemanöver nötig, gelegentlich muss Clara
auf besseren Wind warten. In solchen Notlagen, das hatte sie bereits vor
dem Rennen mit einem Lachen gesagt, bleibe nur noch Beten übrig.
Für die Zuschauer*Innen ist es nicht einfach, vom Ufer aus den Überblick
zu behalten. Die Boote sind auf der Wakenitz weit verstreut. Bei den Bojen,
die die Rennstrecke markieren, stauen sie sich, und es zu kommt zu kleinen
Zusammenstößen.
Um den ersten Platz konkurrieren die weit vorne liegenden Segler Mathias
Düwel und Nikolaus Mattig. 45 Minuten nachdem Start kann Düwel das Rennen
auf den letzten Metern für sich entscheiden. Bei der Siegerehrung hebt er
glücklich seine Eisarschtrophäe hoch.
Clara wird mit dem 26. Platz immerhin drittbeste unter den Frauen. Bei
ihren bisherigen Regatten habe sie noch nie einen ersten Platz gewonnen,
sagt sie. Den Spaß hat ihr das aber noch nicht verdorben: „Etwas Ehrgeiz
ist natürlich immer dabei, aber gerade gilt: Dabei sein alles.“
Dass ihr [2][das Segeln großen Spaß] macht, zeigt auch ihr Berufswunsch:
Clara studiert in Flensburg Nautik und möchte Kapitänin werden. „Es war
eine spontane Idee, zu der mich eine Freundin bewegt hatte.“
Die Frage, was ihr lieber wäre: freie Schiffswahl als Kapitänin oder ein
Mal den Eisarsch gewinnen, beantwortet Clara nach kurzem Nachdenken so:
„Vom Job hat man länger etwas.“ Aber beim Eisarsch werde sie es immer
wieder versuchen.
5 Dec 2022
## LINKS
[1] /Drei-Frauen-liegen-sehr-gut-im-Rennen/!5893177
[2] /Alternativen-zur-Fussball-WM/!5896458
## AUTOREN
Sebastian Ridder
## TAGS
Segeln
Regatta
Lübeck
Gleichberechtigung
Segeln
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Segeln
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