# taz.de -- Segelmarathon Vendée Globe: Milde Wut | |
> Die Führenden in der Weltumsegelungsregatta haben mehr als die Hälfte des | |
> Wegs hinter sich. Bald passieren sie den abgeschiedensten Punkt der Welt. | |
Bild: Vorbildlicher Abstand zu allen Mitmenschen: Segler Boris Herrmann auf dem… | |
Das hat es bei der [1][Vendée Globe] noch nie gegeben: Die als „Wütende | |
Fünfziger“ bekannte und berüchtigte Starkwindregion der 50er Breitengrade | |
im Südpazifik empfängt bei dieser Auflage der Einhandregatta um die Welt | |
die Segler*innen mit einem stabilen Hochdrucksystem und damit einer | |
ausgeprägten Flaute. Um das vor ihnen liegende Gebiet wenigstens | |
ansatzweise zu umsegeln, steuern die Skipper eng an der von der | |
Wettfahrtleitung festgelegten Verbotszone der Eisgrenze entlang. | |
Sollten die Meteorologen recht behalten, wird sich in den Tagen der Flaute | |
die Führungsgruppe des Feldes aus ursprünglich 33 Booten zusammenschieben. | |
Dann dürften sich am Samstag nach mehr als 12.000 Seemeilen bereits | |
gesegelter Strecke die ersten acht Boote auf weniger als einhundert Meilen | |
verteilen. Ein so enges Rennen gab es noch nie. | |
[2][Der deutsche Skipper Boris Herrmann] (39) liegt bei seiner ersten | |
Teilnahme bei diesem Ausdauerrennen auf einem hervorragenden vierten Platz. | |
Wie die meisten Skipper hat Herrmann die milderen Bedingungen der letzten | |
Tage genutzt, um dringende Reparaturen an seinem Boot sowie an seiner | |
Standardfock J2 durchzuführen. Dabei hat er trotzdem noch den Abstand auf | |
die Boote vor ihm verringern können. Diese hatten teilweise noch größere | |
Schäden zu beheben. | |
Noch im Indischen Ozean, der sich jetzt meist von seiner stürmischen Seite | |
und mit völlig unregelmäßigem Wellengang gezeigt hatte, gab es einmal eine | |
Leichtwindzone. In der kamen sich plötzlich fünf teilnehmende Boote so | |
nahe, dass sich zwei Skipper sogar von Schiff zu Schiff unterhalten | |
konnten. | |
## Nette Unterhaltung | |
Herrmann, der keinen Hehl daraus macht, dass die Einsamkeit beim Solosegeln | |
nicht seine Sache ist, freute sich über die Begegnung auf See. „Das war | |
sehr motivierend und supernett“, meinte er. Es liegt in der Natur des | |
sogenannten Einhandsegelns auf dem Meer, dass die Einhaltung der | |
Abstandsregeln, die durch die Coronapandemie überall zum Alltag geworden | |
sind, schon in den Vorjahren stets übererfüllt waren. | |
Noch vor einer Woche war Herrmann bei seiner per Satellit abgehaltenen | |
[3][wöchentlichen Pressekonferenz] davon ausgegangen, dass er an den | |
Weihnachtsfeiertagen den berühmten Point Nemo passieren wird. Das ist der | |
errechnete Punkt im Meer zwischen Neuseeland und Chile, der auf der ganzen | |
Welt am weitesten von jeglichem Land entfernt ist, genau 2.688 Kilometer in | |
beide Richtungen. | |
Dorthin kann kein Rettungshubschrauber mehr fliegen, weil er mit seiner | |
Tankfüllung nicht mehr zurückkäme. Der nächste Mensch ist dennoch nur 408 | |
Kilometer entfernt – in der Raumstation ISS, wenn sie beim Umkreisen der | |
Erde die Stelle gerade überfliegt. Wegen der prognostizierten Flaute der | |
nächsten Tage wird Herrmann den Point Nemo wahrscheinlich erst am 30. | |
Dezember passieren. | |
## Wechsel in der Führung | |
Bisher hat bei dieser 9. Auflage der Vendée Globe der Spitzenreiter schon | |
mehrfach gewechselt, meist, weil der Führende mit Schäden am Boot zu | |
kämpfen hatte. So fiel der Franzose Louis Burton bei der Reparatur seines | |
Mastes, die er im Windschatten der Macquarieinsel 1.500 Kilometer südlich | |
von Tasmanien durchführen musste, vom ersten auf den elften Platz und hat | |
jetzt rund 800 Seemeilen Rückstand. | |
Boris Herrmann segelt bewusst eher vorsichtig und fährt etwa bei stärkerem | |
Wind und Wellen seine Seaexplorer lieber langsamer, um keine Beschädigungen | |
zu riskieren. Bisher hat sich diese Herangehensweise ausgezahlt. Dabei | |
lautet Herrmanns Credo ohnehin, dass für ihn letztlich das Erreichen der | |
Ziellinie an der französischen Atlantikküste wichtiger ist als eine gute | |
Platzierung. | |
Bisher haben schon sechs Boote aufgeben müssen. Dabei sind jetzt die | |
Führenden schon sechs Tage langsamer als der Sieger bei der letzten Vendée | |
Globe vor vier Jahren. Damals brauchte der insgesamt 74 Tage. Es war | |
eigentlich erwartet worden, dass die Sieger die Strecke in nur noch 70 | |
Tagen oder weniger schaffen. Denn die neuesten Boote haben optimierte | |
Tragflächen („Foils“) bekommen, um die Rümpfe stärker aus dem Wasser zu | |
heben und damit schneller zu machen. Andere Boote wie das von Herrmann | |
wurden entsprechend nachgerüstet. Doch die Bedingungen seien bisher einfach | |
nicht gut gewesen, um mit Hilfe der Tragflächen größere Geschwindigkeiten | |
zu erreichen, erklärt Herrmann. Und einige ältere Boote ohne Tragflächen | |
hätten sich noch als erstaunlich konkurrenzfähig erwiesen. | |
„Ich bin froh, dass ich Proviant für 80 Tage mitgenommen habe“, sagt der | |
derzeit drittplatzierte Thomas Ryant halb ernsthaft, halb im Scherz. Er hat | |
jede Hoffnung auf einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufgegeben. Herrmann | |
hofft, nach der Umrundung von Kap Hoorn quasi auf der Zielgraden im | |
Atlantik wieder auf gute Bedingungen zu stoßen, um das | |
Geschwindigkeitspotenzial seines Bootes nutzen zu können. „Wenn ich rund | |
Kap Hoorn bin, gibt es eine große Feier hier an Bord“, verspricht er. | |
23 Dec 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.vendeeglobe.org/en | |
[2] /Segelrennen-einmal-um-die-Erde/!5724878 | |
[3] /Soloskipper-als-Medienstars/!5728808 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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