# taz.de -- Präsidentschaftswahlen in Nordzypern: Knappe Kiste für Erdoğans … | |
> Der Kandidat des türkischen Präsidenten Erdoğan muss in die Stichwahl. | |
> Dort könnte der bisherige Amtsinhaber Mustafa Akıncı auftrumpfen. | |
Bild: Premier Tatar bei einem Besuch der Grenze zum griechischen Teil Zyperns a… | |
Berlin taz | Die türkischen Zyprer wählen nicht so, wie es dem türkischen | |
Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan genehm ist. Bei der Präsidentschaftswahl | |
in der nur von der Türkei anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“, | |
errang der Favorit Erdoğans, der bisherige Premier Ersin Tatar, zwar mit | |
gut 32 Prozent die meisten Stimmen. | |
Er verfehlte aber die absolute Mehrheit und muss gegen den bisherigen | |
Amtsinhaber [1][Mustafa Akıncı] (knapp 30 Prozent) am kommenden Sonntag in | |
die Stichwahl. Und da könnte es für Erdoğans Günstling eng werden. | |
Denn es ist zu erwarten, dass die Wähler, die im ersten Urnengang dem | |
Sozialdemokraten Turfan Erhurman ihre Stimmen schenkten, mit großer | |
Mehrheit zu Akıncı wechseln. Erhurman erhielt am Sonntag immerhin knapp 22 | |
Prozent der Stimmen. | |
Erdoğan hatte sich nur wenige Tage vor dem Urnengang unverhohlen in die | |
Innenpolitik der wirtschaftlich und militärisch von Ankara abhängigen | |
Minirepublik eingemischt. Zusammen mit seinem Günstling Tatar verkündete er | |
eine [2][Teilöffnung der Geisterstadt Varosha], die seit dem Zypernkrieg | |
1974 leer steht, und behauptete, der früher griechisch bewohnte Ort gehöre | |
zweifellos zum Territorium Nordzyperns. Präsident Akıncı war vorher nicht | |
einmal darüber informiert worden. | |
## Streit um Gasvorkommen hat sich verschärft | |
Varosha, ein früher mondäner Badeort, in dem schon Elisabeth Taylor und | |
Richard Burton ihren Urlaub verbrachten, gilt als Symbol der Inselteilung. | |
Die rund 40.000 griechischstämmigen Bewohner hatten 1974 Hals über Kopf vor | |
der anrückenden türkischen Armee in den Süden flüchten müssen und pochen | |
auf eine Rückkehr in ihre Heimat. Seit dem Krieg ist nicht nur Varosha | |
verlassen, sondern die ganze Insel einschließlich der Hauptstadt Nikosia | |
geteilt. | |
Das UN-Waffenstillstandsabkommen von 1974 legte fest, dass Varosha | |
unbesiedelt und abgesperrt bleibt, bis eine Lösung des Zypern-Konflikts | |
gefunden ist. Diese allerdings liegt nach mehreren gescheiterten | |
UN-Vermittlungsrunden in den letzten 40 Jahren in weiter Ferne. | |
Der jüngste [3][Streit um Gasvorkommen] im Mittelmeer um Zypern hat den | |
Konflikt im Gegenteil noch verschärft, weil die Türkei aus Sicht der in der | |
südlichen Republik Zypern lebenden Insel-Griechen bei der Suche nach Gas | |
die Territorialansprüche Zyperns verletzt. | |
Der bisherige Präsident Nordzyperns, Mustafa Akıncı, gilt als Liberaler, | |
der für eine föderale Lösung im Zypern-Konflikt eintritt und zu | |
Kompromissen bereit ist. Mehrfach bekam er deshalb Ärger mit Erdoğan, der, | |
ebenso wie Kandidat Tatar, Befürworter einer Unabhängigkeit des Nordens ist | |
und sich maximal einen losen Staatenbund mit den Zyperngriechen vorstellen | |
kann. Der nun ausgeschiedene dritte Kandidat bei den Wahlen, Turfan | |
Erhurman, unterstützt dagegen eine bundesstaatliche Lösung. | |
Die UN-Vermittlungen zu einer Lösung des Konflikts sollen nach Vorliegen | |
des Ergebnisses der Präsidentschaftswahl in Nordzypern wieder aufgenommen | |
werden. Bisher scheiterten [4][alle Verhandlungen] an unterschiedlichen | |
Vorstellungen der Konfliktpartner über die Größe ihres Bundesstaats, an | |
Fragen der Rechte der Türkei und an divergierenden Meinungen über die | |
Repräsentanz der beiden Bevölkerungsgruppen. | |
12 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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