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# taz.de -- Skandal um goldene Reisepässe in Zypern: EU-Eintrittskarte für di…
> Abgeordnete werden dabei gefilmt, wie sie vermeintlich Kriminellen Hilfe
> beim Erlangen eines EU-Passes anbieten. Der Fall zieht weitere Kreise.
Bild: „Ungültig“ müsste wohl auch auf einige der „goldenen“ EU-Reisep…
Berlin taz | „Es wird nicht leicht. Aber ich verspreche, dass wir unser
Bestes tun werden“, sagte der Parlamentsabgeordnete Christakis Giovanis.
Parlamentssprecher Demetris Syllouris versprach seine „volle Unterstützung
– auf jeder Ebene: politisch, wirtschaftlich, sozial, alles“. Zu „99
Prozent“ werde die Sache klappen. Vorher müsse Geld fließen. Seit der
vergangenen Woche sind Giovanis, bis dahin Abgeordneter der linken AKEL,
und Syllouris, der einer kleinen konservativen Partei angehört, nicht
länger Mitglieder des zyprischen Parlaments. Beide gaben ihre Mandate auf.
Er habe „in keiner Weise gegen das Gesetz verstoßen“, sagte Syllouris.
Beide Parlamentarier sind tief in einen Skandal verstrickt, der weit über
die Grenzen des EU-Mitglieds Zypern hinausreicht. Es geht dabei um die
Vergabe der zyprischen Staatsbürgerschaft im Tausch gegen Investitionen in
Höhe von jeweils mindestens 2,5 Millionen Euro auf der Insel. Dieses
Programm, offiziell genannt „Staatsbürgerschaft gegen Investment“, hat
Zypern schon etwa 8 Milliarden Euro eingebracht. In den vergangenen zehn
Jahren sollen so mehr als 3.500 Personen, mehrheitlich Russen und Chinesen,
dank „goldener Reisepässe“ zu Europäern geworden sein.
Verdeckte Ermittlungen des TV-Senders [1][Al Jazeera English] (AJE) legen
nun nahe, dass es auch Kriminellen leicht gemacht wird, so eine
Eintrittskarte in die EU zu erwerben. Die Reporter gaben sich als
Abgesandte eines reichen Chinesen aus, der in seiner Heimat wegen
Geldwäsche und Korruption zu sieben Jahren Haft verurteilt worden sei und
gerade noch rechtzeitig nach Hongkong habe fliehen können. Sie trafen sich
auf Zypern mit Immobilienhändlern, einem Rechtsanwalt und den beiden
Abgeordneten – und alle Beteiligten machten dabei deutlich, dass die
Vorstrafen kein großes Problem darstellen würden. Und: Sie filmten die
Gespräche mit verdeckter Kamera.
So wurde den beiden Reportern eine Investition in „Sun City“ ans Herz
gelegt, eine Villa dort sollte 3,8 Millionen Euro kosten. Das Projekt eines
Luxusresorts wird von der Giovanis Group vorangetrieben, einer Firma, der
der linke Politiker gleichen Namens vorsteht. Die Tatsache, dass der
fiktive chinesische Betrüger kein sauberes Führungszeugnis würde vorlegen
können – eigentlich eine Voraussetzung für den Erwerb der zyprischen
Staatsbürgerschaft –, sei zwar ein „Problem“, so die Gesprächspartner,
ließe sich aber überwinden.
## Sogar eine Namensänderung sei möglich
Sogar eine Namensänderung im Pass des Chinesen sei möglich – eine
paradiesische Vorstellung für Kriminelle. Und eine Beschleunigung des Falls
auf wenige Tage sei auch drin, wenn eine Akte von unten ganz nach oben
gelegt werde. Man habe schon vielen Personen geholfen. „Wir sind auf
Zypern!“, sagte lachend der Anwalt über die Wege, Dinge so zu bereinigen,
dass der ersehnte Pass ausgestellt werden könnte.
Nach Veröffentlichung des Materials stritten die Beteiligten jeden Versuch
einer kriminellen Handlung ab. Vielmehr hätten sie die Gespräche nur zum
Schein geführt, um die Informationen danach der Antikorruptionsbehörde
weiterzugeben.
Nach Bekanntwerden der AJE-Recherche auf Zypern fuhr ein Sprecher der
EU-Kommission in Brüssel schweres Geschütz auf: Man habe „ungläubig
gesehen, wie hochrangige Staatsvertreter Staatsbürgerschaften für
finanzielle Gewinne eintauschen“. In einer Dringlichkeitssitzung beschloss
die Regierung in Nikosia am 13. Oktober, das Programm mit den „goldenen
Pässen“ „in der jetzigen Form“ zum 1. November einzustellen. Was das gen…
bedeutet, blieb unklar. Allerdings warnte die Regierung Unternehmen vor
einer weiteren Werbung für die „goldenen Pässe“: Diese könne mit
Geldstrafen von bis zu 350.000 Euro geahndet werden.
Der Europäischen Union ist der Handel mit EU-Reisepässen schon lange ein
Dorn im Auge. Vor knapp zwei Jahren untersuchte die Kommission solche
Geschäfte, die neben Zypern auch von Malta und Bulgarien angeboten werden.
„Geldwäsche, Steuerhinterziehung können nicht ausgeschlossen werden, weil
einige Staaten keine ausreichenden Nachweise fordern, woher das Geld
stammt“, sagte damals EU-Kommissarin Věra Jourová.
## Proteste in Nikosia
In dieser Woche will das EU-Parlament die Vergabe der „goldenen Pässe“ auf
Zypern und anderswo debattieren. „Das Europäische Parlament schlägt
zurück“, twitterte der Abgeordnete Sven Giegold (Grüne) und verlangte, dass
dieses „schmutzige Geschäft“ beendet werden müsse.
In Nikosia protestierten am vergangenen Mittwoch mehrere hundert Menschen
gegen den Korruptionsskandal. Unter ihnen war auch die frühere
EU-Kommissarin Androulla Vassiliou. Sie schäme sich für das, was passiert
sei, sagte sie AJE.
Inzwischen hat der Generalstaatsanwalt in Nikosia die Polizei mit einer
Untersuchung betraut. Erste Ermittlungen drehen sich nach einem Bericht der
Tageszeitung [2][Cyprus Mail] um 23 Fälle gekaufter Reisepässe, darunter
18, bei denen die Neubürger als Direktoren und Anteilseigner eines Casinos
registriert sind und offenbar nie die vom Staat geforderte Investition von
2,5 Millionen Euro geleistet haben. Wie tief die zyprische Polizei in dem
Fall graben wird, der auch hochrangige Mitarbeiter des Innenministeriums
belasten könnte, bleibt abzuwarten.
18 Oct 2020
## LINKS
[1] https://www.aljazeera.com/program/investigations/2020/8/23/the-cyprus-paper…
[2] https://cyprus-mail.com/
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
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