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# taz.de -- Wachsende Spannungen auf Zypern: Geisterstadt erhält Besucher
> Nach 46 Jahren soll die Stadt Varosha im türkischen Norden von Zypern
> wieder geöffnet werden. Griechische Zyprer und die EU protestieren.
Bild: Die Geister, die Erdoğan rief: Eskaliert der Streit zwischen der Türkei…
Berlin taz | Hinter einem rostigen Zaun, bekrönt von Stacheldraht, streckt
sich ein feiner Sandstrand nach Osten. Der Küste entlang ziehen sich
Hochhäuser, Villen und Apartmentblocks. 46 Jahre lang hat kein Zivilist
diesen Strand betreten. Die Gebäude sind verfallen, die angrenzenden
Straßen, die sich vom Zaun aus erkennen lassen, von Sträuchern überwuchert.
In der Stadt Varosha, einem Vorort des zyprischen Famagusta, wohnt seit
1974 niemand mehr. Soldaten der türkischen Armee sind die einzigen
Menschen, die Varosha betreten dürfen.
Am Donnerstag endet der Dornröschenschlaf dieser Geisterstadt. Der Premier
der nur von der Türkei anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“, Ersin
Tatar, gab bei einem Besuch in Ankara bekannt, dass Teile der abgesperrten
Stadt, die auf Türkisch den Naman Maras trägt, geöffnet werden. Am Mittwoch
waren zyperntürkische Arbeiter damit beschäftigt, einen Checkpoint an der
Absperrung zu errichten.
Die Öffnung könnte eine Geste der Normalisierung sein, doch die im Süden
der Insel lebenden griechischen Zyprioten verstehen sie als das Gegenteil.
Deren Präsident Nikos Anasasiades klagte im Fernsehen: „Mit dem, was die
Türkei beschlossen hat, werden alle Resolutionen des UN-Sicherheitsrats
verletzt. Es ist eine äußerst inakzeptable Aktion.“
Ganz anders klang da der türkische Staatspräsident Rezep Tayyip Erdoğan:
Varosha liege „unbestritten“ auf dem Boden Nordzyperns. Und: „Wir wissen,
dass das vielen unangenehm sein wird.“ Tatsächlich verschärft die Öffnung
Varoshas die Spannungen auf der Insel.
## Versehentliche Eroberung
Das ausschließlich von Insel-Griechen bewohnte Varosha geriet im
Zypernkrieg von 1974 unter türkische Kontrolle. Damals besetzte die
türkische Armee als Reaktion auf einen Putsch griechischer Militärs etwa
ein Drittel der Mittelmeerinsel. Die dort lebende griechischstämmige
Bevölkerung wurde zur Flucht in den Süden gezwungen, bald darauf verließen
die im Süden lebenden Türken ihre Heimat und mussten in den nun türkischen
Norden umziehen. Nach dieser ethnischen Säuberung riefen die Machthhaber
auf dem nun türkischen Gebiet 1983 einen eigenen Staat aus, die „Türkische
Republik Nordzypern“.
Varosha soll 1974, so heißt es, nur aus Versehen von der türkischen Armee
erobert worden sein, eigentlich lautete die Planung, die griechische
Vorstadt des türkisch bewohnten Famagusta nicht zu attackieren. Die
Waffenstillstandsabkommen schrieben vor, dass der Ort nicht besiedelt
werden dürfe. Varosha wurde abgesperrt und verfiel, als ein Faustpfand der
türkischen Seite für Verhandlungen zur Wiedervereinigung Zyperns, die nie
zu einem Abschluss gelangt sind.
## Gefährliche Zündelei
Ganz geöffnet wird Varosha nun offenbar nicht: Nach zyperntürkischen
Medienberichten geht es vor allem um den Strandbereich, nicht um die ganze
Stadt, die einmal 40.000 Einwohner hatte. Auch sollen keine Geschäfte oder
Häuser renoviert und geöffnet werden, das Eigentumsrecht der einstigen
Bewohner also nicht angetastet werden.
Der einseitige türkische Schritt fällt in eine Zeit wachsender
[1][Spannungen im Dreieck von Zypern, Griechenland und der Türkei]. Erst
vor wenigen Tagen hat ein türkisches Forschungsschiff auf der Suche nach
Gas von Zypern beanspruchte Meeresgewässer nahe der Insel verlassen. Zuvor
hatte eine ähnliche Mission in von Griechenland beanspruchten Gewässern den
Konflikt zwischen Athen und Ankara [2][bis nahe an einen Krieg] geführt.
Die EU, deren Mitglied die griechische Republik Zypern ist, hat der Türkei
vorgeworfen, den Konflikt auf Zypern mit dem Schritt zu schüren. Der
EU-Außenbeauftragte Josep Borrelll kritisierte, dies sein ein „ersthafter
Verstoß“ gegen die UN-Waffenstillstandvereinbarung. Die Entscheidung sei
„nicht hilfreich“ für eine Lösung des Zypernkonflikts.
7 Oct 2020
## LINKS
[1] /Tuerkisch-griechischer-Konflikt-um-Erdgas/!5709704
[2] /Tuerkisch-griechischer-Streit/!5702312
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
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